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Warum so viele Fußballer tätowiert sind

Melanie Last
18. Dezember 2017

Oben ohne? Von wegen! Es scheint, als gehörten großflächige Tattoos einfach dazu, wenn man ein "echter" Fußballprofi sein will. Nicht nur in der Bundesliga greift der Trend immer weiter um sich.

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Symbolbild Tätowierung Tattoo
Bild: Imago/N. Celaya

Tatsächlich gibt es kaum noch einen Profi-Fußballer, der nicht von der Nadel gestochen ist. Die Liste der Tätowierten ist lang, richtig lang. "Trendsetter war sicherlich David Beckham, der ehemalige englische Fußballstar", sagt Oscar Boge, der "Bundesliga-Stecher". Mehr als 40 Fußballer der ersten und zweiten Bundesliga haben sich von ihm bereits tätowieren lassen, darunter BVB-Spieler Marco Reus, Kölns Torhüter Timo Horn und dessen Teamkollege Leo Bittencourt, der Berliner Davie Selke und der Ex-Schalker Leroy Sane, der derzeit bei Manchester City mächtig aufdreht. "Mit Leo fing vor vier, fünf Jahren alles an", erzählt Boge stolz, der gelernter Tiermediziner ist. "Seitdem spricht es sich immer weiter herum, und immer mehr Bundesligisten wollen von mir tätowiert werden."

Religiöse Motive

Oscar "Da Vinci" Boge, wie ihn viele nennen, hat in Düsseldorf ein brandneues Studio, das bald offiziell eröffnet werden soll. Der mazedonische Tätowierkünstler fährt aber auch zu den Profis nach Hause. Sein mobiles Tattoo-Studio bringt der 47-Jährige dann stilecht auf der Harley Davidson mit und bringt anschließend in privater Umgebung kunstvoll Tinte, Pigment und Farbmittel unter die Haut seiner prominenten Kunden. "Die Motive, die ich da tätowiere, sind oft religiös geprägt - Heilige oder auch Bibelzitate. Oder es sind Bilder, wie der Löwe auf Marcos [Marco Reus, Anm. d. Red.] Schulter, die symbolisch für Kraft stehen und Kraft geben sollen."

Tätowierer Oscar Boge mit Marco Reus (Quelle: Privat)
Symbol der Stärke und der Unbezwingbarkeit: Oscar Boge (r.) hat BVB-Spieler Marco Reus (l.) einen Löwen tätowiertBild: Privat

Diese Beobachtung hat auch Sinah Kloß von der Universität zu Köln gemacht. Die Ethnologin beschäftigt sich mit Tätowierungen und weiß: Kreuze, christliche Zeichen, religiöse Themen finden sich in der Körperkunst immer wieder und liegen voll im Trend. "Häufig lassen sich die Fußballer nach ganz besonderen Ereignissen in ihrem Leben tätowieren", sagt die Dozentin. "Das kann die Geburt eines Kindes sein, der Pokalsieg oder das Finale der Weltmeisterschaft." Daher sind entsprechende Trophäen genauso beliebt wie die Namen der Kinder - verewigt auf dem Unterarm zum Beispiel. Ähnliches gilt übrigens auch für viele Sportler aus klassischen olympischen Sportarten. So haben viele Leichtathleten oder Schwimmer die fünf olympischen Ringe in ihrer Haut verewigt. 

Tattoos als Statussymbol

Beim Fußball, so Kloß, sei allerdings die Größe der Tattoos auffällig. "Die Fußballer haben keine kleinen Bildchen irgendwo, sondern großflächige Motive, beinahe wie Gemälde. Das steht auch für ihr ökonomisches Kapital, das sie zur Schau stellen." Mit anderen Worten: Die Profis haben Geld, und das möchten sie auch zeigen. Denn große Tattoos sind teuer - erst recht, wenn sie von einem guten, oft prominenten Tätowierer gestochen werden. Sie sind Statussymbole - nach dem Motto: mein Haus, mein Auto, mein Tattoo. Kein Wunder, dass vor allem Arme und Beine als Projektionsfläche dienen, sind sie doch in der kurzen Fußballbekleidung während des Spiels immer gut sichtbar. Und wer Rücken und Brust "bebildert" hat, mag auch deshalb sein Trikot nach einem Treffer ausziehen, obwohl es Gelb dafür gibt.

"Kapital zur Schau stellen" ist der eine Grund für den Tattoo-Trend unter den Profi-Fußballern, Mode der andere, sagt Kloß. "Denn Mode dient dazu, Gruppen zu bilden. Man gehört dazu, man macht mit." Es stiftet Identität und drückt eben diese auch aus.

Tattoo für Uli Hoeneß?

In der Bundesliga steht jetzt die kurze Winterpause bis zum 12. Januar an. Zeit genug, um sich ein neues Tattoo stechen zu lassen. "Viele aber nutzen die Sommerpause, wie zuletzt der FC-Keeper Horn. Er vertraut mir.", sagt Skin-Artist Boge, der selbst mit Fußball nicht viel am Hut hat . "Ihm habe ich den kompletten oberen Rücken tätowiert." Mehrere Stunden hat das gedauert - biblische Motive mit dem Taufspruch des Torhüters.

In einem Fernsehinterview hat Boge mal gesagt, Uli Hoeneß sei als Kind sein großes Fußballidol gewesen. Ihn würde der 47-Jährige gern einmal tätowieren, aber das bleibt in Anbetracht der fehlenden Vorliebe des Bayern-Präsidenten für Tätowierungen ein Traum. Und Hoeneß ist nicht der Einzige, der den unter die Sportlerhaut gestochenen Bildern kritisch gegenübersteht. 

Froböse: "Tattoos verbieten!"

Professor Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln hält Tattoos sogar für leistungsschädigend: Diverse Studien belegten, dass die Profis in den ersten Tagen nach einer Sitzung beim Tätowierer Leistungseinbußen von drei bis fünf Prozent erlitten. "Wir vergiften das größte Organ, das wir haben", sagte Froböse kürzlich im ARD-Morgenmagazin. Zudem sei das Gesundheitsrisiko, dass man generell mit Tattoos eingehe gar nicht geklärt, weil es keine Langzeitstudien gebe. Zwei Drittel der Tinte verbleiben nicht in der Haut, sondern gehen in die Blutbahn. "Darunter leidet die Regeneration ", sagte Froböse. Außerdem könne bei großflächigen Tattoos die Fähigkeit zu Schwitzen und die Körpertemperatur zu regulieren beeinträchtigt sein. "Ich würde Tätowierungen verbieten", gab der Sportwissenschaftler zu. "Bei den Klubs wird jede Kleinigkeit ernst genommen, da geht dieses Verhalten gar nicht. Den Klubs würde es gut tun, ihrer Verantwortung und der Leistungsfähigkeit ihrer Spieler mehr Beachtung zu schenken."

Das war zumindest bei Eintracht Frankfurt in diesem Frühsommer der Fall: Eintracht-Verteidiger Guillermo Varela ließ sich kurz vor dem DFB-Pokalfinale im Mai ein Tattoo in die Ellenbeuge stechen - entgegen der Anweisung von Trainer Niko Kovac und des Rats der Ärzte. Die Tätowierung entzündete sich - Varela wurde für das Finale gegen Borussia Dortmund (1:2) suspendiert und erhielt auch keinen neuen Vertrag bei der Eintracht.