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"Friedlichere Welt als vor fünf Jahren"

Das Gespräch führte Michael Knigge31. August 2004

Die Welt ist nach einer Studie des Stockholmer Instituts für Friedensforschung (SIPRI) derzeit friedlicher als in den 1990er Jahren. Über die Gründe sprach DW-WORLD mit SIPRI-Direktorin Alyson J. K. Bailes.

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Gewalt im Irak: keine genauen OpferzahlenBild: AP

DW-WORLD: Wie erklären Sie die auf den ersten Blick scheinbar widersprüchliche Tatsache, dass die Anzahl der Kriegsopfer trotz der großen Konflikte im Irak und Afghanistan gesunken ist?

Alyson J. K. Bailes: Die Zahl der bewaffneten Konflikte und der Kriegstoten geht seit den frühen 1990er Jahren zurück. Die Zahlen müssen allerdings mit Vorsicht behandelt werden, da sich die von SIPRI veröffentlichten Daten nur auf direkt durch menschliche Gewalt verursachte Todesopfer in einer Konfliktsituation beziehen. So werden beispielsweise Todesopfer durch Hunger, Krankheit, Zwangsumsiedlung und ähnliches nicht erfasst. Dennoch ist es zutreffend, traditionelle Konflikte als ein abnehmendes Phänomen für die Weltsicherheit zu bezeichnen und darauf hinzuweisen, dass es durch moderne Interventions- und Gefechtsmethoden gelungen ist, die Anzahl der direkten Opfer zu senken.

Ist die Welt ihrer Ansicht nach heute friedlicher als vor fünf Jahren?

Ich persönlich glaube, dass die Welt heute "friedlicher" ist als noch vor fünf oder zehn Jahren, wenn man die traditionellen bewaffneten Konflikte und sogar die direkten Opfer anderer offener Gewalt wie terroristischer Gräueltaten in Betracht zieht. Ich persönlich bevorzuge allerdings eine breit angelegte Definition von Sicherheit, nach der wir anerkennen, dass es keinen wahren Frieden gibt, so lange wir die Risiken von Krankheiten, Hunger, Armut, sozialer Gewalt, Intoleranz und Umweltvernichtung nicht genau so hart bekämpfen wie offene Konflikte.

Wie würden sie die Entwicklung in Europa, Afrika, Asien und Lateinamerika vergleichen?

Ich finde es sehr interessant, dass große Staatengruppen in Afrika, Ost- und Südost-Asien sowie Zentral- und Lateinamerika durch die Ereignisse der vergangenen Jahre angetrieben wurden, zu versuchen ihre regionalen Kooperationen enger zu ziehen und sich mit den militärischen und nicht-militärischen Sicherheitsbedrohungen in ihren Regionen zu befassen. Diese Trends sind eine Reflektion der Anstrengungen der Europäischen Union, eine zusammenhängendere, unabhängige, strategische Kapazität und Vision zu entwickeln; und viele andere Institutionen nehmen sich ausdrücklich die EU als ihr Modell.

Die gefährlichen Regionen sind diejenigen, in denen es bisher noch keinen solchen "Solidaritätsreflex" gibt und wo die Länder reagieren, indem sie hartnäckig mit ihren eigenen lokalen Konflikten oder mit "asymmetrischen" Drohungen gegen die USA selbst fortfahren, wie Nordkorea es tut.

Was ist ihre Prognose für die Situation im Irak?

Ich habe keine Prognosen für den Irak - nur Ängste und Hoffnungen. Der künftige Weg für das Land beinhaltet zunehmend unabhängige Kontrolle der Iraker über ihre eigenen Angelegenheiten. Wir sollten ihre Fähigkeiten und die Vorteile, die sie für diese Aufgabe im Vergleich zu den Besatzungsmächten mitbringen nicht unterschätzen. Beispielsweise hat die Übergangsbehörde schon beim Versuch, die richtige Art von Beziehungen zu Nachbarländern aufzubauen, einige ihrer Fähigkeiten und Erkenntnisse unter Beweis gestellt. Dazu kann man ergänzen, dass alle guten und dauerhaften Konfliktlösungen auch lokale Lösungen sind.

Aber die wichtigste Frage ist, ob die Regierung in ihrer Weiterentwicklung gleichzeitig wirklich die unterschiedlichen Gemeinschaften Iraks repräsentieren kann und in der Lage ist, die nationale Einheit des Landes zu stärken. Niemand von außen kann genau wissen, was dafür notwendig ist und Außenstehende sollten sehr vorsichtig sein, damit sie diesen Prozess nicht diktieren oder verzerren.