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Gaslieferungen nach Europa durch die Ukraine komplett gestoppt

7. Januar 2009

Europäische Staaten melden: Kein Gas kommt an. Die Ukraine und Russland beschuldigen sich gegenseitig, für den Lieferstopp verantwortlich zu sein. Die Ukraine stimmte inzwischen einer EU-Beobachtermission zu.

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Ein Gasdruckmesser gehtauf Null
Kein Gas fließt mehrBild: AP

Seit Mittwochmorgen (07.01.2009) fließe kein für europäische Kunden bestimmtes russisches Gas mehr durch die Pipelines in der Ukraine, sagte ein Sprecher der staatlichen ukrainischen Gasgesellschaft Naftogaz. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, für den Lieferstopp verantwortlich zu sein.

Die Ukraine gibt an, der russische Konzern Gazprom habe den Gashahn komplett abgedreht. Gazprom-Chef Alexej Miller warf der Ukraine am Dienstag vor, das für den Export bestimmte Gas zu Eigenzwecken zu stehlen. Deshalb gebe es keinen Grund mehr, das Gas über die Ukraine zu den Kunden in Westeuropa zu pumpen. Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin hatte den staatlichen Energiekonzern gestern angewiesen, deshalb die tägliche Lieferung nach Europa durch die Ukraine um weitere 15 Prozent zu kürzen.

Gazprom-Vizechef Medwedew mit aufgestützten Armen
Gazprom-Vizechef Medwedew warnt vor LeitungsschädenBild: AP

Russland seinerseits gibt an, die Ukraine habe auch die vierte und letzte Leitung, durch die russisches Gas in europäische Staaten fließt, geschlossen. Gazprom-Vizechef Alexander Medwedew warnte bei seinem Berlin-Besuch am Mittwoch davor, es könne zu ernsten technischen Problemen kommen, wenn die Leitungen bei diesen eisigen Temperaturen für einige Zeit nicht benutzt würden.

Der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko appellierte in einem Brief an den russischen Präsidenten Dmitri Medwedew, die Lieferungen sofort wieder aufzunehmen. Der Brief ging auch an den Präsidenten der EU-Kommission, José Manuel Barroso. "Ich denke, dass - bis zum Abschluss neuer Verträge - die Lieferungen in die europäischen Staaten in dem Umfang wieder aufgenommen werden sollten wie 2008", heißt es in dem Schreiben.

Kein Gas fließt mehr

Inzwischen melden Österreich, Tschechien, Rumänien und die Slowakei, dass sie vollständig von der Gasversorgung aus Russland abgeschnitten sind. Der österreichische Versorger OMV teilte mit, die Versorgung der Verbraucher sei aber vorerst durch den Rückgriff auf Speicher und die Eigenproduktion gesichert. In Rumänien berief Wirtschaftminister Adriean Videanu für diesen Mittwoch eine Krisensitzung ein. In Ungarn wurde die Beheizung des Flughafens von Gas auf Öl umgestellt.

Zehntausende Serben wachten derweil zum orthodoxen Weihnachtsfest in kalten Wohnungen auf. Die Heizkraftwerke in kleineren aber auch größeren Städten waren technisch nicht in der Lage, das Gas durch Öl zu ersetzen. Staatspräsident Boris Tadic und Regierungschef Mirko Cvetkovic hatten noch Dienstagabend versichert, Notmaßnahmen zur Versorgung der Heizkraftwerke mit Öl seien eingeleitet.

Bereits am Dienstag hatten wegen des russisch-ukrainischen Streits über Zahlungen und Gaspreise mehrere europäische Länder massive Liefereinschränkungen beklagt. In Österreich kamen nur zehn Prozent der üblichen Menge an; zu deutlicheren Lieferausfällen kam es auch in Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Serbien, Griechenland und der Türkei. In der Slowakei wurde wegen der Lieferausfälle der Notstand ausgerufen.

In Deutschland könnte es "eng werden"

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos bekräftigte am Mittwoch, deutsche Verbraucher müssten sich vorerst keine Sorgen machen. Niemand werde "im Winter frieren müssen". Im Gegensatz zu anderen Ländern sei die Bundesrepublik nicht ausschließlich auf russische Lieferungen angewiesen. Glos schränkte allerdings ein, bei normalen Temperaturen könne Deutschland etwa ein Vierteljahr durchhalten. So lange gebe es derzeit noch Gasreserven. Bei der jetzigen Kälte werde es aber schneller eng.

Glos forderte Russland und die Ukraine auf, "sich zusammenzusetzen und wieder anzufangen, "sich an Lieferverpflichtungen zu halten". Er selbst sei "nicht in der Lage zu richten, welche Seite Recht hat". Aber er habe das Gefühl, "dass viele andere Länder als Geisel genommen werden sollen in einem Streit, den die Ukraine und Russland miteinander ausfechten".

Günter Verheugen (dpa)
Verheugen verlangt "schnelle Einigung" (Archivfoto)Bild: picture-alliance/ dpa

Auch EU-Industriekommissar Günter Verheugen machte Druck auf beide Länder: "Die Kommission fordert eine sofortige und vollständige Wiederaufnahme der Gasversorgung in der Europäischen Union", sagte Verheugen, der auch Vizepräsident der EU-Kommission ist, dem "Hamburger Abendblatt". Die EU erwarte, dass die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine "zu einer schnellen und endgültigen Einigung führen, die den Gas-Streit ein für alle Mal lösen soll". "Wir werden die Situation weiterhin genau verfolgen", so der EU-Vizepräsident.


Gespräche über Beilegung des Konflikts

Nach den Protesten mehrerer EU-Länder wegen des Gasstreits schickt der russische Konzern Gazprom eine Delegation nach Brüssel. Das EU-Parlament kündigte ein Treffen von Gazprom-Chef, Alexej Miller, und des Vizechefs der ukrainischen Gasgesellschaft Naftogaz, Igor Didenko, für Donnerstag an. Die beiden und Politiker beider Länder würden mit dem Ausschuss für Außenbeziehungen des Parlaments die Lage erörtern.

Die ukrainische Regierungschefin Julia Timotschenko stimmte inzwischen dem Vorschlag der EU-Kommission zu, eine technische Expertenkommission ins Land zu lassen. Timotschenko habe dies mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso telefonisch vereinbart, hieß es aus Kiew. Die Experten sollen die aus Russland ankommenden Gaslieferungen messen. (hy)