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Eine Erfolgsstory

27. Oktober 2011

Aus Griechenland kommen täglich neue Hiobsbotschaften. Die Wirtschaft schrumpft, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Gute Nachrichten gehen unter. Dennoch gibt es sie.

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Ein Fahrradkurier (Foto: Rigoutsou)
Lebensmüde ist er nicht, aber mutig: Fahrradkuriere in der Autostadt AthenBild: DW/Maria Rigoutsou

Ein neuer Auftrag ist gerade bei Bondex Couriers eingetroffen. Der 34-jährige Charis muss gleich ein Paket von dem Athener Stadtteil Marousi nach Agia Paraskevi transportieren. In 40 Minuten wird er beim Kunden sein. Was zählt ist Schnelligkeit, vor allem aber Pünktlichkeit.

Bondex Couriers ist die erste Fahrradkurierfirma in Griechenland mit Sitz in Athen. Charis hat sie vor einem Jahr zusammen mit vier Freunden gegründet. Das Kleinunternehmen ist eine von 11.000 griechischen Firmen-Neugründungen im letzten Jahr. Es sind meist junge Menschen, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen, um der Krise zu entkommen.

Vom Hobby zum Beruf

Wohnung - Sitz des Unternehmens (Foto: Rigoutsou)
Unternehmenssitz von Bondex Couriers in Athen, Stadtteil DaphniBild: DW/Maria Rigoutsou

Bondex Couriers befindet sich in Daphni, ein Stadtteil nicht weit vom Athener Zentrum. Ein einfaches Appartement und fünf Fahrräder, das ist die Ausstattung des Unternehmens der fünf jungen Leute: Neben Charis sind der 23-jährige Sportlehrer Michalis, der 19-jährige Kunststudent Nikolas, der 19-jährige Andreas sowie der 24-jährige ehemalige Graphikdesignstudent Kristian dabei.

Sie haben sich mitten in der Finanzkrise entschlossen, ihr Hobby zum Beruf zu machen: "Ich glaube, dass die Entscheidung vor einem Jahr richtig war", sagt Kristian. Er fügt hinzu, dass ihre Erwartungen an das neue Unternehmen sehr hoch gewesen seien, das Geschäft momentan aber schlechter laufe als erhofft. Deshalb werde er jedoch nicht aufgeben: "Es braucht Zeit, bis die Leute mehr über uns erfahren."

Fahrradkurier in der griechischen Hauptstadt, das klingt ein wenig abwegig. In Athen gehören Fahrräder nicht unbedingt zum Straßenbild. Fahrrad fahren ist dort außerdem ziemlich gefährlich. Es gibt kaum Fahrradwege.

Wegen der Finanzkrise und des hohen Benzinpreises, der 1,80 Euro oft überschreitet, haben viele Griechen die Vorzüge des Fahrrads aber mittlerweile schätzen gelernt. Und so wird es immer häufiger als Paket- oder Briefkurier nachgefragt. "Wir haben große internationale Firmen unter unseren Kunden, Privatleute, kleine Architekturbüros, Kanzleien, Graphikdesignstudios", erzählt Charis.

Mal weniger, mal mehr Aufträge

Charis und Kristian vom Fahrradcourier (Foto: Rigoutsou)
Firmengründer Charis (l.) und KristianBild: DW/Maria Rigoutsou

Die fünf jungen Leute arbeiten von neun bis 18 Uhr, von Montag bis Freitag. Samstags nehmen sie keine neuen Aufträge an, sondern liefern nur aus. Jeder der Fahrradkuriere fährt durchschnittlich 50 bis 60 Kilometer pro Tag. Es gab aber schon Tage, an denen sie keinen einzigen Kilometer gefahren sind und wieder andere, an denen jeder fast 80 Kilometer quer durch Athen strampelte, um Pakete oder Briefe auszuliefern.

Dabei hätten sie nicht nur einfache Briefe transportiert, sagt Kristian. Es habe auch ungewöhnliche Touren gegeben: "Ich habe heute eine Bettdecke transportiert. Ich habe auch schon Morgenmäntel, Kopfkissen oder einen Blumenstrauß für einen Heiratsantrag überbracht."

Wer in Griechenland derzeit eine eigene Existenz gründet, der muss schon mutig sein. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, Entlassungen stehen an. Die meisten jungen Leute, die qualifiziert sind, wollen ins Ausland.

Bei Kristian war es anders. Seine Mutter ist Engländerin. Kristian hat in London studiert. Trotz all der Schwierigkeiten in Griechenland, sagt er, habe er in seine Heimat zurückkommen wollen: "Es sind die kleinen Dinge, wie das gute Wetter, die Strände, die Berge, die Landschaft, die mich anziehen. Aber auch die griechische Kultur." Und dann fügt Kristian hinzu, er habe Angst um die wirtschaftliche Zukunft seines Landes.

Autorin: Maria Rigoutsou
Redaktion: Monika Lohmüller