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Feuer als Teil der Natur

Jürgen Schneider3. September 2013

Johann Georg Goldammer sucht am Global Fire Monitoring Center nach Strategien gegen Waldbrände. Doch Feuer ist nicht gleich Feuer, sagt er in unserem Interview. Es gebe auch Ökosysteme, die regelmäßige Brände benötigen.

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Feuer auf einer Savannenlandschaft, Flammen ziehen sich quer über das Bild (Foto: Jürgen Schneider)
Bild: DW/Jürgen Schneider

Wälder brennen überall auf der Welt. Allgemein gelten die Feuer als äußerst klimaschädlich, schließlich setzen sie große Mengen CO2 frei und entlassen Rauchgase in die Atmosphäre. Viele dieser Brände sind durch Menschen verursacht, durch Unachtsamkeit, Brandstiftung oder Brandrodung. Weniger als zehn Prozent der Brände, die für die Umwelt und Gesellschaft nachteilige Auswirkungen haben, haben natürliche Ursachen. Doch Feuer ist auch ein wichtiger Teil der Natur – viele Landschaften, wie die Savannen, existieren nur, weil sie regelmäßig brennen und hier durch das Feuer Platz für Neues entsteht.

Im "Global Fire Monitoring Center" in Freiburg im Breisgau werden Daten zu Waldbränden auf der ganzen Welt gesammelt. Professor Johann Georg Goldammer entwickelt hier im Auftrag der Vereinten Nationen Strategien zur Bekämpfung von Waldbränden. Dabei geht es nicht immer nur um das Löschen. Professor Goldammer streitet für den angestammten Platz des Feuers in der Welt, auch in Zeiten des Klimawandels. Wir haben ihn zu einem Interview in der brasilianischen Savanne, dem Cerrado, getroffen. Die Region ist durch Brandrodung für die Landwirtschaft in ihrer Existenz bedroht. Doch der Cerrado ist eben auch die Heimat des Feuers, wie Professor Goldammer sagt.

Global Ideas: Ist das Feuer ein Feind des Klimas?

Johann Georg Goldammer: Die Vegetationsbrände des Cerrado sind eigentlich kein Feind des Klimas. Die Feinde sind im Wesentlichen die Feuer in den Brennkammern, also dort, wo wir fossile Energie verbrennen. Wenn wir unsere geologische Vergangenheit - die versunkenen Wälder, die Kohlelagerstätten und die Öllagerstätten und auch das Gas - an die Oberfläche holen und verbrennen, in unseren Kraftfahrzeugen, in der Industrie, indem wir unsere Häuser heizen, dann haben wir ein Problem. Denn dadurch betsimmt die geologische Vergangenheit die geologische Zukunft der Erde, die anders sein wird als heute. Die Feuer auf der Erdoberfläche brennen hier schon seit Millionen von Jahren. Die ältesten Nachweise gehen über 400 Millionen Jahre zurück. Das sind Waldbrände, die können wir heute sogar noch identifizieren, in alten Kohleflözen, wo sich Steinkohle aus diesen versunkenen Wäldern gebildet hat. Darin finden wir heute sogar eingebettete Holzkohle. Viele Landschaften, wie hier in Brasilien, sind durch Feuer geformt worden.

Portraitfoto von Johann Georg Goldammer (Foto: Goldammer/Sander)
Johann Georg Goldammer sucht am Global Fire Monitoring Center in Freiburg im Breisgau nach der perfekten Strategie gegen Waldbrände.Bild: Goldammer/Sander

Ist das Feuer eine Art Anreiz für mehr Artenvielfalt?

Wenn wir das Feuer, die Vegetation und die Landschaften aus der Sicht des Feuerökologen und nicht aus der Sicht des Feuerwehrmanns anschauen, unterscheiden wir verschiedene Typen von Ökosystemen. Es gibt feuerempfindliche Ökosysteme. Das sind zum Beispiel die tropischen Regenwälder. Da gehört das Feuer nicht hin, weil sämtliche Tier- und Pflanzenarten im tropischen Regenwald feuerempfindlich sind und durch einen Brand eliminiert werden. Es gibt aber Ökosysteme, die sind feuertolerant. Sie können Feuer verkraften. Und dann haben wir die extremste Form, Ökosysteme oder auch einzelne Arten, die von Feuer abhängig sind und ohne Feuer nicht existieren können.

Wenn wir uns in die Kulturlandschaft begeben, in die der Mensch seit vielen hunderten oder tausenden von Jahren eingreift, durch Landwirtschaft, durch Weidewirtschaft, aber auch durch die Nutzung von Feuer, öffnet das Feuer die Landschaft, oder es hält sie offen. Hier finden ganz andere Tier- und Pflanzenarten ihren Lebensraum als beispielsweise im geschlossenen Wald. Und interessanterweise haben wir solche Ökosysteme nicht nur in Brasilien oder Nordamerika sondern auch in Mitteleuropa.

Ein Mann steht mit einem Palmwedel hinter einem brennenden Busch, das Feuer wurde kontrolliert gelegt. (Foto: Jürgen Schneider)
Oft ist der Mensch für Feuer verantwortlich, etwa bei Brandrodungen, um landwirtschaftliche Nutzfläche zu gewinnen.Bild: DW/Jürgen Schneider

Wie sieht denn ein Feuermanagement in einer so hoch entwickelten Welt wie unserer aus?

Wir sollten eigentlich versuchen, einen Einklang zwischen den Ansprüchen, die die natürliche Umwelt hat und den Ansprüchen an das Feuer zu finden. Das Feuer war immer da, in verschiedenen Dimensionen, in verschiedenen Intervallen in der Geschichte der einzelnen Landschaften der Erde. Wenn jetzt der Mensch diese Landschaften besiedelt und sie nutzt, führt das zu Konflikten, die wir austragen müssen. Man muss auf der einen Seite der Feuerökologie den Natur- und Kulturlandschaften gerecht werden und auf der anderen Seite auch den Ansprüchen des Menschen an eine Umwelt ohne Rauchbelastung, ohne Gefährdung der Häuser oder sogar von Menschenleben. Und da fängt eben das sogenannte Feuer-Management an, nach Kompromissen zu suchen. Damit sind wir alle konfrontiert, in Nordamerika genauso wie in Brasilien oder in Europa.

Welche Konflikte gibt es denn da?

Wir haben erst dann Probleme, wenn der Mensch zum Beispiel in die natürliche Vegetation eingreift und Weideflächen oder Plantagen schafft. Das ist die erste Konfliktzone. Es gibt noch eine Menge andere. In vielen Ländern haben die Menschen das Leben in den großen Städten satt. Häuser werden also in einer Umwelt gebaut, in der das Feuer sozusagen natürlich zuhause ist. Wenn wir jetzt beobachten, dass in Nordamerika beispielsweise Feuerwalzen über Siedlungen hinweg laufen und hunderte von Häusern verbrennen, sehen wir eine Konfliktzone und hier muss das Feuermanagement ansetzen.

Heißt Feuermanagement eigentlich löschen, oder heißt Feuermanagement eventuell auch Brände zu legen?

Es war tatsächlich so, dass man bei uns in den Industrieländern bis vor kurzem das Feuer eher als Feind betrachtet und natürlich immer versucht hat, es zu löschen. Daraus haben sich aber eine Reihe von Problemen ergeben. Feuer, das im natürlichen Zyklus über Jahrhunderte hinweg immer wieder durch die Vegetation hindurch gebrannt ist, hat die Brandlast immer wieder herausgenommen, also sozusagen aufgeräumt. Und so blieben die Feuer relativ begrenzt.

Ein Feuerwehrmann kommt von links ins Bild, im Hintergrund eine brennende Savannenlandschaft (Foto: Jürgen Schneider)
Löschen ist nicht immer sinnvoll. Die Natur braucht manchmal das Feuer, um sich alter, nutzloser Pflanzenreste zu entledigen.Bild: DW/Jürgen Schneider

Wenn man nun eine Feuerpolitik betreibt, die Brände über viele Jahre völlig ausschließt und vermeidet, findet sich in Wald- und Buschlandschaften eine Menge Brennmaterial, das normalerweise durch Feuer weggeräumt wurde. Hier verbirgt sich ein großes Energiepotential, diese Feuer werden destruktiv und nicht mehr kontrollierbar.

Wie sähe denn in Zukunft ein sinnvoller Umgang mit dem Feuer aus?

Im Augenblick ist die Debatte über das Brennen lassen natürlicher Feuer oder über den Einsatz des kontrollierten Feuers sehr stark von der Klimafrage beeinflusst. Feuer produzieren Emissionen und Treibhausgase. Das haben sie aber immer getan. Sie haben, wenn man so will, ein angestammtes Recht, diese Emissionen zu produzieren. Wenn wir heute fossile Treibstoffe verbrennen und den Kohlenstoff aus der Erdkruste über die Treibhausgase in der Atmosphäre deponieren, geraten trotzdem die Vegetationsbrände in die Kritik. Nun ist es die große Aufgabe, den Bränden im Cerrado in Brasilien, den Waldbränden in Sibirien und Nordamerika, den kontrollierten Bränden in den Kulturlandschaften Mitteleuropas, ihre angestammte Bedeutung zu geben und sie nicht ausschließlich zu löschen. Was vor fünfzig Jahren die Angst vor dem Feuer war, ist heute Angst vor der Klimaveränderung.

Das Interview führte Jürgen Schneider