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Freundschaft mit Schattenseiten

31. März 2010

Die deutsch-israelischen Beziehungen werden gerne als wichtig und eng bezeichnet. Doch ein Jahr nach dem Amtsantritt von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gibt es leichte Verstimmungen.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel und der israelische Ministerpraesident Benjamin Netanjahu (Foto: AP)
Keine einfache Beziehung: Bundeskanzlerin Merkel und Ministerpräsident NetanjahuBild: AP

In Berlin ist man mit Kritik an Israel in der Regel zurückhaltend. Deutschland versteht sich aus historischer Verantwortung als treuer Freund und Verbündeter Israels und wird in Jerusalem auch so wahrgenommen. Man trifft sich zu regelmäßigen Regierungskonsultationen – zuletzt im Januar in Berlin. Israelische Politiker, sowohl von der Regierung als auch von der Opposition, sind in Berlin gern gesehene Gäste, und Bundesaußenminister Guido Westerwelle drückt sich auch nicht vor einem gemeinsamen Foto mit Israels ungeliebtem Außenminister Avigdor Lieberman.

Interesse an guter Partnerschaft

Im Deutschlandfunk unterstrich Westerwelle vor wenigen Tagen, dass Berlin ein großes Interesse an einer guten Partnerschaft mit Israel habe. "Wir empfinden gegenüber Israel nicht nur eine historische Verpflichtung, sondern auch eine Wertegemeinschaft - wenn man bedenkt, dass Israel eben eine Demokratie ist und dass wir ja schon seit vielen Jahren mit gemeinsamen Werten zusammenarbeiten." Gerade deswegen, sagte Westerwelle weiter, sei man berechtigt und verpflichtet zu klaren Worten an die Adresse der israelischen Regierung.

Solche klaren Worte hat es gegeben. So telefonierte Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich auf Bitten des amerikanischen Präsidenten mit ihrem israelischen Amtskollegen Benjamin Netanjahu, um ihm klarzumachen, dass man die Fortsetzung der Siedlungspolitik in Jerusalem nicht gutheißen könne. Doch entweder waren die Worte nicht so klar wie gedacht - oder Netanjahu wollte sie nicht verstehen. Selbstbewusst informierte er israelische Journalisten über das Telefonat. Er habe Merkel angerufen, um ihr die israelischen Siedlungspläne in Jerusalem zu erläutern, sagte er und gab zu verstehen, dass Merkel der israelischen Politik nicht widersprochen habe.

Streitthema Siedlungspolitik

Siedlungsbau in Ostjerusalem (Foto: AP)
Dauerthema Siedlungsbau: Netanjahu will auf die jüdischen Siedlungen nicht verzichtenBild: AP

In Berlin reagierte man verärgert. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Stephan Bedrohl, wurde außergewöhnlich deutlich. Die Ankündigung, weitere Siedlungen zu bauen, sei nicht akzeptabel, sagte er: "Damit wird inhaltlich und auch vom Zeitpunkt her ein völlig falsches Signal ausgesandt. Die Bundesregierung hat ebenso wie die USA, die EU und das Nahostquartett ihre kritische Haltung zum Siedlungsbau wiederholt und unmissverständlich deutlich gemacht. Der fortgesetzte Siedlungsbau in Westbank und Ostjerusalem steht nicht im Einklang mit der Roadmap. Diese sieht ein Einfrieren der Siedlungsaktivitäten vor."

Auch die Kanzlerin machte aus ihrer Verärgerung keinen Hehl. Bei einem Pressetermin anlässlich des Besuchs des libanesischen Ministerpräsidenten Saad Hariri fand sie scharfe Worte: "Deutschland hat ein wirklich großes Interesse daran, dass wir vorankommen, und deswegen habe ich auch zugesagt, dass wir uns für die Wiederaufnahme von Gesprächen mit voller Kraft einsetzen. Ich hoffe, dass auch die Signale aus Israel in Zukunft konstruktiv sein werden und nicht so negativ, dass sie das Zustandekommen von solchen Gesprächen verhindern."

Freundschaftliche Beziehungen

Shimon Stein, Israels ehemaliger Botschafter in Deutschland (Foto: dpa)
Hat wenig Hoffnung auf die Zweistaatenlösung: Israels ehemaliger Botschafter Shimon SteinBild: dpa

Angela Merkel wird nachgesagt, dass sie besonders gute und sogar freundschaftliche Beziehungen zu Israels ehemaligem Botschafter in Berlin, Shimon Stein, unterhält. Der ehemalige Diplomat, der in Deutschland als Hardliner galt, besuchte in der vergangenen Woche Berlin und gab sich bei einer Podiumsdiskussion überraschend gemäßigt. "Als Israeli, als Jude, stehe ich am Ende dafür, dass Israel den jüdischen und den demokratischen Charakter aufrechterhält. Das bringt auch gewisse Konsequenzen mit sich. Wenn es so bleibt, wie es ist, dann bin ich mit Blick auf die Zweistaatenlösung etwas skeptisch."

Bei Israelis und Palästinensern müsse ein Paradigmenwechsel stattfinden. Dafür sieht Stein jedoch derzeit keinerlei Anzeichen. Die Israelis hätten sich gut eingerichtet in der derzeitigen Lage. Sie hätten nicht das Gefühl, dass die Zeit drängt und dass man möglichst bald zu einer Einigung mit den Palästinensern kommen muss. "Momentan geht es den Israelis gut so", meint Shimon Stein. "Wenn man in Tel Aviv ist, schaut man über die Probleme hinweg. Man kann mit dem Zustand leben. Und der Preis, den man bezahlt, ist auch nicht hoch."

Hoffen auf Zweistaatenlösung

In Berlin hält man unterdessen an der Zweistaatenlösung fest. "Die Zweistaatenlösung ist die einzige zukunftsweisende Lösung, damit es wirklich Frieden geben kann", betonte Guido Westerwelle in den vergangenen Tagen. Die deutsche Diplomatie setzt daher auf das wiederbelebte Nahostquartett, bestehend aus der EU, den USA, Russland und den Vereinten Nationen. Sie hofft, dass es diesem Gremium gelingen kann, den Friedensprozess im Nahen Osten auch gegen eine widerstrebende israelische Regierung wieder anzustoßen.

Autorin: Bettina Marx
Redaktion: Anne Allmeling