Gelebte Frauenrechte
25. November 2009"Es gibt eine tiefe Kluft zwischen offiziellen Frauenrechten und gelebten Frauenrechten", sagt Iman Mandour von Femnet, dem "African Women´s Development and Communicator Network" in Ägypten. Doch viele Frauen in den arabischen Ländern kämpfen dafür, dass die Reformen weiter gehen. Hier soll es um einige von ihnen gehen. Um Frauen, die es geschafft haben, sich zu emanzipieren. Sie sind Anwältinnen, Wissenschaftlerinnen, politisch interessiert. Sie machen sich stark für andere Frauen.
"Ich bin eine militante Frauenrechtsaktivistin"
Die Juristin Malika Benradi bezeichnet sich selbst als "militante Frauenrechtsaktivistin" in ihrem eigenen Land Marokko. Sie schmunzelt siegessicher. Viel sei ja schon erreicht. Für sie sind Rechtsreformen die wichtigste Voraussetzung für einen Wandel. Das Ziel von Gesetzen sei es schließlich, das gesellschaftliche Verhalten zu ändern. "Noch vor wenigen Jahren", so erzählt sie, "konnte ein Mädchen schon mit 14 Jahren verheiratet werden. Jetzt schreibt das aktuelle marokkanische Recht vor, dass sie mindestens 18 sein muss." Heutzutage würden Eltern dies auch respektieren und tatsächlich warten, bis ihre Tochter Achtzehn ist. "Denn der Richter wird dies überprüfen".
Als Mitglied der nationalen Kommission zur Strafrechtsreform setzte Malika Benradi in Marokko eine Reihe von Gesetzesänderungen in Frauenrechtsfragen durch. Auch in Ägypten erfolgten bereits 2000 wichtige Gesetzesänderungen, etwa zum Scheidungsrecht, zum Erbrecht oder zum Mindestalter bei der Heirat. In einigen arabischen Ländern ist dieses Mindestalter immer noch nicht festgelegt und in vielen Ländern ist Polygamie erlaubt. Marokko und Ägypten zählen beim Thema Frauenrechte zu den fortschrittlichen Ländern. Doch auch hier müssen Frauen noch immer vor Gericht erklären, warum sie sich von ihrem Mann scheiden lassen wollen. Der Mann hingegen kann sie ohne Grund verstoßen.
Viele Frauen haben nicht einmal eine Geburtsurkunde
Allerdings nützen auch fortschrittliche Gesetze nichts, wenn Frauen ihre Rechte nicht kennen. "Wenn sie nicht lesen oder schreiben können, wie sollen sie sich informieren", fragt Iman Mandour, die auch in einer Rechtsberatungsstelle für Frauen in Ägypten arbeitet. Vor allem in ländlichen Regionen seien sie oft vollkommen abhängig von ihrem Ehemann, Vater oder Bruder.
Man müsse deswegen in die Lebenswirklichkeit der Frauen eindringen, stimmt Maha Siada zu. Den meisten seien Gesetze schließlich fremd. Siada selbst wuchs in Damaskus auf, wurde von klein auf von ihren Eltern gefördert, konnte studieren. Heute ist sie zuständig für Frauenprojekte bei der UNDP, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen. Sie weiß, wie wichtig die Unterstützung religiöser Führer ist. "Ihnen hören die Menschen zu, besonders wenn sie Freitags in der Moschee predigen."
Man muss die religiösen Führer mit ins Boot holen
Die Mitarbeiter des UNDP versuchen deswegen bewusst, progressive religiöse Kräfte zu stärken, die eine Neuinterpretation der Schari´a zulassen. Sie sprechen mit Stammesführern in ländlichen Regionen, mit Lehrern, mit Vätern. Nur wenn man es schaffe, diese von einer schrittweise Emanzipation zu überzeugen, könnte sich auch etwas für weniger gebildete Frauen ändern.
Wenn man die Armut nicht beseitige, sei man jedoch machtlos, davon ist auch Mariz Tadroz vom Institut für Development Studies der University of Sussex in England überzeugt. Frauenrechte hingen eng mit den wirtschaftlichen Bedingungen der Heimatländer zusammen. Fortschritte bei den Rechten der Frauen könne es deswegen nur dann geben, wenn sich auch die Länder wirtschaftlich entwickelten.
Autorin: Sarah Judith Hofmann
Redakteurin: Silke Ballweg