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Für die meisten Flüchtlinge fühlt sich keiner zuständig

20. Juni 2006

Weil sich viele Staaten immer stärker abschotten, bleibt Flüchtlingen oft nur die Flucht im eigenen Land. Doch für diese Binnenflüchtlinge gilt keine Konvention und Hilfe ist oft schwierig.

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Frauen im Flüchtlingslager Abu Shouk in DarfurBild: AP
Flüchtlingslager in Darfur
Das Lager Asilef in Süd-DarfurBild: dpa

Eine gute Nachricht zum Weltflüchtlingstag am Dienstag (20.6.): Denn die Zahl der Flüchtlinge hat weltweit den niedrigsten Stand seit 26 Jahren erreicht. 8,4 Millionen Menschen flohen 2005 aus ihren Heimatländern - gut eine Million weniger als noch im Jahr zuvor. Ein Grund zur Freude ist die Statistik des UN-Flüchtlingskommissariats, UNHCR, allerdings nicht. Denn die Ursache der sinkenden Zahlen ist nicht, dass es heute weniger Gründe für Flucht gibt, sondern dass viele Flüchtlinge es gar nicht über eine internationale Grenze schaffen. "Asylsuchenden wird es zunehmend schwer gemacht, in anderen Ländern Aufnahme zu finden", betont der UNHCR-Sprecher Ron Redmond. "Vor allem die Industriestaaten schotten sich immer mehr ab."

Flucht im eigenen Land

"Keeping the Flame of Hope alive" ist das Motto des diesjährigen Weltflüchtlingstages: "Die Flamme der Hoffnung am Leben halten". Doch die Hoffnung nicht zu verlieren, wird zusehends schwieriger, je dichter die internationalen Grenzen werden. Aus Angst vor Armutsmigranten wird in den reichen Industrieländern immer weniger zwischen Migranten und Flüchtlingen unterschieden. Seit Jahren ist es in den reicheren Industrienationen immer schwieriger geworden, den Flüchtlingsstatus zu erreichen. Viele werden schon bei der Einreise abgeschoben, wenn sie denn überhaupt die Grenze erreichen.

Afrikanische Flüchtlinge auf den Kanaren
Gefährliche Reise: Flüchtlinge vor den Kanarischen InselnBild: picture-alliance/dpa

Doch wenn die Grenzen zu sind, bleibt nur noch die Flucht im eigenen Land. Die Zahl der Binnenflüchtlinge, oder - wie sie im Jargon des UN-Flüchtlingskommissariats heißen - Internally Displaced Persons, ist im gleichen Takt gestiegen, wie die Zahl derer gesunken ist, die es über eine internationale Grenze geschafft haben. Dabei, so der UN-Koordinator für humanitäre Anliegen, Jan Egeland, ist die Situation der Binnenflüchtlinge oft schlechter als die internationaler Flüchtlinge. "Die Binnenflüchtlinge sind bedrohter, ärmer und hilfsbedürftiger als wahrscheinlich alle anderen Opfer von Krieg und Katastrophen", sagt Egeland. "Wir gehen davon aus, dass es 25 Millionen Menschen gibt, die Konfliktopfer sind, und viele noch dazu, die wegen Naturkatastrophen im eigenen Land Flüchtlinge sind."

Keine Konvention

Für internationale Flüchtlinge gilt die Genfer Flüchtlingskonvention. Danach ist das Aufnahmeland gehalten, Nahrungsmittel, Unterkunft und einen sicheren Aufenthaltsort zur Verfügung zu stellen. Diese völkerrechtlichen Bestimmungen und Übereinkommen regeln den Schutz der Flüchtlinge. Organisationen wie das Flüchtlingskommissariat der UN unterstützen die Flüchtlinge im Aufnahmeland, damit sie ihr Alltags-Leben wieder aufnehmen mit dem Ziel, irgendwann einmal in ihre Heimat zurückkehren zu können oder, wenn dies nicht möglich ist, in einer neuen Heimat ein neues Leben anzufangen.

Doch für Binnenflüchtlinge gibt es keine internationale Flüchtlingskonvention. Einmischung von der internationalen Gemeinschaft ist oft unerwünscht und Hilfe meist schwierig. Ohnehin nimmt die Weltöffentlichkeit die Flüchtlinge meist einfach nicht zur Kenntnis, wie zum Beispiel im Kongo oder in Kolumbien. Wenn eine humanitäre Katastrophe wie im Sudan die Weltöffentlichkeit tatsächlich wachrüttelt, ist die Hilfe oft zu lange unterwegs und zu unkoordiniert, weil die Zuständigkeiten nicht geklärt sind. Zwar kümmert sich das UN-Flüchtlingskommissariat auch um einen Teil der Binnenflüchtlinge, doch direkt zuständig ist das Kommissariat für diese Flüchtlinge nicht. Angesichts der immer knappen Finanzmittel kann es ohnehin nicht überall helfen.

Effektivere Organisation

Deshalb, so UN-Koordinator Jan Egeland, müssten Zuständigkeiten dringend klar geregelt werden. "Wir haben keine Organisation, die speziell für Binnenflüchtlinge zuständig ist, für die 'normalen' Opfer, die unsere Hilfe am nötigsten haben." Er habe der internationalen Gemeinschaft daher einen neuen Ansatz vorgeschlagen: Alle Organisationen müssten in Gruppen mit einer klaren Leitorganisation eingeteilt werden, die dann für Koordination und Planung zuständig ist. So könne sich das Kinderhilfswerk UICEF für Wasser und Sanitäranlagen kümmern, das UN-Flüchtlingskommissariat um den Schutz von Binnenflüchtlingen und das Internationale Rote Kreuz um Flüchtlinge nach Naturkatastrophen. "Das würde uns ein effektiveres und effizienteres System geben als das, was wir bisher hatten."

Die meisten Binnenvertriebenen gibt es in Kolumbien, dem Irak, Pakistan, Sudan und Afghanistan. Bei den internationalen Flüchtlingen, die unter direktem Schutz des UN-Flüchtlingskommissariats stehen, stammen mehr als die Hälfte aus nur fünf Staaten: Afghanistan, Kolumbien, dem Irak, dem Sudan und Somalia.