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Garteneinsichten - ein Stück vom Paradies

6. September 2014

Gärten machen Arbeit und sind eigentlich nie fertig. Dennoch flüstert ein Garten dem Menschen etwas vom Paradies zu, erzählt von einer Schönheit, die aus Gott kommt, meint Hildegard König von der katholischen Kirche.

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Bundesgartenschau September 2011
Bild: DW/E. Fritsch

Haben Sie einen Garten? – Ein kleines Stück Grün, das die Terrasse umfasst, oder einen Park, durch den man spazieren kann? Einen Lustgarten mit Brunnen, Blumenrabatten und lauschigen Sitzplätzen, oder einen Nutzgarten mit Ostbäumen und Gemüsebeeten? Oder haben Sie vielleicht eine kleine Parzelle im Schrebergarten mit Nachbarn ringsum, mit einem Geräteschuppen und einer Nutzungsordnung?

Gärten sind so verschieden wie die Menschen, die dazugehören. Aber eins haben sie gemeinsam: Sie müssen gepflegt werden, wenn sie nicht verwildern sollen. Gärten machen Arbeit. Das wissen wir seit Adam und Eva. Als die aus dem Paradies, dem Garten Eden, verjagt wurden, so weiß es die Bibel (vgl. Gen 2-3) und nicht nur sie, war es vorbei mit der reinen Gartenlust; ab da ging es im Leben um Arbeit, ob auf Acker und Feld oder im Garten: ohne schweißtreibende Arbeit keine Früchte, keine Ernte.

Die Geschichte von Adam und Eva und ihrer Vertreibung aus dem Garten Eden ist ein Mythos, also eine Erzählung, die uns menschliche Grunderfahrungen anschaulich macht. So kann sie uns etwa den Verlust einer sorglosen, glücklichen Kindheit bedeuten, der spätestens dann eintritt, wenn wir die Folgen unseres Wissens um Gut und Böse selbst zu tragen haben. Oder sie steht für die Sehnsucht nach einer heilen Welt, - eine Sehnsucht, die nie und nimmer gestillt wird, weil unsere Welt keine heile ist, sondern eine voller Unheil, voll Unfrieden, Unglück und Leid.

Nein – die Welt ist nirgends ein Paradies, auch wenn wir uns das manchmal gerne einreden lassen, auch nicht in unseren Gärten, in denen wir dieses Paradies irgendwie nachbauen wollen. Immer wieder durchkreuzen Mühe und Last, die wir mit dem Garten haben, unsere Illusion, im Paradies zu sein.

Und doch flüstert mir mein Garten auf Schritt und Tritt etwas vom Paradies zu: Die Schönheit der voll erblühten Dahlien in ihrer Farbenpracht, jetzt im Spätsommer, geht über das hinaus, was ich als Mensch schaffen kann. Ich kann nach den Frühjahrsfrösten die Knollen in die Erde setzen, ich kann gießen und jäten, aber was daraus an Schönheit entsteht, das habe ich nicht in der Hand.

Alles Natur, alles gesetzmäßig, mag man einwenden. Ja, alles Natur, wie ich selbst auch. Aber dass ich über solche Schönheit staune, dass sie mich ins Herz hinein anrührt und mich über mich selbst hinaustreibt, und dass sie mich in diesem Moment über die Maßen glücklich macht, das ist ein Geheimnis, das ich nicht ergründen kann.

Die Bibel mit ihrem Mythos vom Paradies und von Adam und Eva, gibt eine Erklärung für dieses Geheimnis, und nennt es GOTT. GOTT als Quelle der Schönheit, des Glücks, des Lebens, das alle Natur durchpulst. Im Bild gesprochen: GOTT weilt in ihrem Garten. Und der Mensch als Adam und Eva ist selbst Teil des Gartens und mehr als das, nämlich begabt, Schönheit zu sehen, und darüber zu staunen, darüber nachzudenken und mit diesem Geheimnis, das wir GOTT nennen können oder Natur oder sonst wie, in Kontakt zu treten. Das Paradies bedeutet dann: Der Mensch in Beziehung zu GOTT, der Mensch, in Harmonie mit sich und der Natur um ihn, voll des Lebens, fähig zum Glück, und in all seinen Spielarten schön.

Die Welt aber, in die wir geworfen sind, ist gestörte und zerstörte Idylle, - alles, nur nicht paradiesisch. Wir wissen es und erfahren es in jeder Nachricht, die uns unter die Augen oder zu Gehör kommt.

Und doch blühen in dieser unheilen Welt die Dahlien und setzen ihre Schönheit gegen Zerstörung und Leid. Hinfällig wie sie selbst sind, sprechen sie vom Leben in Fülle, in seinen tausend Farben und Formen. - So wie sie mir entgegenstrahlen, sind sie für mich ein Argument über meinen Garten hinaus: Paradies kann sein und GOTT auch. Bei dieser Hypothese bleibe ich bis zum Beweis des Gegenteils. Die Dahlien stehen auf meiner Seite.

Zur Autorin: Prof. Dr. Hildegard König hat in Tübingen katholische Theologie und Germanistik studiert. Ein Schwerpunkt ihrer Forschung liegt im Bereich „Alte Kirchengeschichte und Patristik“. Nach einem Studienaufenthalt in Rom lehrte sie an den Universitäten Luzern, Frankfurt, Tübingen und an der RWTH Aachen. Nach einer Gastprofessur an der LMU München arbeitet sie seit 2011 als Professorin für Kirchengeschichte an der Technischen Universität Dresden. Darüber hinaus ist sie als freie Dozentin tätig.

Prof. Dr. Hildegard König, Chemnitz
Prof. Dr. Hildegard König, ChemnitzBild: Hildegard König