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Freudentaumel mit Schattenseiten in Katar

18. Januar 2011

Als erstes arabisches Land darf Katar 2022 eine Fußball-WM ausrichten. Im Land selbst brachen nach der Verkündung durch FIFA-Chef Blatter Jubelstürme aus. Außerhalb Katars sehen viele die Vergabe jedoch skeptisch.

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FIFA-Präsident Joseph Blatter (Mitte) freut sich mit Scheich Hamad bin Chalifa Al-Thani von Katar (links) (Foto:ap)
FIFA-Präsident Joseph Blatter (Mitte) freut sich mit Scheich Hamad bin Chalifa Al-Thani von Katar (links)Bild: AP

Mit lautem Vuvuzela-Getröte, Feuerwerksraketen und laut hupenden Autokorsos haben die Menschen in Doha die Vergabe der FIFA-Fußball-WM 2022 nach Katar gefeiert. Auf dem größten Platz der Altstadt hatten sich 10.000 Menschen versammelt, die sich jubelnd in den Armen lagen. Schon kurz nach der Bekanntgabe in Zürich ging auf Dohas Straßen nichts mehr. Im "Iranischen Basar" von Doha feierten Iraker, Ägypter, Tunesier und Sudanesen zusammen mit den Einheimischen die erste WM-Endrunde in einem arabischen Land. Und mit ihnen freuten sich Millionen Fußballfans in der gesamten arabischen Welt.

Kataris feiern ausgelassen in den Straßen von Doha (Foto:ap)
Kataris feiern ausgelassen in den Straßen von DohaBild: AP

Gemeinsamer Jubel statt Konkurrenz

Kaum hatte FIFA-Boss Joseph Blatter am Donnerstag (02.12.2010) die Entscheidung für den WM-Austragungsort Katar bekanntgegeben, stand das Handy von Scheich Hamad bin Chalifa al-Thani nicht mehr still. Die arabischen Herrscher der Nachbaremirate vom Golf waren die Ersten, die zum Zuschlag für 2022 gratulierten. Normalerweise ist die Konkurrenz zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain, Oman und Katar groß, doch dieses Mal wollten sich alle ein bisschen in dem Glanz sonnen, der auf das kleine Emirat gefallen ist.

"Dies ist ein Sieg für alle arabischen Staaten und für den Sport im Nahen Osten allgemein", freute sich Scheich Mohammed bin Raschid al-Maktum, der Herrscher von Dubai. Und Scheich Talal al-Fahd, der Präsident des kuwaitischen Fußballverbandes, erklärte: "Das ist ein Sieg für die gesamte Golfregion und für alle Araber." Ein Sieg, der auch eine politische und kulturelle Komponente besitzt. So betonten viele arabische Medien am Freitag (03.02.2010) nicht nur, dass die Araber jetzt erstmals am Zuge seien, sondern auch, dass zum ersten Mal ein "islamisches Land" die WM ausrichten dürfe. "Das ist ein Friedenssignal", erklärte das WM-Bewerbungskomitee von Katar.

Ein eigentlich aberwitziger Plan

Skyline von Doha (Foto:ap)
50 Grad im Schatten und bis zu 80 Prozent Luftfeuchtigkeit erwarten die Fußballer in KatarBild: DW

Der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Thomas Bach, sprach nach der Vergabe von einer "Grundsatzentscheidung" der FIFA. Sie habe "den Versuch gemacht, den Fußball in eine Region zu tragen, wo er noch nicht die Präsenz hat, die er in anderen Teilen der Welt hat", so Bach. Das klingt eher diplomatisch, denn tatsächlich ist die Entscheidung der FIFA auf den ersten Blick aberwitzig: In zwölf Jahren wird die Fußball-WM in einem Land stattfinden, in dem im Sommer Temperaturen von bis zu 50 Grad im Schatten herrschen – bei einer Luftfeuchtigkeit von bis zu 80 Prozent. Gleichzeitig ist das Land gerade einmal halb so groß wie das deutsche Bundesland Hessen und beherbergt nur rund 840.000 Einwohner. Die erste Fußball-Liga von Katar umfasst zwölf Vereine, doch bisher hat nur ein Stadion im Land ein WM-taugliches Fassungsvermögen: Ins Nationalstadion in Doha passen 50.000 Zuschauer. Die anderen Stadien sind eher klein, und auch die Kataris selbst sind nicht gerade als euphorische Fußballfans bekannt. Aus diesen Gründen stieß die Vergabe der WM bei westlichen Fußballern und Sportfunktionären auch auf herbe Kritik.

Gigantisches Investitionsprogramm erwartet

Um in Katar eine Fußball-Weltmeisterschaft auf die Beine zu stellen, sind in den nächsten zwölf Jahren gigantische Investitionen notwendig. Aber man muss sich keine Sorgen machen, dass den Gastgebern vorzeitig das Geld ausgehen könnte. Denn kaufkraftbereinigt hatte Katar im Jahr 2009 das weltweit höchste Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf. Und auch die Wachstumsraten sind geradezu schwindelerregend hoch: Lagen sie im vergangenen Jahr – trotz Wirtschaftskrise – noch bei 9,5 Prozent, wird für 2010 ein reales Wachstum zwischen 18 und 20,5 Prozent erwartet. Man kann deshalb davon ausgehen, dass sich die Kataris die besten Architekten, Baufirmen, Berater und Verkehrsexperten holen werden, um rechtzeitig zur WM die nötige Infrastruktur aus dem Wüstenboden zu stampfen. Dazu gehören Stadien, die wegen der fürchterlichen Sommerhitze mit solarbetriebenen Klimaanlagen ausgestattet werden sollen, aber auch moderne Unterkünfte, sowie neue Straßen, Brücken und ein nagelneues Personennahverkehrsnetz.

Ein Modell des Al-Wakrah-Stadions, eines der insgesamt zwölf geplanten Austragungsorte für die WM (Foto:dpa)
Ein Modell des Al-Wakrah-Stadions, eines der insgesamt zwölf geplanten Austragungsorte für die WM.Bild: picture-alliance/dpa

Auch deutsche Unternehmen profitieren

Schon jetzt investiert das Emirat fleißig in sein Verkehrsnetz. Am neuen Internationalen Flughafen Doha wird mit Volldampf gebaut. Gemeinsam mit der Deutschen Bahn haben die Katarer Pläne für den Bau eines großen Schienennetzes entwickelt. Das gesamte Investitions-Volumen für das 2009 besiegelte Bahnprojekt liegt bei 17 Milliarden Euro. Allein die vier Metro-Strecken für Doha sollen eine Gesamtlänge von rund 300 Kilometern haben. Eine gute Nachricht ist die WM-Vergabe an Katar aber nicht nur für die Deutsche Bahn, die nun mit einem pünktlichen Abschluss ihres Großprojektes rechnen kann, sondern auch für den Baukonzern Hochtief. Denn die Essener haben gute Chancen, beim geplanten Bau einer 40 Kilometer langen "Freundschaftsbrücke" zwischen Katar und Bahrain zum Zuge zu kommen. Der Baubeginn für das Projekt wird seit Jahren immer wieder verschoben. Jetzt sind die Chancen rasant gestiegen, dass es endlich in Angriff genommen wird – der Fußball-WM-Vergabe sei Dank.

Autor: Thomas Latschan (afp, dpa, sid)

Redaktion: Stephanie Gebert