1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Frischer Wind im Ölstaat Texas

28. Juni 2010

Erst zog der Handel weg, dann wanderten die Kinder ab, schließlich machte die Fastfoodkette Dairy Queen ihren Laden dicht: ein sicheres Indiz, dass Roscoe in Texas am Ende war. Doch nun weht ein Wind, der etwas bewegt.

https://p.dw.com/p/NoJd
Windrad in Roscoe im US-Bundesstaat Texas (Foto: Christina Bergmann)
Symbol der Hoffnung für die texanische Stadt RoscoeBild: DW/Christina Bergmann

Der Himmel ist blau, das Thermometer zeigt über 30 Grad. Im Schatten ist es gerade noch auszuhalten in Roscoe, dem kleinen Ort mit gut 1000 Einwohnern westlich von Dallas im US-Bundesstaat Texas, denn es weht ein kräftiger Wind.

Portrait des Farmers Randall Smith (Foto: Christina Bergmann)
Musste zusehen, wie Roscoe verfällt: Farmer Randall SmithBild: DW/Christina Bergmann

Randall Smith ist mit seinem weinroten Geländewagen unterwegs und telefoniert. Während der 50-Jährige auf holprigen Wegen vorbei an Feldern mit Korn und Baumwolle auf eines seiner Weidegrundstücke zufährt, organisiert er seinen dritten Job: Randall Smith ist nicht nur Rancher und Farmer, sondern auch Bauunternehmer. Von der Landwirtschaft allein, sagt er, könne er nicht mehr leben. Früher war das anders: Einer seiner Großväter hatte ganz in der Nähe sein Auskommen als Farmer. "Er besaß nur 30 Hektar Land", erzählt Smith, "aber er konnte seinen drei Töchtern allen eine gute Ausbildung finanzieren." Die drei wurden Lehrerinnen.

Bis vor kurzem seien hier vor allem die jungen Leute in die Städte abgewandert. Viele Geschäfte mussten schließen, die Gebäude vergammeln. Ölvorkommen gibt es in dieser Gegend von Texas nur wenig. Seit ein paar Jahren, sagt Randall Smith, gehe es aber wieder aufwärts. Das liegt an den Windrädern, die zu hunderten auf den Feldern und Weiden um Roscoe stehen.

Verfallenes, verlassenes kleines Haus in Roscoe. Im Hintergrund ein Windrad (Foto: Christina Bergmann)
So wie dieses Haus, stehen viele Häuser und Geschäfte leer in RoscoeBild: DW/Christina Bergmann

Texas fördert längst nicht nur Öl

Die irische Firma Airtricity schloss mit zunächst 34 Landbesitzern Verträge ab, 2006 begann die erste Bauphase. Ein Jahr später übernahm dann E.ON Climate and Renewables North America das Projekt, an dem inzwischen fast 400 Landeigentümer beteiligt sind. Über 600 Turbinen können Strom von mehr als 780 Megawatt erzeugen. Damit können fast eine Viertel Million texanische Haushalte versorgt werden. Geschäftsführer Steve Trenholm erklärt, neben dem Wind, den bereits vorhandenen Straßen und Stromleitungen sowie der vor allem landwirtschaftlich genutzten Fläche, wo das Aufstellen von Windrädern kein Problem ist, war die Unterstützung der Landbesitzer ein entscheidender Faktor, das ursprüngliche Projekt immer weiter auszubauen. "Wir wussten von Anfang an, dass die Gemeinde uns unterstützt", sagt Trenholm, der genau darauf achtet, wo er die Genehmigungen für seine Windparks am einfachsten bekommt: "Texas hat da in der Regel eine sehr klare Linie."

Windpark hinter Rinderherde in Texas (Foto: Christina Bergmann)
Texas will sich als windfreundlichster US-Bundesstaat etablierenBild: DW/Christina Bergmann

Denn der Ölstaat Texas hat schon früh festgelegt, dass ein Teil seines Stromes aus erneuerbaren Energien gewonnen werden muss. 1999 wurde ein Gesetz erlassen, das den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung festlegt. Das Ziel von 10.000 Megawatt für 2025 wurde bereits jetzt überschritten. In Washington bemüht sich die Obama-Regierung derzeit gerade vergeblich darum, einen solchen Standard landesweit festzuschreiben. Das entsprechende Gesetz hängt im Senat fest. Und die Subventionen für die Windenergie laufen Ende 2012 aus. Diese Unsicherheit und die globale Finanzkrise haben in diesem Jahr zu einem Einbruch in der davor boomenden Windenergiewirtschaft auf dem US-Markt geführt.

Zuwachs trotz Flaute

Ölförderturm bei Roscoe vor Windpark (Foto: Christina Bergmann)
In Roscoe gibt esnur wenig Öl.Bild: DW/Christina Bergmann

Das war auch Thema auf der Windpower 2010, einer internationalen Windenergiekonferenz in Dallas Ende Mai. Ein landesweiter einheitlicher Energiestandard und eine kontinuierliche Energiepolitik in den USA seien notwendig, erklärt Jens-Peter Saul, Geschäftsführer der Siemens Wind Power, die ihren Sitz im dänischen Brande hat. Die Windsparte von Siemens habe in den USA bisher allerdings noch nichts von dem branchenweiten Einbruch gemerkt und sich kontinuierlich vergrößert, sagt er in Dallas: "Noch vor vier Jahren waren wir hier gerade mal drei Leute und haben so gut wie kein Geschäft gemacht. Jetzt sind wir ganz klar die Nummer drei auf dem Markt, wir werden am Ende des Jahres 1600 Leute haben, die für uns arbeiten."

Siemens habe in den USA einen ausgezeichneten Ruf. Auch die Windfarm in Roscoe wird teilweise mit Siemens-Windrädern betrieben und Randall Smith hält viel von den großen Turbinen, die 2,3 Megawatt Strom liefern können, weil sie nicht so laut seien und auch bei schwachem Wind funktionierten: "Ich finde, sie sind die besten!" Und jedes Kilowatt bedeutet für Randall Smith bares Geld. Die zehn Turbinen auf seinem Land bringen ihm 60.000 Dollar im Jahr.

Grünes Ortsschild von Roscoe (Christina Bergmann)
Auchwenn das Ortsschild anderes vermuten lässt: Roscoe lebt wieder aufBild: DW/Christina Bergmann

Eine Region schöpft wieder Hoffnung

Doch durch die Windräder haben nicht nur die Einwohner mehr Geld, auch die Kommune verdient, weil die Steuereinnahmen steigen. Die Schule in Roscoe, die zum ersten Mal einen Zuwachs an Kindern verzeichnet, kann renoviert werden. Das Museum im Ort, das lange geschlossen war, ist vor wenigen Wochen wieder geöffnet worden, ein neuer Gedenkstein für gefallenen Soldaten wurde eingeweiht. Die Menschen schöpfen Hoffnung. Die Kritiker der Windfarm, die meinen, dass sie die Landschaft verschandelt, sind verstummt. Für Roscoe ist die Windenergie ein Segen. Das heißt nicht, dass aus ganz Texas nun ein Windstaat wird. Aber, sagt der texanische Senator Rodney Ellis, sie habe "mitgeholfen, dass Texas weltweit führend bleibt in Fragen der Energieerzeugung", und das eben nicht nur bei fossilen Brennstoffen, ergänzt er: "So können wir zeigen, dass wir nicht so steinzeitlich sind, wie viele Leute zunächst annehmen."

Autor: Christina Bergmann
Redaktion: Jutta Wasserrab