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Forschen für die Commons

3. Juli 2012

In Berlin forschen seit Kurzem Wissenschaftler am Zusammenhang von Gemeingütern und Klimawandel. Das Institut trägt den Namen des Universalgelehrten und Kartografen Gerhard Mercator.

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Porträtfoto von Lars Grotewold, Leiter des Themencluster Klimawandel bei der Stiftung Mercator
Lars Grotewold: „Das Wachstumsmodell des 21. Jahrhunderts wird durch die Gemeingüter geprägt sein.“Bild: David Ausserhofer/Stiftung Mercator

Ende 2011 haben die Stiftung Mercator und das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in Berlin ein neues Forschungsinstitut für nachhaltiges Wachstum in einer begrenzten Welt gegründet: das „Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change“ (MCC). Lars Grotewold, Leiter des Themencluster Klimawandel bei der Stiftung Mercator, begleitet die Gründung des Instituts.

Global Ideas: Der Name des neu gegründeten „Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change“ führt explizit den Begriff der „Commons“ im Namen. Warum werden die Gemeingüter explizit herausgestellt?

Lars Grotewold: Die Bewältigung der großen Herausforderungen unserer Zeit wird ganz entscheidend davon abhängen, ob es uns gelingt, internationale Regulierungen für die globalen Gemeinschaftsgüter zu finden. Gerade für die Atmosphäre brauchen wir eine globale Governance, die es in dieser Form bislang nicht gibt. Denn die Übernutzung dieses Gemeingutes wird uns in absehbarer Zeit ganz klar an die Grenzen des Verkraftbaren bringen.

Mit welchen „Commons“ außer der Atmosphäre wird sich das MCC befassen?

Zentral sind alle die Commons, die für das Thema Klimawandel besonders wichtig sind: die Atmosphäre, die Böden, die Wälder, Wasser und Ozeane. Das Wachstumsmodell des 21. Jahrhunderts wird ganz entscheidend durch diese globalen und lokalen Gemeingüter geprägt sein. Es wird uns nur gelingen, sie nachhaltig zu nutzen, wenn es zu einem tiefgreifenden Transformationsprozess kommt.

Welchen Stellenwert hat die von Elinor Ostrom ins Leben gerufene Commons-Debatte für die Klimawissenschaft?

Ostroms Analysen sind grundsätzlich für jede Art der Commons-Debatte nützlich. Die Prinzipien gemeinschaftlichen Handelns, die sie auf der lokalen Ebene herausgearbeitet hat, müssen nun auch für die globale Ebene untersucht werden. Das lässt sich sicher nicht 1:1 übersetzen, weil die globale Ebene ungleich komplexer ist. Das MCC wird sich aber sowohl um die lokale als auch um die internationale Ebene kümmern. Wir müssen ja auch neue Kooperationsformen zwischen den unterschiedlichen Politikebenen finden.

Welche Lücke in der Wissenschaftslandschaft soll das MCC konkret füllen?

Das Institut wird aus zwei Gründen gebraucht. Der eine Grund ist ein inhaltlicher: Es gibt bisher weder in Europa noch international ein Institut, das Wirtschaftswachstum, Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung vom Denkansatz der Global Commons her in einem integrierten Kontext erforscht. Integriert heißt, dass man über unterschiedliche Sektoren wie Energie, Landnutzung oder Verkehr hinweg nach Lösungen sucht.

Der zweite Grund hat mit der Art der wissenschaftlichen Politikberatung zu tun: Politikberatung folgt heute zumeist einem linearen Ansatz, der davon ausgeht, dass die Politik eine Frage hat, die Wissenschaft etwas sagt und die Politik es dann umsetzt. Das ist natürlich vollkommen realitätsfern. Wir wollen stattdessen ein iteratives Modell ausprobieren. Indem wir mit der Politik und anderen Akteuren über die Forschungsergebnisse in den Dialog gehen, sollen diese einem „Realitätscheck“ unterzogen werden. Diese Ergebnisse werden in der weiteren Forschung berücksichtigt. Wir wollen einen permanenten Kreislauf von Forschung und Beratung.

Welche Forschungsfragen wird das MCC konkret bearbeiten?

Insgesamt wird es zunächst vier Forschungsgruppen geben. Forschungsgruppe 1 untersucht den Zusammenhang von Wirtschaftswachstum, Klimawandel und nachhaltiger Entwicklung in einer naturräumlichen begrenzten Welt. Hier geht es vor allem um Optionen zur Entkopplung des Wirtschaftswachstums von Treibhausgas-Ausstoß und Ressourcenverbrauch. Außerdem geht es hier auch um ein neues Paradigma des Wirtschaftens. Dass uns das Wirtschaftsmodell des 20. Jahrhunderts nicht mehr sehr weit tragen wird, ist die Grundvoraussetzung für die Arbeit des MCC.

In Forschungsgruppe 2 geht es um die Themen Ressourcen und internationaler Handel. Hier fragen wir etwa, wie ökonomische Ungleichgewichte entstehen und wie sich die internationalen Stoffströme auf die CO2-Bilanz auswirken. Forschungsgruppe 3 zum Thema Landnutzung, Infrastruktur, Transport bewegt sich eher auf der lokalen Ebene. Zentral ist hier das Thema Urbanisierung, denn im städtischen Raum stellen sich viele der entscheidenden Fragen auf engstem Raum.

Die vierte Forschungsgruppe schließlich ist mit „Governance“ überschrieben. Hier wird es um die effektive und demokratisch legitime Gestaltung von Transformationsprozessen in einer polyzentrischen Welt gehen. Welche Politikinstrumente müssen wir hier wählen? Wie kann man Kooperation zwischen unterschiedlichen politischen Ebenen herstellen?

Das Gespräch führte Eva Mahnke