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Das Klima verhandeln...

Hannah Fuchs11. Juni 2015

Nicht wirklich. Die zehntägige Klimakonferenz in Bonn ist ohne große News zu Ende gegangen. Die Arbeit am Vertragsentwurf gestaltete sich offenbar schwierig - was jedoch niemanden so richtig überrascht. Wo hängt's?

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Skulptur des SB42-Hashtags zur Klimakonferenz in Bonn vor dem World Conference Center WCCB (Foto: DW/H.Fuchs).
Bild: DW/H. Fuchs

Schick sieht es aus - und vor allem wichtig, das neue Tagungsgebäude in Bonn, das World Conference Center (WCCB), in dem vom 01. bis 11. Juni das zehntägige Treffen von tausenden Klimaexperten stattfand. Der dazugehörige Hashtag steht groß vor dem Haupteingang: SB42. Genauer: "42nd session of the Subsidiary Body for Implementation (SBI), 42nd session of the Subsidiary Body for Scientific and Technological Advice (SBSTA)". Und noch mal konkreter: Die Klimakonferenz der UN im Vorfeld des großen Klimagipfels.

Hier haben die Teilnehmer an Formulierungen gearbeitet, die in dem Vertragsentwurf über ein verbindliches Klimaschutzabkommen stehen sollen. Genau das soll dann bei der großen Weltklima-Konferenz in Paris im Dezember unterzeichnet werden, und damit das auslaufende Kyoto-Protokoll ersetzen. So jedenfalls die Idealvorstellung.

Chamber Hall im WCCB (Foto: Deutsche Welle/Hannah Fuchs).
In der "Chamber Hall" laufen die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen. Oft geht es bei dem Textentwurf um Petitessen.Bild: DW/H. Fuchs

Wenn man sich auf dem Gelände des WCCB etwas unter die Delegierten und NGOs (Nichtregierungsorganisationen) mischt, klingt die allerdings noch weit entfernt. "Das geht hier alles viel zu langsam", "Es wird stundenlang über Unds, Oders, Punkte und Kommas diskutiert", "Dazu möchte ich nichts sagen", sind die Statements, die man in der Regel auf die Frage zu hören bekommt, wie es denn so läuft. Zuversicht klingt anders.

Petitessen und Blockaden

Too little, too slow?

"Offensichtlich ist vielen Ländern noch gar nicht bewusst, dass sie nur noch wenige Verhandlungstage bis zur Konferenz in Paris haben", sagt Martin Kaiser, Klimaexperte von Greenpeace, der ebenfalls an der Bonner Tagung teilnimmt.

Mit der Geschwindigkeit, mit der hier verhandelt werde, sei eine Klärung der großen Fragen nicht absehbar - etwa wie schnell wir aus den fossilen Energieträgern aussteigen wollen, wann die großen Schwellenlänger, wie China und Indien, dazu verpflichtet werden, ihre Treibhausgasemissionen zu senken, und wie diejenigen Länder finanziert werden sollen, die am meisten unter dem Klimawandel leiden. Dass es nicht vorwärts geht, hat seiner Meinung nach mehrere Gründe.

"Die Hauptursache ist sicherlich, dass Saudi-Arabien und die Öl-exportierenden Länder überhaupt kein Interesse an einem guten Abkommen in Paris haben und deswegen alles daran setzen, die Verhandlungen hier extrem in die Länge zu ziehen." Wohlwissentlich, so Kaiser, dass - wenn nicht frühzeitig die politische Fragen herausgearbeitet werden - ein umfassender, unterzeichneter Klimavertrag Ende des Jahres in Paris nahezu unmöglich werde.

Martin Kaiser, Klimaexperte von Greenpeace, aufgenommen bei der Klimakonferenz in Bonn (Foto: DW/Hannah Fuchs).
Martin Kaiser, Klimaexperte von Greenpeace, ist mit dem Verlauf der Konferenz nicht allzu glücklichBild: DW/H. Fuchs

Dazu kommen noch die anderen riesigen Herausforderungen, die auf dem Tisch liegen. Paris sei der Moment, wo alle Länder auch Verpflichtungen übernehmen müssen, zum Beispiel bei der Minderung von Treibhausgasen. Und dann sei da auch noch die Frage, wie sich Länder, die Gefahr laufen, vom Meer überflutet zu werden, schützen können - gegen steigenden Meeresspiegel, gegen zunehmende Stürme und Fluten. "Das hängt ebenfalls mit einer Reihe an finanziellen und technischen Fragen zusammen", erklärt Kaiser. Alles Punkte, die in dem Entwurf vorkommen sollen.

Vor Paris muss noch dringend…

Die größte - oder wichtigste - Hürde vor Paris sieht Kaiser jedoch in dem unzugenügenden Eingeständnis der Politik, dass der Großteil von Kohle und Öl in der Erde verbleiben muss, um "überhaupt eine Chance zu haben, die Welt weit unter den zwei Grad zu stabilisieren. Dann muss auch klar sein, wann wir aus Kohle und Gas aussteigen - nämlich bis Mitte des Jahrhunderts", sagt der Klimaexperte von Greenpeace. Die Nachricht vom G7-Gipfel in Elmau, wonach die großen Industrieländer soeben schon diesen Entschluss gefasst haben, zeige da schon in eine ganz klare Richtung.

"Keep the oil in the soil"

Um Kohleabbau ging es auch bei einer Aktion am Rande der Klimaverhandlung in Bonn. Die Kampagne "Ende Gelände" rief dazu auf, Braunkohlebagger zu stoppen und das Klima zu schützen. Mit dabei auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der zur selben Zeit mit einer Menschenkette auf die Dringlichkeit der Lage aufmerksam machte. "Klimaschutz jetzt" fordern die Aktivisten. Online kann man sich der Menschenkette anschließen.

Ann-Kathrin Schneider, Leiterin Internationale Klimapolitik beim BUND, sagt, "das da drin hat überhaupt nichts mit Energie-Revolution zu tun."

Was wir jetzt bräuchten, sei ein Ausstieg aus der Kohle. Nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. "Die verhandeln seit zehn Tagen, und haben noch nicht verstanden, dass wir den Klimaschutz jetzt brauchen - und nicht erst in 100 Jahren", kritisiert die Aktivistin. Die Entscheidung der G7 - die "Dekarbonisierung" - sieht sie als wichtig an - allerdings jetzt, nicht erst Ende des Jahrhunderts.

Martin Kaiser von Greenpeace klingt da schon zufriedener mit dem Beschluss aus Elmau. "Die G7-Länder haben sich selbst auferlegt einen Plan vorzulegen, wie sie die Transformation des Energiesystems hin zu Erneuerbaren bis Ende dieses Jahrhunderts tatsächlich schaffen können. Da ist eine starke Selbstverpflichtung drin - die wir auch einfordern", sagt er.

Dass die G7-Länder sich, was ein globales und langfristiges Ziel angeht, noch etwas Verhandlungsspielraum offen gelassen haben, mit Ländern wie China und Indien, hält Kaiser diplomatisch für gar nicht so verkehrt. "Es kann nicht sein, dass nur die großen Industrieländer bestimmen, wo es lang geht", meint er.

Überraschung der Konferenz

Und genau hier - wenn es um den Schutz und die Unterstützung der Entwicklungsländer geht - gab es auch einen erwähnenswerten Erfolg zu verzeichnen. Gustavo Silva-Chavez, von der NGO "Forest Trends" macht einen weniger frustrieten Eindruck als viele andere Konferenzteilnehmer. Man sieht ihm die Freude darüber an, dass der Entwurf des UN-Waldschutzprogramms "REDD+" (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation and the role of conservation, sustainable management of forests and enhancement of forest carbon stocks in developing countries) abgesegnet wurde.

Gustavo Silva-Chavez von Forest Trends bei der Klimakonferenz in Bonn (Foto: DW/Hannah Fuchs).
Gustavo Silva-Chavez von Forest Trends sieht zumindest die REDD-Vereinbarung als Erfolg der Bonner KlimakonferenzBild: DW/H. Fuchs

Zu Deutsch geht es dabei um die Verringerung von Emissionen, die durch Entwaldung und Waldschädigung entstehen, die Sicherstellung des Waldschutzes, der nachhaltigen Waldbewirtschaftung und den Ausbaus des Kohlenstoffspeichers Wald in Entwicklungsländern.

REDD+ ist ein seit 2005 auf den Verhandlungen der internationalen Klimarahmenkonvention (UNFCCC, United Nations Framework Convention on Climate Change) diskutiertes Konzept, mit dem der Schutz von Wäldern als Kohlenstoffspeicher finanziell attraktiv gemacht werden soll.

"Wir saßen in einer Session dazu, drei Aspekte standen auf der To-do-Liste für diese Konferenz - und plötzlich gab es den Beschluss, alle Punkte aus dem 'REDD-Rulebook' in Paris so vorzulegen. Ohne irgendwelche Einwände der Teilnehmer", erzählt Silva-Chavez. Damit hätte zu diesem Zeitpunkt der Konferenz niemand gerechnet.

Besonders den Entwicklungsländern soll dadurch in Zukunft künftig mehr finanzielle Unterstützung zukommen, um ihre Wälder zu schützen, statt sie abzuholzen. "Der letzte Schritt ist nun die Abstimmung in Paris", sagt der REDD-Experte.

Martin Kaiser sieht dieses Ergebnis etwas weniger enthusiastisch, so wie auch einige Kritiker, die den Entwurf als "zu schwammig, zu minimalistisch" bezeichnen. Es waren erste kleine Schritte, zu Teilen der Waldfrage. "Aber die große Frage zu beantworten - wie wir die Entwaldung in vielen Ländern stoppen können - das wird bis Paris schwierig", sagt er.

Dennoch steht hier zumindest der Entwurf auf der Agenda - ganz im Gegensatz zu vielen anderen Punkten.

Kühlen Kopf bewahren

Und so geht die Klimakonferenz am Donnerstag zu Ende - ohne großes Tamtam, ohne große Aufregung, und ohne die wirklich großen Überraschungen, die aber auch - ehrlich gesagt - niemand erwartet hatte.

Kurzzeitig diente sogar ein Eiswagen - natürlich Fairtrade - dazu, den Konferenzteilnehmern im übertragenen Sinne das Zwei Grad-Ziel näher zu bringen. Denn dann schmilzt selbst die klimaneutralste Eiscreme dahin. Positiver Nebeneffekt: Der allgemeinen Stimmung hat diese nette Abwechslung wahrscheinlich auch gut getan.

Die Chefin des UN-Klimasekretariats, Christiana Figueres, erklärte am letzten Tag, dass sich die Verhandlungen über den Vertragstext "Schritt für Schritt" entwickelten, es sei eben ein "sehr komplexes Thema". Details nannte sie jedoch nicht. Die Beschlüsse der G7-Staaten, sich vollständig von fossilen Energieträgern zu verabschieden, lobt sie aber als "wegweisendes Signal."

Bis zur Weltklimakonferenz in Paris (30.11.-11.12.2015) sind noch zwei weitere Gesprächsrunden in Bonn geplant. Bislang haben offiziell knapp 40 Staaten, darunter die EU-Länder, freiwillige Klimaschutzziele vorgelegt, die in dem neuen Abkommen genannt werden sollen.