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Frostige Stimmung im Weißen Haus

20. Mai 2011

Lange hing der Haussegen nicht mehr so schief zwischen Israel und den USA wie derzeit. Das wurde auch deutlich beim Treffen von US-Präsident Obama und dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu im Weißen Haus.

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Netanjahu blickt Obama an (Foto: ap/dapd)
Netanjahu (l.) zeigte sich wenig glücklich über Obamas Nahost-PolitikBild: dapd

Nach seiner harschen Kritik an der Nahost-Grundsatzrede des US-Präsidenten ist Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu am Freitag (20.05.2011) in Washington von Barack Obama im Weißen Haus empfangen worden. Im Anschluss an ihr Gespräch räumte Obama ein, dass er und Netanjahu unterschiedlicher Auffassung über einen möglichen unabhängigen Staat der Palästinenser seien. Ihre Meinungsverschiedenheiten trügen sie jedoch als Freunde aus.

Netanjahu erklärte dem Präsidenten, dass Israel die Anstrengungen der US-Regierung für den Friedensprozess im Nahen Osten anerkenne. Er fügte hinzu, Israel könne im Rahmen dieses Prozesses einige Zugeständnisse machen. Es könne sich jedoch nicht hinter jene Grenzen zurückziehen, wie sie vor Beginn des Sechstagekrieges im Juni 1967 bestanden. Dies müssten die Palästinenser akzeptieren. Diese Grenzen seien von Israel nicht zu verteidigen. Zudem habe seitdem ein "demografischer Wandel" in der Region stattgefunden.

Netanjahu und Obama schütteln sich die Hände (Foto: ap/dapd)
Die Stimmung war offensichtlich sehr ernst beim Gespräch von Netanjahu (l.) und ObamaBild: dapd

Scharfer Schlagabtausch

Obama hatte am Donnerstag die Haltung seiner Regierung zum Arabischen Frühling und zum Nahost-Konflikt skizziert. In der Rede forderte er eine Nahost-Friedenslösung auf Grundlage der Grenzen von 1967. Dies gilt als scharfes Signal an Israel, welches Netanjahu noch vor seinem Eintreffen im Weißen Haus ebenso scharf zurückwies: Obama verstehe offenbar nicht die Sicherheitsbedrohungen für Israel, ließ Netanjahu auf dem Flug in die USA erklären. Leicht vorstellbar ist angesichts dieses verbalen Schlagabtausches, wie frostig die Stimmung bei dem Treffen der beiden Politiker im Weißen Haus gewesen sein muss.

Obama einig mit Merkel

Obama orientierte sich in seiner Rede zwar an bisheriger US-Politik. Doch hatte kein US-Präsident zuvor so klar in einer öffentlichen außenpolitischen Rede verlangt, Israel möge sich an die Grenzen vor dem Sechstagekrieg 1967 halten. Von Bundeskanzlerin Angela Merkel erhielt der US-Präsident dafür Zuspruch. Sie sagte am Freitag in Berlin: "Ich glaube, dass der Vorschlag, die 67er Grenzen zu nehmen und Gebietsaustausche ins Auge zu fassen (...) ein guter gangbarer Weg wäre, den beide Seiten erwägen sollten."

Die Grenzen von 1967

Barack Obama am 19. Mai 2011 bei seiner Grundsatzrede zur Nahost-Politik der US-Regierung (Foto: ap/dapd)
Obama hielt am 19. Mai 2011 seine zweite Grundsatzrede zur Nahost-Politik der US-RegierungBild: AP

Die Grenze zwischen Israel und einem möglichen künftigen Palästinenserstaat ist ein Kernproblem im Nahost-Konflikt. Die Palästinenserführung pocht - zumindest in der Öffentlichkeit - darauf, dass Israel sich auf die Grenzen zurückzieht, die vor dem Sechstagekrieg 1967 bestanden. Israel hatte in dem Krieg weite Gebiete der arabischen Nachbarländer erobert; darunter von Jordanien das Westjordanland sowie den arabischen Ostteil Jerusalems einschließlich der Altstadt.

Netanjahu will diese Gebiete nicht zurückgeben und begründet dies wie bei seinem Treffen mit Obama stets damit, dass Israel sonst nicht mehr zu verteidigen sei. Darüber hinaus würden Gebiete, in denen mittlerweile rund 300.000 jüdische Siedler leben, jenseits der Grenze Israels liegen, argumentiert er. Der Regierungschef, die übergroße Mehrheit seiner Likud-Partei sowie die national-religiösen und ultrarechten Koalitionspartner betrachten das Westjordanland zudem als Teil der biblischen Heimstätte der Juden. Netanjahu will außerdem ganz Jerusalem als vereinigte Hauptstadt Israels behalten. Dagegen wollen die Palästinenser im arabischen Ostteil die Hauptstadt eines eigenen Staates ausrufen.

Friedensverhandlungen unterbrochen

Die Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern liegen seit mehr als einem halben Jahr wieder auf Eis. Israel will mit einer neuen palästinensischen Regierung aus der radikalislamischen Hamas und der gemäßigten Fatah nur dann verhandeln, wenn diese Israel und die unterzeichneten Verträge anerkennt und der Gewalt abschwört. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas fordert als Bedingung für neue Gespräche einen israelischen Siedlungsstopp von mindestens zwei bis drei Monaten.

Am kommenden Dienstag steht eine Rede des israelischen Ministerpräsidenten vor dem US-Kongress an. Er will dort seine Vorstellungen über einen Friedensplan für den Nahost-Konflikt darlegen.

Autor: Martin Schrader (afp, dpa)
Redaktion: Nicole Scherschun