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Fremdenfeindliche Vorfälle haben Nachspiel

22. Februar 2016

Die Empörung über asylfeindliche Krawalle in Clausnitz und in Bautzen in Sachsen wächst. Die Landesregierung sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Nun ziehen die Behörden erste Konsequenzen.

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Beschmiertes Ortsschild von Clausnitz (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa/H. Schmidt

Die Polizeidirektion Chemnitz hat eine elfköpfige Ermittlergruppe zu den Vorfällen in Clausnitz eingesetzt. Die Spezialisten der Kriminal- und Schutzpolizei sollen die Geschehnisse um die Belegung einer Asylunterkunft aufarbeiten. Nicht zuletzt geht es um Vorwürfe in eigener Sache. Auf einem Video ist zu sehen, wie ein Beamter rabiat einen jungen Flüchtling aus einem Bus zerrt. Das sorgte bundesweit für Empörung. Die Polizei verteidigte ihr Vorgehen.

In Clausnitz hatte ein pöbelnder Mob am Donnerstagabend einen Bus mit Flüchtlingen blockiert, "Wir sind das Volk skandiert" und versucht, den Einzug der Asylbewerber in eine neue Unterkunft zu verhindern. An den aggressiven Proteste hatten sich rund 100 Menschen beteiligt.

Heimleiter versetzt

Der Leiter der Asylunterkunft in Clausnitz wurde nach Angaben des zuständigen Landkreises Mittelsachsen "zum Schutz seiner Person" und aufgrund der bundesweiten Diskussion über ihn versetzt. Er erhält eine andere Aufgabe in dem Betreiberunternehmen. Der Mann war wegen seiner Mitgliedschaft in der rechtspopulistischen Partei AfD umstritten. Zudem soll sein Bruder die Protestaktion mitorganisiert haben, wie der Mitteldeutsche Rundfunk berichtet.

Ermittlungen wurden auch in Bautzen aufgenommen, wo bei einem Vorfall in der Nacht zu Sonntag Schaulustige beim Brand einer Asylunterkunft applaudierten und versuchten, die Löscharbeiten zu behindern. Die Staatsanwaltschaft Görlitz kündigte ein Ermittlungsverfahren gegen drei junge Männer an. Ihnen wird vorgeworfen, die Feuerwehr bei den Löscharbeiten behindert zu haben. Dies kann mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe geahndet werden.

Seit Beginn des Jahres sind bundesweit bereits 118 Straftaten gegen Asylbewerberheime registriert worden. 112 seien rechtsextremistisch motiviert gewesen, teilte das Bundesinnenministerium mit. Neben 17 Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte gab es 27 sonstige Gewaltdelikte, 43 Sachbeschädigungen und 31 sogenannte Propagandadelikte.

Infografik Karte Flüchtlingsfeindliche Vorfälle 2016 DEU

Bund verurteilt Anfeindungen

Angesichts der Übergriffe forderten Politiker von Bund und Ländern, entschiedener gegen Fremdenhass vorzugehen. Die Bundesregierung verurteilte die Vorfälle scharf. "Wie kaltherzig, wie feige muss man sein, um sich vor einem Bus mit Flüchtlingen aufzubauen und zu pöbeln und zu grölen, um den darin sitzenden Menschen, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, Angst zu machen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Bundesjustizminister Heiko Maas rief die Mehrheit in der bürgerlichen Mitte auf, nicht länger zu schweigen. "Sie muss sich entschieden zu Wort melden, damit unsere gesellschaftliche Debatte nicht durch die Hetze und den Hass vergiftet wird", sagte Maas den Zeitungen der Funke Mediengruppe in Essen. Man dürfe nicht abwarten, bis es den ersten Toten gebe.

Aktuelle Stunde beantragt

Die Grünen im Bundestag haben wegen der fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Clausnitz und Bautzen eine Aktuelle Stunde beantragt. "Der Deutsche Bundestag muss unmissverständlich klar machen, dass wir so etwas nicht dulden können", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann. Die Linksfraktion im Bundestag verlangte eine Regierungserklärung von Kanzlerin Angela Merkel.

SPD-Generalsekretärin Katarina Barley betonte: "Es ist ein unangenehmes Thema, aber ich fürchte, dass man die Frage stellen muss, warum es gerade in Sachsen so einen Schwerpunkt gibt der rechtsextremen Straftaten." SPD-Vize Ralf Stegner sagte auf DW-TV, Vorfälle wie die in Sachsen seien widerlich und nicht hinzunehmen.

AfD-Chefin Frauke Petry sah dagegen eine Mitverantwortung der Flüchtlinge in dem Bus in Clausnitz. Es habe auch "sehr unschöne Äußerungen der Ankommenden" wie das Zeigen des Stinkefingers gegeben, sagte sie vor der Auslandspresse in Berlin.

Sachsen am Pranger

Auch in Sachsen wurden die Anfeindungen scharf verurteilt. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich sagte, was in Bautzen passiert sei, lasse sich kaum noch in Worte fassen. Die Jubelszenen vor dem brennenden Gebäude seien organisiert gewesen. Es handele sich um Brandstiftung. "Da kann man nur sagen: Pfui Teufel", erklärte der CDU-Politiker. Sachsen werde seine Anstrengungen gegen Fremdenfeindlichkeit deutlich verstärken müssen.

Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) sagte: "Es ist erschreckend und unerträglich, wie enthemmt und respektlos der Hass auf Ausländer offen zur Schau getragen wird." Die beiden großen Kirchen in Sachsen äußerten sich entsetzt. Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens erklärte: "Wir lassen uns von ein paar Hohlköpfen nicht die Stadt kaputt machen." Der Bürgermeister von Clausnitz, Michael Funke, machte auswärtige "Krawall-Touristen" für die Stimmungsmache in seiner Gemeinde verantwortlich.

kle/uh (epd, afp, dpa, rtr)