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Matratzenforschung

Frank Hajasch3. Dezember 2014

Gut 30 Prozent seines Lebens verschläft der Mensch - immerhin 25 Jahre! Da kann es nicht egal sein, worauf man liegt. Kieler Forscher untersuchen deshalb, wie die individuell passende Matratze aussehen könnte.

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Ein Mann liegt im Matratzen-Testlabor der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel auf einem Testbett (Foto: Frank Hajasch/DW)
Guten Schlaf gibt es nur mit einer geraden WirbelsäuleBild: DW/F. Hajasch

Es ist ein ganzer Stapel an Matratzen, der auf dem Hof der Forschungsgruppe "Industrieanthropologie" abgeladen wurde. Wie fast jede Woche kommt dafür ein LKW nach Kiel. Seine Fracht: in Folie eingeschweißte, frisch produzierte Schlafunterlagen aus fast allen Ländern. "Was jetzt ansteht, heiß bei uns 'vergleichende Warenprüfung'", sagt Testleiter Norbert Vogt. "Und da spielt es keine Rolle, wie die Matratzen beschaffen sind: Unsere Kunden sitzen wirklich in der ganzen Welt!"

Eine Holzwalze knetet im Matratzen-Testlabor der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel eine Federkern-Matratze durch (Foto: DW/ Frank Hajasch)
Beim "Fatigue-Test" stellt sich heraus, wie stark sich eine Matratze unter Belastung verformtBild: DW/F. Hajasch

Zunächst aber müssen auch diese Testkandidaten ins Labor. Das befindet sich in einem unscheinbaren Flachbau auf dem Hinterhof. Schon am Eingang geht es dort ordentlich zu Sache. Eine dicke und schwere Holzwalze knetet eine Federkernmatratze durch. Hoch und runter schiebt sich der kräftige Ausleger. Auf der Liegefläche sind deutliche Spuren zu sehen - genau dort, wo sonst ein Mensch schläft. "Das ist ein Ermüdungs- oder Fatigue-Test. Dabei wird die Walze mit einer Gewichtskraft von 1.400 Nm belastet, wobei sie 30.000 Mal hin und her rollt", erklärt Mitarbeiter Ephraim Groß. Dieser Test ist in Deutschland durch die Norm DIN EN 1957 festgelegt. Er bestimmt, wie stark der Höhenverlust durch Dauerbelastung ist.

Erste Untersuchungen im Testlabor

Zur eigentlichen Forschung an der optimalen Matratze geht es in den Raum dahinter. Bevor getestet wird, ob eine Person zu einer bestimmten Matratzen passt, wird deren Wirbelsäulen-Ausformung und Krümmung - die sogenannte Kurvatur - bestimmt. "Wir benutzen dafür ein Kypholordosometer", sagt Groß. "Mit diesem Gerät können wir die gesamte Wirbelsäule erfassen - vom Kopf über den Halsbereich, zur sogenannten Brustkyphose und der Lendenlordose bis hin zum Steißbein!"

Dieses Gerät sieht allerdings martialisch aus: An einem stabilen Gestell befinden sich viele kleine Metallstifte. Die werden an die Wirbelsäule der Testperson heran geschoben, so dass sich deren Silhouette abzeichnet. "Das Bild der Kurvatur wird dann von uns fotografiert und metrisch ausgewertet", sagt Laborleiter Norbert Vogt. "Wir können aber schon hier sagen, wie die Strecken- und Winkelverhältnisse an einer Wirbelsäule sind."

Matratzen-Testlabor der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Kypholordosometer II
Mit dem Kypholordosometer wird die Wirbelsäure vermessenBild: DW/F. Hajasch

Auf dem Test-Bett wird die Einsinktiefe bestimmt

Was im Stehen vermessen wurde, soll mit der liegenden Wirbelsäule verglichen werden. Dafür wird ein Mess-Bett eingerichtet: Auf ein Hochgestell packen die Industrieanthropologen eine der neuen Matratzen. Von unten werden Sensoren durchgesteckt, die verkabelt und mit einem Rechner verbunden sind. "Die Sensoren schieben wir bis an die Matratzenoberfläche heran. Wenn sich jemand drauf legt und dagegen drückt, verformt sich die Oberfläche. Und die Tiefe des Einsinkens messen wir!"

Die mechanische Verformung wird auf dem Monitor als Kurve angezeigt. Eine rote Linie zeigt die Wirbelsäule im Stehen, eine blaue den Verlauf im Liegen. Schnell wird klar, wer an welchen Stellen einsinkt - wo es Abweichungen gibt! "So können wir prima sehen, dass unsere Testperson heute im Bereich des Beckens besonders eintaucht", sagt Ephraim Groß. "Idealerweise sollte sie also eine Matratze wählen, die genau dort etwas härter eingestellt ist - eine härtere Zone hat, wie wir sagen!"

Matratzen-Testlabor der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Mess Sonden
Sensoren erkennen den Druck, der auf der Matratze lastet.Bild: DW/F. Hajasch

Bis zu 300 Sensoren können Norbert Vogt und sein Team im Test anschließen. "Wir sprechen hier in der Regel von Zonenmatratzen. Allerdings findet man in den untersten Preiskategorien nur wenig davon. Trotzdem ist es unser Ziel, die Zonen so einzustellen, dass sie individuellen Bedürfnissen entsprechen."

Ein Test für fast jeden Matratzentyp

Diese Verformungsmessungen lassen sich an allen Matratzen durchführen. Auch mit Futons aus Japan und China haben die Kieler Wissenschaftler kein Problem. Dafür haben sie sich sogar eine Kältekammer gebaut. Bei speziellen Naturmaterialien müsse man einfach das Klima berücksichtigen, sagt Vogt. Und dann gibt es doch zwei Ausnahmen: "Wasserbetten und Luftmatratzen! Da verbietet es sich zu testen. Die würden natürlich platzen!"

Selbst die kompakten Boxspringbetten - also Möbel, bei denen Bett und Matratze eins sind - werden in Kiel getestet. Die aber kommen nur als Gesamtpaket ins Labor. Nur so würden sie auch benutzt, erklärt Norbert Vogt. Allerdings schläft man auf solchen Möbeln meistens dann doch nicht so gut, wie in einem richtigen Bett: "Es scheint aber für die Hersteller doch schwierig zu sein, die drei Komponenten - Box, Matratze und Topper - so einzustellen, dass alle Eigenschaften optimal sind", sagt er.

Einfache Technik, aber robust und zuverlässig

Was im Kieler Testlabor an Technik verwendet wird, sieht nicht spektakulär aus. Wer an moderne Forschung denkt, erwartet irgendwie immer Hightech. Trotzdem ist das Mess-Bett weltweit einmalig. "Soweit ich weiß, gibt es das nur bei uns! Und wegen der relativ einfachen Technik geht eigentlich auch nie was kaputt", lacht der Industrieanthropologe Norbert Vogt.