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Günter Grass wegen Israel-Gedicht massiv in der Kritik

4. April 2012

Literaturnobelpreisträger Günter Grass hat in einem Gedicht Israel im Zusammenhang mit dem Atomkonflikt mit dem Iran angegriffen und ist damit selbst Zielscheibe massiver Kritik geworden.

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Der Schriftsteller und Literaturnobdelpreisträger Günter Grass (Foto: AP/dapd)
Bild: dapd

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, erklärte, er sei über die Äußerungen von Grass schockiert. Er könne in dem Beitrag des Nobelpreisträgers kein literarisches Gedicht, sondern "mehr ein Hasspamphlet" erkennen, sagte Graumann der Nachrichtenagentur dapd. Grass schiebe Israel die Verantwortung für eine Gefährdung des Weltfriedens zu. Das zeige, "dass ein herausragender Autor noch längst kein herausragender politische Experte ist", erklärte der oberste Repräsentant der rund 108.000 Juden in Deutschland weiter. Dies habe Grass "diesmal auf miserable Weise unter Beweis gestellt".

In vier großen Zeitungen veröffentlicht

Das Gedicht mit dem Titel "Was gesagt werden muss" wurde in den jeweiligen Mittwochausgaben der "Süddeutschen Zeitung", der "New York Times", der italienischen "La Repubblica" und der spanischen "El Pais" abgedruckt. Darin schreibt der 84-jährige Grass: "Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden." Israel beanspruche für sich das Recht auf den Erstschlag gegen "das von einem Maulhelden unterjochte und zum organisierten Jubel gelenkte iranische Volk", nur weil in dessen Machtbereich der Bau einer Atombombe vermutet werde.

Grass provoziert mit Gedicht

Wer Israel mit seinen geheimgehaltenen Atomwaffen dafür kritisiere, setze sich sogleich dem Verdacht des Antisemitismus aus. Er sei der "Heuchelei des Westens" überdrüssig und hoffe, dass sich viele von dem Schweigen befreiten, heißt es in dem Gedicht weiter, in dem Grass zugleich betont, er sei dem Land Israel verbunden und wolle dies bleiben.  Zur Lösung des Atomkonflikts fordert der Autor, "dass eine unbehinderte und permanente Kontrolle des israelischen atomaren Potentials und der iranischen Atomanlagen durch eine internationale Instanz von den Regierungen beider Länder zugelassen wird."

Botschaft: Israel will Frieden

Die israelische Botschaft in Berlin wies die Kritik des Literaturnobelpreisträgers zurück und stellte dessen Gedicht in eine Reihe antisemitischer Vorurteile. In einer Erklärung des Gesandten Emmanuel Nahshon heißt es, Israel sei der einzige Staat auf der Welt, dessen Existenzrecht öffentlich angezweifelt werde. Die Israelis wollten jedoch in Frieden mit den Nachbarn in der Region leben.

Irans Präsident Ahmadinedschad in der Atomanlage Nathans (Foto: AP)
Irans Präsident Ahmadinedschad in der Atomanlage NathansBild: AP

Scharfe Kritik übte auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe: "Ich bin über die Tonlage, über die Ausrichtung dieses Gedichtes entsetzt", sagte Gröhe in Berlin. Es verkenne völlig die Situation, dass ein nach Atomwaffen greifender Iran das Existenzrecht Israels bestreite, den Holocaust leugne und sich internationaler Kontrolle seiner Kernenergiekonzepte verweigere.

Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Reinhold Robbe, warf Grass ein erschreckendes Unwissen über die komplexen politischen Verhältnisse im Nahen Osten vor. Der Text des Literaturnobelpreisträgers  sei "mager, selbstbezogen, überflüssig und eitel", sagte der SPD-Politiker.

Regierung verweist auf Kunstfreiheit

Demonstrativ gelassen zeigte sich die Bundesregierung. Ihr Sprecher Steffen Seibert erklärte in Berlin: "Es gilt in Deutschland die Freiheit der Kunst und es gilt glücklicherweise auch die Freiheit der Bundesregierung, sich nicht zu jeder künstlerischen Hervorbringung äußern zu müssen."

Grass, der sich in der alten Bundesrepublik und dann im vereinten Deutschland immer wieder auch zu politischen Themen äußerte, hatte 2006 bekannt, dass er als 17-Jähriger am Ende des Zweiten Weltkriegs Mitglied der Waffen-SS war. Kritiker warfen ihm vor, seine SS-Zugehörigkeit jahrzehntelang verschwiegen zu haben, während er andere immer wieder wegen ihrer NS-Vergangenheit öffentlich kritisiert habe. Manch einer sprach ihm die moralische Integrität ab.

wl/hp (dpa,dapd,kna)