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Fußballer gegen Doping-Experten

4. März 2015

Doping im Fußball ist sinnlos, sagen die Verantwortlichen im Fußball und wollen eine Diskussion erst gar nicht aufkommen lassen. Für Experten ist das "Blödsinn". Sie fordern schärfere Kontrollen und Aufklärung.

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Jürgen Klopp kratzt sich im Ohr (Foto: Boris Streubel/Bongarts/Getty Images)
Bild: Getty Images/Boris Streubel

Die Doping-Diskussion im deutschen Profifußball nimmt allmählich groteske Züge an und sorgt bei Experten zunehmend für Kopfschütteln. Borussia Dortmunds Trainer Jürgen Klopp mutmaßte im ARD-Interview nach dem DFB-Pokal-Achtelfinale über systematisches Doping in der Bundesliga während der 70er und 80er Jahre, dass die Mediziner in Freiburg "ein bisschen vor sich hin getestet haben". Der Fußballer quasi als "Versuchskaninchen", wie ihm Ex-Nationalspieler und Fernseh-Experte Mehmet Scholl in der ARD beipflichtete. Beide sahen aber grundsätzlich keinen Sinn im Doping für Fußballer und wiesen weit von sich, jemals selbst mit dem Thema Doping in Berührung gekommen zu sein oder bei Mitspielern etwas bemerkt zu haben. In dieses Horn stößt auch Sportdirektor Robin Dutt vom VfB Stuttgart: Doping sei im Fußball "völlig uneffektiv", versicherte er, "weil wir eine Mischsportart haben". Der Spieler würde sich in der Leistung eher verschlechtern.

Doping-Experte Treutlein: "Blödsinn"

Allerdings sehen das renommierte Fachleute ganz anders. Gerhard Treutlein als Mitglied der Freiburger Forschergruppe bezeichnete die Aussagen als "Blödsinn". Auch Anti-Doping-Experte Werner Franke überraschen die neuen Anschuldigungen kaum. "Wenn Sie sich an Toni Schumacher erinnern: Der hat in seinem Buch schon Ende der 80er Jahre offen über Aufputschmittel geschrieben, die bei ihnen zur zweiten Halbzeit herumgereicht wurden. Das hat er da ganz offen zugegeben. Damals war es normal, dass man in der zweiten Halbzeit nachgelassen hat. Heute ist das komischerweise nicht mehr so", sagte Franke dem "Münchner Merkur".

Toni Schumacher bei Autogrammstunde zu seinem Buch "Anpfiff"
Nationaltorhüter Toni Schumacher schrieb 1987 in seinem Buch "Anpfiff" über Doping im deutschen FußballBild: picture-alliance/Sven Simon

"Beim Training habe ich ein Medikament mit Dopingwirkung ausprobiert. Captagon heißt das Zeug", gestand Schumacher damals in seinem Skandalbuch "Anpfiff", das 1987 erschien und hohe Wellen schlug. Die Wirkung sei ihm von Ärzten beschrieben worden. Schumacher präsentierte sich in "Anpfiff" nicht als Einzelfall: "Auch in der Fußballwelt gibt es Doping - natürlich totgeschwiegen, klammheimlich, ein Tabu." Vor angeblichen Doping-Praktiken seiner Mitspieler machte der Torwart nicht Halt: "Einige von ihnen konnten sich ohne diese Spezial-Hochform-Pillen eine Fortsetzung ihrer Karriere gar nicht mehr vorstellen", wollte Schumacher während seiner ersten Profijahre in Köln beobachtet haben. "Pillen und Leistung - das war für sie zu einer Gleichung geworden, die aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken war."

Die Quittung für seine Behauptungen bekam der Keeper gleich doppelt. Nach 76 Länderspielen, zwei Weltmeisterschafts-Finals (1982 und 1986) und einer Europameisterschaft (1980) verbannte ihn der DFB-Vorstand aus dem Team. Auch sein bis 1989 datierter Vertrag mit dem 1. FC Köln wurde nach 14 Jahren im "Geißbock-Trikot" zum 30. Juni 1987 "in beiderseitigem Einvernehmen" aufgelöst. Nach den aktuellen Dopingvorwürfen befragt, sagte Schumacher allerdings, er halte den Fußball in Deutschland heute für sauber.

Franke: "Auffällig und verdächtig"

Prof. Dr. Werner Franke gestikuliert bei einem Vortrag (Foto: dpa)
Doping-Experte Werner FrankeBild: picture-alliance/dpa/Arne Dedert

Doping-Experte Franke findet es auffällig, "dass der Fußball heute viel schneller als früher ist" und betont: "Das weckt den Verdacht: Da wurde etwas getan. Man könnte das auch durch gute legale Mittel erklären - aber auch durch EPO." Eine gesunde Skepsis sei angebracht, so Franke. Er fordert ein viel schärferes Kontrollsystem im Fußball: "Es muss vor allem mehr überraschende Trainingskontrollen geben. Einen FC Bayern muss man zum Beispiel besonders in Katar, in der Winterpause, abklopfen. Wenn etwas gemacht wird, dann in den Wettkampfpausen, nicht vor einem Spiel."

Anlass der neuerlichen Debatte ist ein Zwischenbericht der Evaluierungskommission Sportmedizin Freiburg, der am Montag publik geworden war. Demnach soll bewiesen sein, dass in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren Anabolika-Doping beim Bundesligisten VfB Stuttgart "in größerem Umfang" sowie "punktuell" beim damaligen Zweitliga-Club SC Freiburg eine Rolle gespielt habe. Im Mittelpunkt der Anschuldigungen steht der frühere Freiburger Sportmediziner Armin Klümper.

Ehemaliger VfB-Arzt weiß von nichts

Die Protagonisten von einst hatten daraufhin unisono ihre Unschuld beteuert und sich von Doping distanziert. So schloss Winfried Laschner als früherer Mannschaftsarzt des VfB Doping-Vergehen während seiner Amtszeit aus. Er wisse nicht, was Klümper, bei dem sich damals auch VfB-Profis behandeln ließen, "bei jedem einzelnen Patienten in seinen Spritzen hatte. Ich kann aber ausschließen, dass Mittel zur Leistungssteigerung eingesetzt wurden", sagte Laschner den "Stuttgarter Nachrichten". Der Mediziner war von 1976 bis 1984 Team-Arzt des VfB. Offen ließ Laschner aber, ob Anabolika-Mittel wie Megagrisevit von Klümper zu therapeutischen Zwecken eingesetzt wurden.

Experten wie Fritz Sörgel, der selbst der Freiburger Evaluierungskommission angehört, fordern vom DFB eine lückenlose Aufklärung, sind aber skeptisch. "Auch der Deutsche Fußball-Bund sitzt da wie ein Buddha in Frankfurt. Fußball als Sport Nummer eins in Deutschland hat eine hohe gesellschaftliche Verantwortung. Er kann sich nicht erlauben, dass etwas ungeklärt bleibt", sagte Sörgel der "Süddeutschen Zeitung". Seine Meinung: "Schon die Zusammensetzung der Ethikkommission beim DFB ist sehr fragwürdig. Ich vermute, der Verband wird eine Erklärung herausgeben, die lauten wird: Es gibt kein Dopingproblem im Fußball."

asz/sn (dpa, sid)