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Front National verschafft sich Gehör

Elizabeth Bryant / aa20. März 2015

Die Rechtspopulisten wollen bei den französischen Départementswahlen am 22. März von der Unzufriedenheit der Wähler und den Terroranschlägen politisch profitieren. Ein Bericht von Elizabeth Bryant.

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Kandidaten und Wahlkampfhelfer verteilen Flyer für die Départementswahlen (Foto: DW)
Bild: DW/E.Bryant

Mit einem dicken Mantel und einem breiten Lächeln gegen die morgendliche Kälte gewappnet, verteilt Virginie Recher Faltblätter an alle, die sie bereitwillig annehmen: Männer in Jogginganzügen, gehetzte Mütter und ein paar Rentner, die für einen Plausch stehenbleiben.

Einige weisen die Hochglanz-Broschüre der Partei "Front National" allerdings brüsk zurück. "Bestimmt nicht", sagt eine Frau und marschiert vorbei. Aber eine marokkanische Frau mit Kopftuch dankt Recher und verstaut den Flyer in ihrem Einkaufswagen.

Es ist Markttag in der Gegend von Champigny, einem Arbeiter-Vorort von Paris. Neben den Verkaufsständen, wo sich Gemüse, Töpfe und Kleidung stapeln, präsentieren sich auch die Kandidaten für die Départementswahlen am 22. März. Jede Stimme zählt, denn Experten rechnen mit einer niedrigen Wahlbeteiligung.

Testlauf für die Präsidentschaftswahlen

Die triste Sozialwohnungssiedlung ist für die Rechtspopulisten ein schwieriges Pflaster. Denn die Partei kämpft nicht nur um Sitze, sondern auch um politische Legitimität. Wenn ihre einwanderungsfeindliche, gegen Europa gerichtete Botschaft in Orten wie Champigny Gehör findet, steigert das ihre politische Anziehungskraft, auch mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen in zwei Jahren. Denn in Champigny leben viele Migranten und die Kommunalverwaltungen sind eher links.

Kandidaten und Wahlkampfhelfer verteilen Flyer für die Départementswahlen (Foto: DW)
Wahlkampf auf dem Markt von Champigny - jede Stimme zähltBild: DW/E.Bryant

"Die Wahrscheinlichkeit, dass die Front National auch nur in einem der Départements gewinnt, ist sehr gering", sagt Jean-Yves Camus, Experte für rechte und rechtsextreme Gruppen. "Das liegt daran, dass es zwei Wahlrunden gibt. Aber das Wichtigste für die Front National ist nicht, wie viele Sitze sie gewinnt, sondern wie viele Stimmen sie bekommt - und vor allem wie viele Stimmen mehr als die Mitte-Rechts-Partei UMP."

Recher gibt sich optimistischer. "Warum nicht?" sagt sie, als es um die Frage geht, ob die Front National nicht nur im Ort Champigny, sondern im gesamten Département Val de Marne gewinnen könne. "Aber auch wenn die Front National in Val de Marne nicht gewinnt, sondern lediglich gut abschneidet, wäre das ein Erfolg", ergänzt sie.

Ein anderes Frankreich

Überall im Land profitiert die Front National von der Unzufriedenheit in der politischen Mitte - dieselbe Unzufriedenheit, die den Rechtspopulisten bereits bei den Parlamentswahlen 2014 satte 25 Prozent der Wählerstimmen bescherte. Die Terroranschläge in Paris würden der Partei helfen, ihre Hardliner-Botschaft zu verkaufen, meinen Experten.

"Der Islam und die Möglichkeit eines weiteren Terroranschlags erzeugen ein Gefühl der Unruhe", sagt Camus. "Ich glaube nicht, dass wir schon über eine Welle der Fremdenfeindlichkeit sprechen können, aber die Menschen sind empfänglicher für die Rhetorik der Front National geworden, wenn es um das Thema Einwanderung geht."

Noch zu Monatsbeginn warnte der französische Ministerpräsident Manuel Valls davor, dass Parteichefin Marine Le Pen sogar Präsidentin werden könnte - auch wenn eine Reihe von Experten dieses Szenario für unwahrscheinlich halten. Aber einige, wie Camus, deuten an, dass Le Pen in der entscheidenden Abstimmung gut abschneiden und damit die Legimitation ihrer Partei stärken könnte.

Marine Le Pen (Foto: DW)
Marine Le Pen hat sich bereits als Kandidatin für die Präsidentschaftswahlen 2017 ins Gespräch gebrachtBild: DW/M. Luy

Recher zufolge sind die Menschen in Champigny, die vor einigen Jahren von der Front National noch nichts wissen wollten, mittlerweile für die Botschaft der Rechtspopulisten empfänglicher geworden - auch viele Einwanderer aus Nord- und Subsahara-Afrika, die hier leben.

"Sie sind vor Jahren nach Frankreich gekommen, weil sie von Arbeit träumten", sagt Recher. "Jetzt sagen sie, dies ist nicht das Frankreich, das es einmal war." Recher meint, Frankreich könne schlicht nicht mehr Ausländer aufnehmen. "Wir haben keinen Platz mehr für sie", sagt sie. "Es gibt keine Wohnungen mehr. Es gibt keine Arbeit mehr. Wir sollten uns lieber um die Leute kümmern, die hier sind."

Auch Einwanderer kandieren für die Rechtspopulisten

Diese Argumente finden Gehör bei Smail Mazouni und Farid Ben Ali. Sie diskutieren auf der anderen Seite der Straße über die bevorstehende Wahl. "Ganz ehrlich, es gibt Zeiten, in denen ich Lust habe, für die Front National zu stimmen", sagt Mazouni. Er ist arbeitslos.

Seine Eltern kommen, wie die von Ben Ali, aus der Kabelei im Osten Algeriens. "Dass das von mir kommt, von jemandem mit algerischen Wurzeln, zeigt, wie ernst die Lage ist. Aber wenn man sich die Sozialisten und die UMP anschaut, sind sie alle gleich. Sie sprechen nicht über die wirklichen Probleme, wie Arbeit, Wohnungen und Gesundheit."

Um ihre Anziehungskraft noch zu vergrößern, schicke die Front National auch Kandidaten mit Migrationshintergrund in den Wahlkampf, sagt Experte Camus. "Sogar Leute aus Nordafrika – die Minderheit, die die Front National eigentlich loswerden will."

(Foto: DW)
Auch bei vielen Einwanderern und Franzosen mit Migrationshintergrund kommt die Front National gut anBild: DW/E.Bryant

Doch für viele ist der Front National nicht die Lösung. "Ich nehme den Flyer zwar mit", sagt Jean-Francois Dupont, ein stämmiger Mann, der eines von Rechers Faltblättern angenommen hat. "Aber ich wähle links. Ich kämpfe gegen die Front National."

Marie Aime, zweifache Mutter aus Haiti, ist ebenfalls gegen die Front National - auch wenn sie sagt, sie verstehe, warum Menschen für die Partei stimmten. "Die Leute wollen eine Veränderung, aber wenn die Front National die Macht übernimmt, wird die Partei so werden wie alle anderen auch", sagt sie.

Manche Dinge hätten sich allerdings verändert, meint sie lächelnd. "Viele Franzosen glauben, dass Frankreich weiß sein muss. Aber das ist es schon längst nicht mehr."