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Freiburger Doping-Kommission aufgelöst

1. März 2016

Eigentlich sollte die zweifelhafte Rolle ehemaliger Sportmediziner der Universität Freiburg beim organisierten Doping im deutschen Sport geklärt werden. Doch nun löst sich die zuständige Kommission auf - aus Protest.

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Logo des Sportmedizinischen Untersuchungszentrums der Universitätsklinik in Freiburg (Foto: picture-alliance/dpa/R. Haid)
Bild: picture-alliance/dpa/R. Haid

Eines der wichtigsten Projekte des deutschen Sports seit der Wiedervereinigung endet im Chaos: Die Kommission, die die schmutzige Doping-Vergangenheit der Freiburger Universität aufarbeiten sollte, hat sich am Dienstag wegen angeblich fortlaufender Behinderung durch ihren Auftraggeber aufgelöst. Fünf der sechs Mitglieder der Gruppe gaben am Dienstagnachmittag ihren Rücktritt bekannt. Lediglich die Kommissionsvorsitzende Letizia Paoli gehörte nicht zu den Unterzeichnern einer entsprechenden Mitteilung.

Die Mitglieder der Kommission protestieren damit gegen die angebliche Einschränkung ihrer Unabhängigkeit durch den Rektor der Universität, Hans-Jochen Schiewer. Immer wieder hatten die Kommissions-Mitglieder massive Behinderungen durch die Uni Freiburg beklagt. Diese hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen. In der Nacht von Montag auf Dienstag hatte die Universitätsführung um Mitternacht ein Ultimatum der Kommission verstreichen lassen - als Reaktion erfolgte nun die Auflösung. Rektor Schiewer bedaurte in einem offenen Brief, dass seine beiden Gesprächsangebote der letzten Woche nicht angenommen worden seien. Der Rektor bezeichnete es als inakzeptabel, über die Presse von der Auflösung zu erfahren.

Die Kommission war 2007 mit dem Ziel ins Leben gerufen worden, die Geschichte der skandalumwitterten Freiburger Sportmedizin unter ihren ehemaligen Professoren Joseph Keul und Armin Klümper zu untersuchen. Die Kommission bestand aus sechs führenden Anti-Doping-Experten: Letizia Paoli, Hans Hoppeler, Perikles Simon, Gerhard Treutlein, Hellmut Mahler und Fritz Sörgel. Paoli hatte wiederholt betont: "Freiburg war zweifellos das westdeutsche Doping-Zentrum." So sollen Freiburger Sportärzte unter anderem die Radprofis des früheren Teams Telekom/T-Mobile über Jahre systematisch gedopt haben.

Universität erhält Abschlussdokument

"Den Rückzug der Kommission kann man auch gerne als symbolischen Akt interpretieren. Durch die als fortlaufend empfundene Verhinderungspolitik der Universitätsspitze wird es keinen ordentlichen Schlussstrich unter einem der wichtigsten Projekte der jüngeren deutschen Sportvergangenheit geben. Man muss sich also fragen, warum offensichtlich nicht das ganze Maß an die Öffentlichkeit soll", sagte Kommissionsmitglied Fritz Sörgel dem Sport-Informationsdienst (SID).

Sörgel ergänzte, dass die Universität trotz der vorzeitigen Auflösung ein Abschlussdokument erhalten werde. "Wie sie damit umgeht, will sie selbst entscheiden. Was dieses Dokument wert ist, wird man sehen. Es ist unvollendet und in der Hand der Universität. Es steht noch nicht mal fest, was damit geschieht. Wird geschwärzt? Wir lassen uns nicht zu Lieferanten von Textbausteinen machen, die beliebig und zugunsten der Universität zusammengesetzt werden. Die Wahrheit, wie sie sich uns darstellt, das war unsere Aufgabe", sagte Sörgel.

Deutschland Nürnberg Doping-Experte Fritz Sörgel (Foto: picture-alliance/dpa/D. Karmann)
Pharmakologe und Doping-Experte Fritz SörgelBild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) bedauerte den Rückzug der Freiburger Doping-Kommission. "Es ist sehr bedauerlich, dass die Uniklinik und die Kommission nicht zusammengefunden haben, um die Doping-Vergangenheit der Freiburger Uniklinik endgültig aufzuklären", sagte der DOSB-Vorstandsvorsitzende Michael Vesper dem SID: "Es ist eine verpasste Gelegenheit, sich auch nachhaltig mit der Vergangenheit im Westen auseinanderzusetzen."

asz/jw (sid, dpa)