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"Fußball ohne Abseits"

24. Juni 2011

Mädchen mit Zuwanderungsgeschichte früh in die Gesellschaft integrieren und das mit Fußball: Das will das Projekt "Fußball ohne Abseits", das bereits an 40 Orten in Niedersachsen, Bremen und Nordrhein-Westfalen läuft.

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Die jungen Teilnehmerinnen des Projekts "Fußball ohne Abseits" sind bei einem Turnier mit Begeisterung am Ball. (Foto: Projekt "Soziale Integration von Mädchen durch Fußball", Universität Oldenburg, 2011)
Die jungen Mädchen sind mit spürbarer Begeisterung am BallBild: Universität Oldenburg

In der Sporthalle der Neuessener Grundschule wird mit viel Elan und Spaß gekickt. Doch diesmal sind es ausnahmsweise keine Jungs, die hier Fußball spielen, sondern Mädchen. 14 Grundschülerinnen in einheitlich grünen Trikots laufen durch die Halle, dribbeln und flanken fast wie richtige Profis. Seit zwei Jahren kommen die Drittklässlerinnen zu der Fußball-AG und genießen ihr wöchentliches Training.

Der Fußball stärkt die Sozialkompetenzen

Die junge Kickerin Zeliha Cakan spielt seit zwei Jahren Fußball: "Ich spiele, weil ich ein bisschen abnehmen muss, weil es mir Spaß macht und weil wir zu einer Gruppe gehören", erzählt sie stolz. Die Eltern der Neunjährigen stammen aus der Türkei. Insgesamt haben zehn der vierzehn Mädchen der Fußball-AG einen Migrationshintergrund. Die Zusammensetzung der Mannschaft spiegelt die Bevölkerungsstruktur im Essener Stadtteil Altenessen wider.

Das Projekt "Fußball ohne Abseits" setzt bewusst an migrantenreichen Orten an. "Wir möchten insbesondere Mädchen mit Zuwanderungsgeschichte über den Fußballsport in unsere Gesellschaft integrieren", berichtet Katharina Althoff von der Universität Duisburg-Essen, eine der fünf Koordinatoren der bundesweiten Initiative. Gerade der Fußball als Mannschaftssportart biete gute Chancen, bei den Kindern Sozialkompetenzen zu entwickeln, sagt Althoff. So könnten sie in der Gemeinschaft erfahren, wie es ist, zusammen zu siegen und zu verlieren. Das Projekt findet in enger Kooperation mit den umliegenden Fußballvereinen statt, damit die Mädchen die Clubs kennen lernen und die Möglichkeit haben, an Turnieren teilzunehmen.

Mannschaftsfoto mit der Leiterin Inga Jürgen beim Training der Mädchenfußball-AG in der Neuessener Grundschule. (Foto: Neuessener Schule, Altenessener Str. 491, 45329 Essen, 2011)
Leiterin Inga Jürgen beim Training der Mädchenfußball-AG in der Neuessener GrundschuleBild: Neuessener Schule

Die Akzeptanz der Eltern wächst

Das Fußballprojekt für Mädchen mit Migrationshintergrund richtet sich an Grundschulkinder. Je früher man mit dem Sport anfange desto besser, weiß die AG-Leiterin Inga Jürgen aus eigener Erfahrung. Die 23-jährige Sportstudentin der Universität Duisburg-Essen spielte früher in der Frauenbundesliga bei der SG Essen-Schönebeck: "Dieses Angebot ist gerade für Kinder mit Migrationshintergrund von großer Bedeutung, weil sie von zu Hause aus oft nicht die Möglichkeit haben, in einen Verein einzutreten." Entweder sei das ein finanzielles Problem oder die Entscheidung der Eltern, die es den Töchtern nicht erlaubten, mit Jungs Sport zu machen. "Und im Rahmen der Schule wird das von den Eltern schneller akzeptiert und sogar gewünscht, dass ihre Kinder Sport treiben", so die AG-Leiterin.

Die Grundschule im Stadtteil Altenessen ist einer der 40 Standorte des Projektes "Fußball ohne Abseits". Es wird von den Universitäten Osnabrück, Oldenburg und Duisburg-Essen wissenschaftlich begleitet und von den Landesministerien finanziert.

Alle Fußball-AGs sind voll besetzt, denn das Interesse der Mädchen ist groß. Das bestätigt auch der Leiter der Neuessener Grundschule Thomas Kriesten: "Die Eltern waren anfangs sehr zurückhaltend: Fußball und Mädchen? Aber mittlerweile sehe ich, mit welcher Begeisterung die Mädchen kommen. Auch andere Mädchen, die zuerst ganz skeptisch waren, fragen immer wieder, ob sie auch an der Fußball-Arbeitsgemeinschaft teilnehmen dürfen", freut sich der Pädagoge.

Das Projekt als Brücke zum Fußballverein

Der Erfolg beim Fußballturnier gibt Mut auch für den Alltag. Hier jubeln die Siegerinnen. (Foto: Projekt "Soziale Integration von Mädchen durch Fußball", Universität Oldenburg, 2011)
Der Erfolg beim Fußballturnier gibt Mut, auch für den AlltagBild: Universität Oldenburg

Das Training und die Erfolge bei den Fußballturnieren strahlen auch auf andere Bereiche aus: Selbstbewusster erobern sich die Mädchen viel Anerkennung in ihrer Schule, ihrem Umfeld und zunehmend auch in ihren Familien. Die neunjährige Marokkanerin Iman Achakaui ist ein Parade-Beispiel dafür: "Ich wollte ein bisschen Fußball lernen, weil mein Bruder mich manchmal schlägt. Und jetzt will ich ihn auch im Fußball schlagen", lächelt die Drittklässlerin.

Die Teilnahme an der Fußball-AG sei meist erst der Anfang und führe oftmals zu nachhaltigen Veränderungen im Leben der jungen Mädchen. Die Projektkoordinatoren hören immer wieder von schönen Beispielen, dass Mädchen, die früher keinen Fußball spielen durften, von den Eltern dann doch die Erlaubnis bekommen, in den Verein einzutreten. "Wenn die Familie ihre Tochter zum ersten mal beim Turnier sieht, wenn das Mädchen ein Tor schießt und die ganze Familie mitjubelt, dann sind sämtliche Vorbehalte dahin", so die Projektmitarbeiterin Katharina Althoff.

Autorin: Nadja Baeva

Redaktion: Wolfgang van Kann