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Führt die Börsen-Fusion zum Systemrisiko?

Konrad Busen
24. November 2016

Manager der Deutsche Börse (DBAG) in Frankfurt werben kräftig für die Fusion mit der London Stock Exchange (LSE). Bedenken, die neue, große Börse könnte zu einem Systemrisiko werden, weisen sie von sich.

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Skulptur Bulle vor der Börse in Frankfurt
Bild: AP

"Börse im Gespräch”

So heißt der Abend, zu dem die DBAG in der Frankfurter "Alten Börse” eingeladen hat. Einer der Männer auf dem Podium ist Andreas Dombret, Vorstand bei der Bundesbank. Ausdrücklich möchte er sich nicht für oder gegen die Fusion aussprechen, sondern nur als Fachmann für Finanzstabilität und Risikomanagement äußern. "Too big to fail” (Zu groß, um es scheitern zu lassen) ist nach Dombrets Meinung immer ein Problem bei systemrelevanten Instituten, also auch bei der neuen großen Börse, die mit der Fusion entstehen soll. Das Problem müsse man mitigieren, also entschärfen. Bei den Sanierungs- und Abwicklungsplänen, die beispielsweise für das Clearinggeschäft der neuen Börse gelten sollen, habe man noch viel Arbeit vor sich.

Risikofaktor Clearinggeschäft

Clearing, die Abwicklung von Wertpapiergeschäften im Auftrag von Marktteilnehmern, hier erhoffen sich die beiden Börsen vor allem im Geschäft mit Derivaten enorme Synergien und Wachstumsraten. Beim Clearing geht die Börse aber auch selbst ins Risiko. Die neue fusionierte Börse müsste ständig rund 150 Milliarden Euro an Sicherheiten bereit halten, es wäre der größte sogenannte Margin Pool weltweit. Erik Müller, Chef der DBAG-Tochter Eurex Clearing, glaubt, mit neuen Regeln für das Risikomanagement und Abwicklungsregeln für den Notfall die neue Größe des Clearings in den Griff zu kriegen. Schon jetzt gebe es täglich Stresstests, die den Ausfall der zwei größten Marktteilnehmer simulierten. Ein Risiko, das beherrschbar sei.

Ziel: Führender Anbieter von Marktinfrastruktur

Ein leuchtendes Bild von der Zukunft entwirft Gregor Pottmeyer, Finanzvorstand der DBAG. Mit der Fusion der beiden Börsen entstehe der einzige europäische Player, der weltweit mithalten kann. Wenn die Fusion nicht genehmigt werde, kämen sicher schnell Konkurrenten aus den USA (ISE oder CME), um mit London zusammen zu gehen. Dagegen könne mit den jetzigen Plänen ein Leuchtturmprojekt für die Kapitalmarktunion der EU entstehen (auch und gerade wenn es zum Brexit komme). Im Übrigen verspricht Pottmeyer, dass beide Hauptsitze bestehen bleiben. Auch bei der Aufsicht durch Bundesbank und hessische Börsenaufsicht bleibe alles beim Alten. Wobei, zur Frage ob und warum die künftige Holdinggesellschaft in London ihren Sitz haben soll, und nicht in Frankfurt, also innerhalb der EU, dazu äussert sich Pottmeyer nicht so genau. Allenfalls erwähnt er, dass Unternehmen wie Airbus und Shell es auch schafften, mit verschiedenen Sitzen ihrer Holdings zu leben. Wichtiger findet Pottmeyer, welche Geschäfte wo gemacht werden, und die neue Börse werde eine ausbalancierte Geschäftsverteilung haben.

Frankfurter Händler und Mitarbeiter nicht alle überzeugt

Die neue Börse könne Brücken bauen zwischen Großbritannien und dem Kontinent. Unternehmen aus Deutschland fänden leichter Zugang zu Investoren auf der Insel und umgekehrt, so der Finanzvorstand. Dass der Sog nach London größer sein könnte, als der nach Frankfurt, so wie es viele kleine Wertpapierhändler und kleinere Banken in Frankfurt fürchten, will Pottmeyer nicht gelten lassen. Ebenso wenig ist an diesem Abend von Unmut bei den Mitarbeitern der Deutschen Börse die Rede. Gerüchteweise ist in letzter Zeit in Frankfurt häufiger zu hören, dass der Druck auf die Mitarbeiter der Börse im Zuge der Fusion grösser wird. So ist angeblich mit der kostengünstigen Verlagerung von Abteilungen nach Leipzig gedroht worden, Urlaubsregeln in den Arbeitsverträgen wurden von der Geschäftsleitung einseitig gekündigt.

Was, wenn die Fusion scheitert?

Bei dieser Frage wird der Finanzvorstand ganz leise. Die Deutsche Börse sei gut aufgestellt, habe ein "AA Rating”, und stehe dazu, auf alleiniger Basis jedes Jahr zweistellig wachsen zu wollen (zehn bis 15 Prozent Plus beim operativen Ergebnis ist das bisher ausgerufene Ziel). Aber die Nr. 1 oder die Nr. 2 weltweit zu werden, das schaffe man mit organischem Wachstum nicht.