1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Mit 39 Jahren an Frankreichs Spitze

7. Mai 2017

Mit 39 Jahren erobert Emmanuel Macron den Élysée-Palast. Das ist Rekord. Die erstaunliche Karriere des smarten Bankers ändert das politische System in Frankreich. Bernd Riegert aus Paris.

https://p.dw.com/p/2cXDi
Großbritannien Emmanuel Macron in London
Bild: Reuters/T. Melville

Er sei zielstrebig und immer schon ein bisschen erwachsener gewesen als sein Lebensalter vermuten lasse, haben Kommilitonen an der Eliteunversität ENA über Emmanuel Macron einmal gesagt. Mit 15 Jahren hat er bereits die Frau seines Lebens lieben gelernt, die 24 Jahre älter ist als er. Mit 27 hat er zwei Studienabschlüsse und einen guten Posten in der öffentlichen Finanzverwaltung in der Tasche. Mit 29 heiratet er seine ehemalige Lateinlehrerin. Mit 31 Jahren arbeitet er im renommierten Bankhaus Rothschild, wurde Partner des einflussreichen Bankhauses und hatte mit Mitte 30 Millionen verdient. Eine glänzende Karriere. Er wirkt smart, aber doch irgendwie spießig. Keine Eskapaden, alles normal.

Ganz nach oben

Doch das reichte dem jungen Mann aus gutem Hause nicht. Der studierte Philosoph und Verwaltungswirt strebte in die Politik. Durch einen väterlichen Förderer, den eher linken Präsidentenberater Jacques Attali, bekam Macron Kontakt zu den Führungszirkeln der Sozialistischen Partei und schließlich zum späteren französischen Präsidenten François Hollande. Als erfolgreicher Banker stieg Emmanuel Macron zunächst zum Wirtschaftsberater Hollandes auf. Von 2014 bis 2016 war er dessen Wirtschaftsminister. Die Mitgliedschaft bei den Sozialisten war für Macron nur Formsache, einen Wahlkampf musste er nie durchstehen. Bis heute hat er kein Wahlamt bekleidet. Wirklich klassische politische Erfahrung hat er nur wenig.

"Vorwärts!"

Im Sommer 2016 kam er nach einem Streit in der Regierung der Entlassung durch Präsident Hollande mit einem Rücktritt zuvor. Sein Gönner ließ ihn fallen. Trotzdem gelingt es Macron, Menschen zu motivieren, zu begeistern. Vor einem Jahr erst gründete er eine Bewegung, keine Partei, die seine Initialen zum Namen hat: E und M. "En Marche!" (dt. "Vorwärts") ist eher unspezifisch und stand lange Zeit für kein konkretes Programm. Die über 130.000 Mitglieder dieser Bewegung machten für den jungen Hoffnungsträger Wahlkampf, trugen ihn in den Élysée-Palast in Paris.

Viel Glück im Spiel

Dabei hat Emmanuel Macron mächtig Glück gehabt. Bei der Mehrheit der Franzosen war er nicht sonderlich beliebt, weil seine Reformgesetze als Wirtschaftsminister heftigen Widerstand der linken Gewerkschaften auslösten. Es wurde bekannt, dass er Steuern nachzahlen musste. Mit Sprüchen wie "Frankreich braucht mehr junge Leute, die Milliardäre werden wollen" oder "Wer viel arbeitet, kann sich eher einen Anzug leisten" sorgte er nicht nur für Sympathie. Nur weil der konservative Präsidentschaftskandidat François Fillon im Frühjahr über einen Skandal um die angebliche Scheinbeschäftigung von Verwandten mit Steuergeldern stolperte, hatte der Außenseiter Emmanuel Macron eine Chance in die Stichwahl ums Präsidentenamt zu gelangen.

Vor die Wahl gestellt, die Rechtspopulistin Marine Le Pen zum Staatsoberhaupt zu wählen oder ihn zu nehmen, votierten auch viele einstige politische Gegner für Macron. Der fotogene, schlanke, stets im dunklen Anzug auftretende Macron ist der Anti-Le-Pen. Die bunten Blätter in Frankreich lieben ihn. Fotos, wie er die Enkel seiner Frau Brigitte füttert, lösten bei den Leserinnen und Lesern entzücken aus.

Totaler Wechsel

"Das ist ein totaler Generationswechsel in Frankreich. Alle Alten sind weg. Sarkozy, Juppé, Hollande sind weg. Plötzlich ist freies Feld für einen ganz Jungen", sagte der 92 Jahre alte Publizist Alfred Grosser über Macron in einem DW-Interview. Für Grosser ist Macron die Fleisch gewordene "Große Koalition", ein Mann der Mitte, der Ideen von links und rechts nimmt. Das sei es, was die zerstrittene französische Gesellschaft jetzt brauche, meint Alfred Grosser, der seit vielen Jahrzehnten französische Politik analysiert.

Angriffe im Wahlkampf, die auch auf Gerüchten und "fakenews" beruhten, die im Internet gestreut wurden, prallten an Macron ab. Das Gerücht zum Beispiel, er sei homosexuell und lebe heimlich mit dem Präsidenten von Radio France zusammen, nahm Macron bei einer Wahlkampfveranstaltung selbst aufs Korn und machte sich über die sozialen Medien lustig. Das französische schwule Magazin "Garçon" brachte Macron daraufhin auf der Titelseite, mit durchtrainiertem freiem Oberkörper, in einer Fotomontage. "Garçon" fragte, ob der jüngste Präsident Frankreichs auch der Präsident der Herzen werden könnte.

Frankreich Präsidentschaftswahl 2017 | Emmanuel Macron & Ehefrau Brigitte Trogneux
Politik und Leidenschaft: Brigitte Trogneux berät ihren Mann Bild: picture-alliance/abaca/H. Szwarc

Nur Napoleon war jünger

Emmanuel Macron sagt von sich selbst, er sei bescheiden geblieben und habe keine großen Ansprüche. Allerdings "schätze ich meine Unabhängigkeit", meinte der Millionär in einem Interview. Er setzt sich für die Europäische Union ein, will ein gutes Verhältnis zu Deutschland, offene Grenzen, hält Flüchtlinge für "starke Menschen" und setzt sich für die Globalisierung ein. Er war der einzige Kandidat, der solche Aussagen machte. Wird er ihnen als Präsident im Élysée Taten folgen lassen?

Die Franzosen sind auch gespannt auf die Frau an seiner Seite. Bisher waren sie Affären ihrer Präsidenten gewöhnt. Emmanuel und Brigitte scheinen ein ideales Paar zu sein, ohne Skandale. Noch immer lehrt die ehemalige Lehrerin, die auch Macrons Theater-AG leitete, wie man sich auf der Bühne verhalten sollte. Bei den Proben zu seinen Wahlkampfauftritten war sie stets dabei und gab Hinweise, wann er laut sprechen, nach links oder rechts schauen sollte. Brigitte, so spekulierten die Zeitungen in Paris, werde das inoffizielle Amt der "First Lady" neu auslegen. Emmanuel Macron ist der jüngste französische Präsident seit der Französischen Revolution, außer Napoleon. Der wurde 1804 mit 35 Jahren allerdings nicht Präsident, sondern Kaiser von Frankreich.

 

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union