1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Französisch? No, thanks!

Christoph Hasselbach27. Februar 2009

In unserer Rubrik "Mail aus..." berichten unsere Korrespondenten über Geschichten und ganz persönliche Beobachtungen aus ihrem Alltag im Gastland. Diese Woche schreibt uns Christoph Hasselbach aus Brüssel.

https://p.dw.com/p/H2Y1
Christoph Hasselbach Deutsche Welle
Christoph Hasselbach Deutsche WelleBild: DW

Als ich in den 70er-Jahren zum Gymnasium ging, hatten wir zu Beginn des siebten Schuljahres die Wahl: Französisch oder Latein. Viele Lehrer warben für das Französische als Sprache der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, wie sie damals hieß, und damit als Sprache, um die man im künftigen Europa kaum herumkäme.

Weniger Französisch durch Osterweiterung der EU

Tatsächlich dominierten die Franzosen und mit ihnen ihre Sprache die damalige EWG. Die entscheidenden Institutionen befanden – und befinden sich nach wie vor – in französischsprachigen Städten.

Und heute? Offiziell hält man die französische Sprachenfahne hoch, doch in der Praxis hat sich das Englische durchgesetzt. Das hängt wohl vor allem mit der Osterweiterung der EU und dem relativen Bedeutungsverlust der französischsprachigen Länder zusammen.

And the winner is …

Die Osterweiterung hätte übrigens eigentlich das Deutsche stärken müssen. Zahlenmäßig sind die Deutschsprachigen ohnehin die stärkste Sprachengruppe, und in den Beitrittsländern im Osten wurde traditionell Deutsch als Fremd- oder sogar als Muttersprache gesprochen.

Französisch und Deutsch haben zwar neben dem Englischen als Arbeitssprachen einen Sonderstatus, aber beide spielen inzwischen eine untergeordnete Rolle. Im Parlament hält man an der sprachlichen Vielfalt zwar eisern fest, in den anderen Institutionen dagegen gibt es fast nur noch das Englische.

Deutsche antworten Deutschen auf Englisch

Man merkt das als Journalist in den Pressekonferenzen. Kürzlich stellte ein deutscher Kollege dem deutschen Kommissionssprecher eine Frage – auf deutsch. Naheliegend, sollte man meinen. Doch der Sprecher zeigte sich zwar bereit, nach der Pressekonferenz Fragen auf deutsch zu beantworten, in der Runde antwortete er aber auf englisch – mit dem Hinweis, die anderen sollten das ebenfalls verstehen.

Viele französische Muttersprachler, egal ob Funktionsträger oder Journalisten, entschuldigen sich mittlerweile, wenn sie französisch sprechen. Ihnen ist das frühere sprachliche Selbstbewusstsein abhanden gekommen. Die Deutschsprachigen hatten es sowieso nie.

Kulturelle Verarmung und Faulheit

Natürlich ist das Englische sehr praktisch, weil sich Menschen aus ganz unterschiedlichen Ländern damit am besten verständigen können. Auch für mich selbst ist das bequemer, weil mein Englisch viel besser als mein Französisch ist. Trotzdem gefällt mir diese Nivellierung nicht. Sie bedeutet kulturelle Verarmung und macht faul.

Ich fürchte, die Entwicklung lässt sich nicht aufhalten. Doch als kleiner Trost mag ein snobistischer Spruch dienen, der einem Mitglied der "Académie Francaise" zugeschrieben wird: "Englisch zu sprechen ist eine Notwendigkeit, französisch zu sprechen ist ein Privileg."