"Einsatzbereitschaft und Neugier vor Profitausrichtung"
15. April 2009Ausgangspunkt der Krise war spekulativer institutioneller und privater Wohnungsbau. Überbewertung von Wertsteigerung, von Mittelmaß und Austauschbarkeit, werden einer vollständigen Neubewertung unterzogen, was grundsätzlich positiv zu bewerten ist. Vertrauen in Langfristigkeit und Qualität ist die Basis für Glaubwürdigkeit. Vorgeblich Altbewährtes entpuppt sich dabei oft als Falle, ein klassisches Missverständnis durch blindes Vertrauen auf die Vergangenheit.
Nur durch Ratlosigkeit und Angst wird aus offensichtlichem Veränderungsdruck eine Krise. Wir müssen begreifen, dass unsere Welt sich unwiderruflich verändert und weiter verändern wird. Diese durchaus nicht neue Tatsache kann man als Problem begreifen und ihr mit ängstlicher Sicherung von bekanntem Terrain begegnen oder aber mit optimistischem Drang nach neuen Lösungen. Wenn uns die Geschichte eines lehrt, dann das nur Letzteres Wege in bessere Gesellschaften weisen kann.
Investitionen müssen Entstehendes fördern
Nachhaltigkeit, Flexibilität und Qualität werden an Bedeutung gewinnen. Weder das pure Kopieren im Sinne eines „international style“ noch der reine Export von lokal Bewährtem sind in der Globalisierung den verschieden Menschheitskulturen gerecht geworden. Durch das Verwachsen von Bestehendem und Neuen, Lokalem und Globalen, der Kombination der besten Lösungsansätze zu einem komplexeren Ganzen, werden wir der Notwendigkeit von Identität und Wert, von qualitätvoller Behausung gerecht.
Schon wehren sich Traditionalisten gegen Innovationskraft und experimentelle Lösungssuche. Der Verschuldung wird mit weiterem Kredit auf die Zukunft begegnet. Dazu muss sich grundlegend das Bekenntnis zur Erneuerung und Wettbewerbsfähigkeit gesellen, und dies im internationalen Kontext. Gerade die entwickelten Länder haben hier mit demografischen Realitäten zu kämpfen. „Förderung des Zukunftsfähigen“ muss vor „Rückzug auf das Bewährte“ gehen. Investitionen dürfen nicht das Absterben hinauszögern, sondern müssen Neuentstehendes fördern.
Die Rolle der Architektur heute
Die Frage nach der Antwort auf die Krise muss anders formuliert werden, als eine grundsätzliche Frage nach dem Antworten auf Veränderung. Das Büro GRAFT sucht, so wie viele andere Architekturbüros auch, nicht erst vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen, sondern seit seiner Gründung, nach neuen Wegen, die Veränderung und kulturelles Zusammenwachsen der Welt als Chance begreifen. Dem Architekten fällt in dieser Zeit erneut eine entscheidende Rolle zu, da er an der Schnittstelle von Gesellschaft, Kultur, Ökonomie sowie Ökologie agiert. Architektur muss als Katalysator zur verantwortlichen Erneuerung genutzt werden. Der einzige Weg, die Zukunft entscheidend zu bestimmen, ist sie in dieser Verantwortlichkeit zu erfinden.
Wir glauben an internationale Ausrichtung und breites Repertoire. Einsatzbereitschaft und Neugier gehen vor Profitausrichtung. Hohe Qualität muss der Anspruch in allen Preislagen sein. Architektur und Bauen stehen für Kultur, nicht ausschließlich für Nutzen.
Das Architekturlabel GRAFT für Architektur, Städtebau, Design und Musik wurde 1998 von Lars Krückeberg, Wolfram Putz und Thomas Willemeit in Los Angeles gegründet. 2001 folgte das zweite Büro in Berlin und 2004 mit Gründungs-Partner Gregor Hoheisel ein weiteres in Peking. Zu den bekanntesten Projekten von GRAFT zählen Häuser, die für die Opfer des Wirbelsturms Katrinas in New Orleans von Brad Pitt in Auftrag gegeben wurden.
Redaktion: Sabrina Scholz