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Frankreichs Sprachritter

Annika Schipke26. März 2004

Frankreich ist stolz auf seine Sprache und gründete deshalb 1635 eine Einrichtung zu ihrer Pflege - die Académie française. Jetzt hat das einzigartige Eliteinstitut ein neues Mitglied gewählt, ein Platz ist noch frei.

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Sie wachen über den Glanz der französischen KulturBild: dpa

Die älteste Kulturakademie Europas widmet sich ausschließlich der französischen Sprache und Literatur. Seit der Gründung des Instituts durch Kardinal Richelieu ist das größte Projekt ein Wörterbuch, das prestigeträchtige "Dictionnaire de l'Académie française", das die Sprache vollständig katalogisieren soll. Die erste Ausgabe aus dem Jahr 1694 erfasste 18.000 Wörter. In der aktuellen neunten Auflage soll der Umfang nun auf 60.000 Wörter steigen.

Rettung der Muttersprache

Doch die Arbeiten ziehen sich in die Länge: Die ersten zwei Bände des neunten "Dictionnaire" wurden bereits 1992 und 2000 veröffentlicht. Gegenwärtig reicht der amtliche französische Wortschatz also nur bis Buchstabe M. Dabei fanden auch Wörter aus Fremdsprachen Eingang in das Dictionnaire - sofern sie sich im "guten Gebrauch des Französischen" durchsetzen konnten, betont Laurent Personne, Mitarbeiter des Ständigen Sekretariats, das die Arbeit der Académie française lenkt. Jetzt darf man auch in Frankreich offiziell "Bretzel", "Knödel" und "Hamburger" essen.

Solche Ausnahmen sind allerdings gezählt. Denn die obersten Sprachhüter Frankreichs wollen vor allem den übermächtigen Einfluss des Englischen mindern. Gemeinsam mit einer Regierungskommission werden Übersetzungen für impotierte Vokabeln gesucht, die sich im deutschen Sprachgebrauch längst etabliert haben. Deshalb heißt der französische Computer "ordinateur", die Software "logiciel" und eine Email wird als "message éléctronique", kurz "mél.", empfangen. Damit entspreche man lediglich dem natürlichen Geist der Sprache, begründet Laurent Personne die Vorgaben.

Würdige Autorität

Und die Worte des Instituts sind verpflichtend: "Was die Académie française sagt, hat Gewicht in Frankreich - ganz im Gegensatz zu den deutschen Akademien, die lediglich Empfehlungen für die Sprache äußern können", bestätigt Michael Assmann von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Die Entscheidungsgewalt über die Zukunft der französischen Sprache haben also die 40 Mitglieder der Akademie, die sich mit dem Titel "die Unsterblichen" ("Les Immortels") schmücken dürfen. Sie sind Vertreter aus Literatur, Kunst, Theater, Wissenschaft und der Kirche. Ihre Mitgliedschaft gilt auf Lebenszeit, erst nach dem Tod eines Mitglieds können neue Bewerber kandidieren.

Nur einer von zwei Kandidaten wurde aufgenommen

Der Erfolgsautor Alain Robbe-Grillet ist am 25. März 2004 als Nachfolger Maurice Rheims' in die Académie française gewählt worden. Allein seine Bewerbung überraschte die Sprachwelt, da Robbe-Grillet in seinem Schaffen mit dem traditionellen Literaturbegriff eher brach, als ihn im Sinne der Académie française zu fördern.

Die Institution folgt damit einem Trend, der sich in den letzten Jahren bereits abgezeichnet hat: Es strebt wieder mehr kulturelle Prominenz in die Akademie, um berühmten Vorgängern wie Voltaire, Corneille oder Victor Hugo nachzueifern. So erhielt zuletzt der frühere Präsident Frankreichs Giscard d'Estaing einen der begehrten Sitze.

Der 81-jährige Robbe-Grillet ist Mitbegründer und Hauptvertreter der literarischen Richtung des Nouveau Romans. Er veröffentlichte 1953 sein Erstlingswerk "Ein Tag zu viel". "Die blaue Villa in Hongkong", "Projekt für eine Revolution in New York" und "Ansichten einer Geisterstadt" sind Publikumserfolge, die in 20 Sprachen übersetzt wurden.

Männer an der Macht

Drei Frauen standen zur Wahl, darunter die Schriftstellerinnen Dominique Bona und Paule Constant, Preisträgerin des Prix Goncourt, des wichtigsten Literaturpreises Frankreichs. aber sie konnten offenbar nicht überzeugen. Die Frauen sind ohnehin mit nur drei Sitzen im elitären Kreis deutlich in der Unterzahl.

Doch die Weiblichkeit kämpft auch in sprachlicher Hinsicht weiterhin um Aufmerksamkeit. Nach wie vor lehnt die Académie française die Feminisierung der französischen Sprache ab. Es sei unnötig, bei offiziellen Titeln oder in der Anrede eine weibliche Form hinzuzufügen. Eine umstrittene Regel, denn die Leitung der Akademie ist seit 1999 mit Hélène Carrère d'Encausse in den Händen einer Frau. Gleichberechtigung bleibt in der Sprachrepublik offenbar ein Fremdwort.