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Freispruch für niederländischen Islamkritiker

23. Juni 2011

Ein Amsterdamer Gericht hat den Politiker Geert Wilders vom Vorwurf der Hetze gegen Muslime freigesprochen. Markiert dieses Urteil einen Schritt weg von der Idee einer multi-kulturellen Gesellschaft in den Niederlanden?

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Geert Wilders (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Einen "Sieg für die Meinungsfreiheit" nannte der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders am Donnerstag (23.06.2011) seinen letztinstanzlichen Freispruch. Wilders stand vor Gericht, weil er unter anderem den Islam eine gewalttätige Religion nannte. Vertreter der Gruppen, die wegen dieser Äußerungen die Klage gegen den Politiker eingereicht hatten, zeigten sich dagegen vom Prozess-Ausgang enttäuscht. Das Urteil mache deutlich, dass die Gerichte religiöse Minderheiten nicht schützen. Sie planen, den Fall vor den UN-Menschenrechtsrat in Genf zu bringen, weil in den Niederlanden nun alle juristischen Mittel ausgeschöpft sind.

Islamkritik in einem größeren Kontext erlaubt

Der vorsitzende Richter Marcel van Oosten sagte, Wilders sei mit seinen Äußerungen an "der Grenze des Erlaubten" gewesen, zu keinem Zeitpunkt allerdings habe Wilders zu Gewalt gegen Muslime aufgerufen. Zudem habe Wilders erklärt, dass er nichts gegen Muslime habe, die sich integrierten und die Wertvorstellungen der Niederlande annähmen.

Muslimas in Burka (Foto: DW)
83 Prozent der Niederländer befürworten das Burkaverbot, das dort ab 2013 giltBild: DW

Wilders' Behauptung, der Islam sei eine gewalttätige Religion, und seine Forderung nach einem Einwanderungsverbot für Muslime müssten im Zusammenhang einer größeren Debatte über die Einwanderungspolitik gesehen werden, so der Richter weiter.

"Toleranz ist Ignoranz gewichen"

Tatsächlich wird das Thema Migration schon seit einiger Zeit in dem Land diskutiert, das lange als Vorbild für Integration galt. In den vergangenen zehn Jahren sei in den Niederlanden die Ablehnung der sogenannten Multi-Kulti-Gesellschaft messbar gewachsen, sagt der Politologe und Niederlande-Experte Andreas Wagner von der Universität Göttingen gegenüber DW-WORLD.DE. Lange sei man dort davon ausgegangen, dass mit Toleranz und Meinungsfreiheit viel erreicht werden könne. Doch jetzt hätten viele Menschen den Eindruck, dass "die Toleranz der Ignoranz gewichen ist und man eine etwas härtere Hand oder ein härteres Durchgreifen bräuchte", so der Politikwissenschaftler. Eine multikulturelle Gesellschaft ist nach Ansicht Wagners keine Idee mehr in Holland, sondern Fakt. Ein Fünftel der niederländischen Bevölkerung habe einen Migrationshintergrund, in manchen großen Städten würden die Bürger mit ausländischen Wurzeln sogar die Mehrheit stellen: Rotterdam habe einen Migrantenanteil von mehr als 50 Prozent.

Andreas Wagner (Foto: Andreas Wagner)
Politikwissenschaftler Andreas Wagner: Multi-Kulti in den Niederlande ist Fakt, keine IdeeBild: Andreas Wagner

Härtere Gesetze aus dem Innenministerium

Vor diesem Hintergrund erhält Geert Wilders, der als Mehrheitsbeschaffer in der Minderheitsregierung aus Rechtsliberalen und Konservativen fungiert, mit seiner restriktiven Ausländerpolitik Rückenwind: In der vergangenen Woche hatte der konservative Innenminister Piet Hein Donner eine neue Leitlinie zur Integrationspolitik vorgestellt. Danach sollen Migranten aus fremden Kultur- und Religionskreisen sich ohne staatliche Hilfe um die Integration bemühen. Einbürgerungskurse sind danach Pflicht, müssen aber aus eigener Tasche bezahlt werden. Wer die Integrationsprüfung nicht schafft, verliert die Aufenthaltsgenehmigung.

Für den sozialdemokratischen Oppositionsführer, Job Cohen, ist dieser Kurswechsel in der Integrationspolitik ein "historischer Fehler". Migranten nach dem Motto "Passt euch an oder verschwindet" sich selbst zu überlassen, werde sich rächen. "Dafür bekommen wir in ein paar Jahren die Rechnung präsentiert", so Cohen. Und für den Göttinger Politikwissenschaftler Andreas Wagner ist die Tatsache, dass schon jetzt bis zu 40 Prozent der 15- bis 24-Jährigen mit Migrationshintergrund arbeitslos sind, ein "erschreckender Befund".

Autorin: Sabine Faber (mit dpa, dapd)

Redaktion: Arnd Riekmann