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Führungsmacht mit Schwächen

Alexander Göbel2. Juni 2004

Vor zehn Jahren feierte Südafrika den Sieg der Demokratie über das System der Apartheid. Der einst geächtete Paria hat sich seitdem zum weltweit anerkannten Akteur gewandelt. Doch es gibt auch kritische Stimmen.

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Südafrikas Präsident Thabo MbekiBild: AP

Die Welt-AIDS-Konferenz 2000 in Durban, der so genannte Erdgipfel 2002 in Johannesburg, die erste Präsidentschaft der Afrikanischen Union, eine Führungsrolle in deren gerade gegründetem Sicherheitsrat - und nun auch noch der Zuschlag für die Fußball-Weltmeisterschaft 2010: Südafrika bewegt sich sicher auf internationalem Parkett, unbestritten ist es die regionale Ordnungsmacht am Kap.

Aber ist es auch die Führungsmacht Afrikas? Hinsichtlich seiner großen wirtschaftlichen und politischen Stärke will kaum jemand diese Frage verneinen. Allerdings müsse Südafrika noch lernen, mit dieser Rolle umzugehen, meint Garth Le Pere, Direktor des Instituts für Globalen Dialog in Johannesburg: "Hegemoniale Macht bringt Bürden mit sich, Chancen und Grenzen. Ich denke, Südafrika steht noch immer am Anfang einer sehr steilen Lernkurve; es muss herausfinden, wie es seine militärische, ökonomische und politische Macht auf dem Kontinent nutzen kann."

Ökonomischer Bulldozer

Südafrika setzt auf multilaterale und internationale Organisationen. Es will sowohl die eigene Wirtschaft und Entwicklung unterstützen als auch die Integration des gesamten südlichen Afrika. Besonders unter Thabo Mbeki nahm die südafrikanische Außenpolitik diesbezüglich klarere Züge an. Mbeki maß vor allem der Southern Africa Development Community (SADC), dem afrikanischen Kontinent und dem "Süden" generell größere Bedeutung zu.

Ein Zeichen dafür ist auch Südafrikas Engagement in der Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung, kurz NEPAD. Doch wie bei allen anderen Staaten ist auch Südafrikas Außenpolitik von wirtschaftlichen Interessen geleitet: Bereits jetzt überschwemmen südafrikanische Waren den Kontinent. Südafrika wirkt als ökonomischer Bulldozer; ob mit seiner Fluggesellschaft South African Airlines, der Standard Bank, den Mobilfunkfirmen Vodacom und MTN, oder den Biersorten aus der South African Brewery.

Kolonialisierungstendenzen

Besteht da die Gefahr, dass Südafrika den gesamten Kontinent wirtschaftlich kolonialisiert? Joergen Vogt vom Afrikaverein, der Initiative der deutschen Wirtschaft für afrikanische Märkte, räumt ein, dass insbesondere dann Probleme gibt, wenn der Handel eine Einbahnstraße von Südafrika in die übrigen afrikanischen Staaten ist. Allerdings sei Südafrikas wirtschaftliche Kraft von sehr großer Bedeutung für die Entwicklung ganz Afrikas. Denn auch die schwächeren Länder könnten langfristig vom Transfer von Know-how aus Südafrika profitieren.

Südafrika ist nach Vogts Einschätzung eine Lokomotive im Wirtschaftsbereich für den gesamten Kontinent. Allerdings dürfe es eben nicht zu einer Verstärkung der Ressentiments kommen. Das würde nicht nur der Republik Südafrika selbst, sondern dem ganzen Kontinent schaden.

Umstrittenes Krisenmanagement

Robert Mugabe
Umstrittener Nachbar: Simbabwes Präsident Robert MugabeBild: AP

Diplomatisch jedoch tut sich Südafrika mit seiner Führungsrolle noch immer schwer. Umstritten ist vor allem Südafrikas zögerlicher Verhandlungsstil gegenüber Robert Mugabes Unrechtsregime in Simbabwe. Wilfred Mhanda, Bürgerrechtler aus Harare, kritisiert offen den großen Nachbarn Südafrika. Der geriere sich zwar als kontinentale Führungsmacht, wolle aber offenbar seine Verantwortung gegenüber Simbabwe nicht wahrnehmen.

Auch die Bundesrepublik blickt mit einer gewissen Sorge auf das Krisenmanagement Südafrikas gegenüber Robert Mugabe. Harro Adt, Afrikabeauftragter des Auswärtigen Amtes, übt vorsichtige Kritik: "Wir machen [...] gegenüber unseren südafrikanischen Partnern keinen Hehl daraus, dass wir mit den Ergebnissen der bisherigen Bemühungen nicht zufrieden sind [...]." Es müsse klar sein, dass die Probleme in Simbabwe keine Lösung in Europa finden werden. Die Probleme in Simbabwe könnten nur afrikanisch gelöst werden.

Der simbabwische Bürgerrechtler Mhanda warnte, heute sei Simbabwe das Problem, doch es könne morgen Namibia, Mosambik oder Botswana sein: Die so genannte Führungsmacht Südafrika könne nicht immer erst auf einen Konsens warten. Der große Bruder bewege sich zwar wie ein Hegemon, handele aber als Partner. Und das habe mit Führungskraft nichts zu tun.