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Friedenskurs soll auch die Wirtschaft auf den Weg bringen

Oliver Samson6. Januar 2004

Indien und Pakistan befinden sich seit dem Treffen der politischen Führung auf dem SAARC-Gipfel auf Entspannungskurs. Die ganze Region erhofft sich davon vor allem wirtschaftliche Impulse.

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Auf dem Weg der Besserung: Südasiatischer BinnenhandelBild: AP

Südasien ist noch weit davon entfernt ein einheitlicher Wirtschaftsraum zu sein. Protektionistische Politik mit sehr hohen Durchschnittszöllen von etwa 30 Prozent verhinderte bisher ebenso eine wirtschaftliche Liberalisierung wie die stabile Feindschaft zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Region, Indien und Pakistan. Die bisherigen Vereinbarungen zur Schaffung einer südasiatischen Freihandelszone (SAFTA) blieben so reine Makulatur.

Rahmenplan gegen Dornröschenschlaf

Doch nun scheint das Tauwetter zwischen Indien und Pakistan dem wirtschaftlichen Zusammenwachsen den nötigen Schub zu geben: Auf dem Gipfeltreffen der Südasiatischen Vereinigung für regionale Zusammenarbeit (SAARC) in Islamabad (4.-6.Januar 2004) haben die Außenminister der Mitgliedsstaaten Indien, Pakistan, Sri Lanka, Bangladesh, Malediven, Nepal und Bhutan einen Rahmenplan festgelegt, um die Freihandelszone SAFTA aus ihrem Dornröschenschlaf wachzuküssen. Die Verhandlungen waren schon 1986 aufgenommen worden, die Umsetzung war aber immer wieder an der indisch-pakistanischen Unversöhnlichkeit gescheitert. Indien und Pakistan standen wegen des Kaschmir-Konfliktes jahrelang am Rande eines Atomkrieges.

Fabrikarbeiterinnen in Indien
Fabrikarbeiterinnen in IndienBild: AP

Mit 1,4 Milliarden Einwohnern - ungefähr einem Viertel der Menschheit - ist die SAFTA die größte Wirtschaftseinheit der Welt. Dort lebt aber auch nahezu die Hälfte der absolut Armen der Welt. 40 Prozent der zukünftigen SAFTA-Bevölkerung haben weniger als einen Dollar täglich zur Verfügung. Die Volkswirtschaften der sieben SAARC-Staaten unterscheiden sich an Dimensionen und Entwicklungsstand jedoch ganz erheblich: So stehen den 2,1-Millionen Einwohnern des Himalaya-Königreiches Bhutan mit einem Bruttoinlandprodukt (BIP) von 141 Dollar pro Kopf deutlich mehr als eine Milliarde Inder mit einem BIP von 2400 Dollar gegenüber. Zum Vergleich: Deutschland erwirtschaftete 26.000 Dollar je Einwohner (2001).

Schrittweiser Abbau der Handelsbarrieren

Das Abkommen sieht konkret vor, Handelsbarrieren schrittweise und gestaffelt zu beseitigen. Indien und Pakistan sollen innerhalb der nächsten sechs Jahre ihre Zölle auf unter fünf Prozent senken. Sri Lanka hat ein Jahr mehr Zeit, die besonders armen Länder folgen bis 2013. Damit sollen die am wenigsten entwickelten Länder vor der Überschwemmung durch indische Billigwaren geschützt werden.

Boom-Land Indien

Allgemein wird vor allem die politische Bedeutung des Wirtschaftsabkommens betont. Indiens Premierminister Atal Behari Vajpayee sprach davon, dass "rationale Wirtschaftspolitik in Südasien politische Vorurteile besiegen sollte". Der indische Staatssekretär des Äußeren, Shri Shashank, nannte die Vereinbarung "historisch" - aus gutem Grund. Die politische Annäherung zwischen Indien und Pakistan soll sich ökonomisch vergolden lassen. Indien gehört momentan zu den weltweit am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften. Zwischen Juli und September 2003 belief sich das Wachstum auf 8,6 Prozent. Doch gerade einmal 200 Millionen US-Dollar betrug zuletzt das offizielle Handelsvolumen mit dem verfeindeten Nachbarn.

Analysten schätzen, dass demgegenüber ein "inoffizielles" Handelsvolumen von jährlich 1,5 bis 2 Milliarden US-Dollar durch Schmuggel und Transfer über Drittländer steht. Der offizielle bilaterale Handel könne nach Meinung von Wirtschaftsexperten aber nochmals gut das Doppelte davon betragen. “Beide Wirtschaften werden enorm profitieren, wenn die Regierungen den offenen Handel zulassen, speziell in den Bereichen Stahl, Zement, Textil, Kaffee und Maschinenbau“, sagt etwa Vijay Kalantri, Präsident des Verbandes der indischen Industrie.

"Wohlstandsmindernd"

Westliche Wirtschaftswissenschaftler halten den neuen Zusammenschluss allerdings für wenig sinnvoll. Die Volkswirtschaften verhielten sich deutlich zu "asymetrisch" untereinander, meint etwa Rolf Langhammer Vize-Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Er hält die SAFTA für eine "Totgeburt" - vor allem, weil die "hohen Protektionsmauern" gegenüber dem Welthandel bestehen blieben. Allenfalls "Handelsumleitungseffekte" seien daher zu erwarten - und diese seien ausreichend wirtschaftswissenschaftlich untersucht. Resultat: Sie sind "wohlstandsmindernd".