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Paradigmenwechsel

Antje Sina (hy)4. Februar 2009

Die Nutzung alternativer Energien - bisher ein Fremdwort in den USA. Aber immer mehr Farmer denken um - und das ist auch zum Wohle deutscher Firmen.

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Drei Windräder auf einem Feld, ein Zaun und eine Straße (rechts) (dpa)
In Kalifornien sind sie schon ein gewohntes Bild - WindräderBild: picture-alliance/ dpa

Mit alternativen Energien konnte man US-Amerikaner bisher nur schwer hinter dem Ofen hervorlocken. Doch mit Finanz- und Klimakrise und ihrem neuen Präsidenten Barack Obama scheint ein neuer Wind zu wehen. Solar- und Windenergie, Biodiesel und Geothermie finden neues und großes Interesse. Und wie immer gibt es einige Pioniere, die voranschreiten. Farmer Ralph Dull ist so einer.

Mitten in dem abgewirtschafteten Kohlestaat Ohio ragen vor der Farm des 80-Jährigen in dem Bauernort Brookville sechs Windturbinen in den blauen Himmel. Jede davon produziert 10 Kilowattstunden sauberen Strom. In Ohio kommen 90 Prozent des Stroms aus Kohle. Auf die Idee mit den Windrädern kam Dull im Krankenhaus. Die Umsetzung erfolgte nach der Entlassung innerhalb von sechs Monaten. In 40 Meter Höhe drehen sich die Räder nun und produzieren 15 Prozent des Stroms für die 1200 Hektar große Farm. Das reicht noch nicht für die Vollversorgung. In Anbetracht jährlicher Stromkosten von 40.000 Dollar musste noch mehr getan werden.

Erdwärme und beheizte Schweineställe

Schweine in einem Stall auf einer US-Farm
Auch diesen Schweinen auf einer US-Farm könnte es bald warm unter den Füßen werdenBild: AP

Auf Dulls "Homestead Farm" passiert daher noch mehr. In den letzten zwei Jahren hat der Saatgut- und Schweinefarmer vieles umgekrempelt, was seine Väter und Großväter niemals für möglich gehalten hätten. Stolz deutet der alte, zierlich wirkende Mann auf die riesige silberne Heizanlage, die in seinem Büro vor sich hinschnurrt. Ein Rohr speist sie mit Erdwärme. Diese Anlage heizt das Gebäude im Winter und kühlt es im Sommer.

Und mehr noch: Dull will die Jauche der rund 10.000 Schweine auf der Farm mittels einer Anlage künftig in Gas umwandeln. Damit sollen die Schweineställe beheizt werden. Ähnlich läuft es bereits mit dem Saatkorn-Trockner. Den feuert Dull mit Getreideabfällen. 50.000 Gallonen Propangas (rund 190 Kubikmeter) im Jahr würden so eingespart. Der Traum des Farmers aus Ohio ist aber, ohne Gas und Benzin auszukommen. Viele seiner Farmfahrzeuge brauchen bereits jetzt nur noch halb soviel Sprit, weil sie zu 50 Prozent mit Wasserstoff rollen. Um den herzustellen, hat Dulls Freund Chris McWhinney seine eigene Hydrogen-Maschine entwickelt. Ein erstes Modell wurde bereits nach Texas verkauft. Weitere Bestellungen liegen vor.

Pionierrolle

Präsident Barack Obama hatte angekündigt, in den nächsten Jahren 15 Milliarden Dollar für die Förderung alternativer Energien freizumachen. Doch nicht allzu viele Amerikaner wissen mit Begriffen wie Solarenergie oder Erdwärme etwas anzufangen. Ganze Busladungen von Interessierten strömen inzwischen auf Dulls Farm, um in dem Infozentrum "Homestead Farm" das ABC der alternativen Energie zu lernen.

Rund drei Autostunden entfernt von Dulls Farm an den Ufern des Erie-Sees wollen zwei weitere Farmer alternative Energien zum Wohle ihrer ganzen Kommune einsetzen: Der Präsident der Farmers Union von Ohio, Roger Wise, und sein Nachbar Louis Stevens. Sie wollen 25 Windturbinen aufstellen, nicht nur zum Eigenbedarf, sondern auch, um den produzierten Strom zu verkaufen. Mit einer eigens gegründeten Firma, finanzieller Starthilfe vom US-Agrarminsterium und dem Know-How einer deutschen Beraterfirma haben Wise und Stevens den Grundstein gelegt.

Obamas Botschaft kommt an

US-Präsident Obama will in den kommenden drei Jahren die Anwendung alternativer Energien verdoppeln und dafür auch die nötigen rechtlichen Grundlagen schaffen. Dass diese Absicht auf fruchtbaren Boden fällt, davon ist auch Eicke Weber überzeugt, Chef der Außenstelle des Freiburger Fraunhofer Instituts an der Universität Cambridge, Massachussetts: "Eines der deutlichsten Anzeichen dafür ist für mich die Ernennung von Steve Chu, einem Physik-Nobelpreisträger zum Energieminister".

Chu (vorne) zusammen mit Obama (hinten) und eine amerikanische Flagge (links)(dpa)
Obama setzte mit der Wahl des Nobelpreisträgers Chu ein Zeichen für den KlimaschutzBild: picture-alliance/dpa

Chu ist ein ausgewiesener Verfechter der Grünen Energien, der Kampf gegen den Klimawandel eines seiner obersten Ziele. Auch der Umweltminister des konservativen Kohlestaats Virginia, Preston Bryant, ist der Meinung, dass Obamas Botschaft inzwischen bei den Amerikanern angekommen ist. Eine Umfrage in Virginia habe vor kurzem gezeigt, dass sich "70 Prozent der Bevölkerung ernsthafte Sorgen wegen der Erderwärmung machen".

Transatlantische Klimabrücke

Bryant und Weber sind Teilnehmer einer Umweltveranstaltung in der deutschen Botschaft in Washington, bei der eine "Transatlantische Klimabrücke" gegründet wurde. Politiker, Wissenschaftler, Bürgergruppen und Unternehmer auf beiden Seiten des Atlantiks wollen sich über diese Brücke besser vernetzen.

Und deutsches Know-How ist nach Angaben des deutschen Botschafters in Washington, Klaus Scharioth, zunehmend in den USA gefragt. Er werde heute zu keinem Thema mehr befragt, als wie die Deutschen es geschafft hätten, ihren Anteil an erneuerbarer Energie in wenigen Jahren zu verdreifachen und die Kohlendioxid-Emissionen um 22 Prozent zu reduzieren.

Umweltschutz in Zeiten der Wirtschaftskrise?

Umweltschutz und Wirtschaftskrise - Zweifler sehen darin ein Dilemma für Präsident Obama. Doch der geht davon aus, dass trotz Wirtschaftskrise "gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen werden, die nicht ausgegliedert werden können, nämlich Jobs zur Herstellung von Solarpanels und Windturbinen".

Und das passiert gerade etwa bei der metallverarbeitenden Firma Rotek in Aurora, Ohio. Die ThyssenKrupp-Tochter ist auf die Herstellung von Drehkränzen spezialisiert, die unter anderem für Windräder benötigt werden. Die Nachfrage ist laut Werkschef Len Osborne so groß, dass die rund 400 Arbeitsplätze in Aurora erst einmal sicher sind; 150 neue Jobs müssten zudem geschaffen werden, um die Aufträge erfüllen zu können. Rotek musste inzwischen eine Halle anbauen. 80.000 grüne Arbeitsplätze hat Präsident Obama seinen Landsleuten bis zum Jahr 2025 versprochen.

Die beiden Architekten Jung (links) und Willenbacher (rechts) erhielten 2008 den deutschen Klimaschutzpreis für das energiesparendste Haus der Welt. Sie posieren vor dem Haus, zwischen ihnen ein kleines Windrad (JUWI AG)
Die beiden Architekten Jung (links) und Willenbacher (rechts) der Juwi-Gruppe erhielten 2008 den deutschen Klimaschutzpreis für das energiesparendste Haus der WeltBild: Harry Braun

Energiesparen: Noch Zukunftsmusik

Das ist noch hoffnungsträchtige Zukunftsmusik für Volker Hartkopf, Leiter des Zentrums für Bauwesen und Diagnostic am Architetur-Department der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh, Pennsylvania. Seiner Meinung nach gehören alternative Energie-Gewinnung und drastische Energie-Sparmaßnahmen zusammen. Seit Jahrzehnten arbeiten Hartkopf und sein Team an Bausteinen für Energiespar-Häuser. Ihre Vorzeige-Modelle wurden bewundert, gewannen Preise - doch durchgesetzt haben sie sich auf dem amerikanischen Wohnungsmarkt nicht.

Für den Architekten Hartkopf liegt der Grund auf der Hand: "Die Leute wollen von niemandem darauf hingewiesen werden, dass sie sich irgendwie ein bisschen anders verhalten sollen. Man hat die letzten 25 Jahre vertan und man hat früher mal gesagt: "What's good for General Motors is good for the country". Das haben die Leute wirklich geglaubt."

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