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Warum aktuell keine Frau Formel 1 fährt

Melanie Last
18. März 2022

Seit mehreren Jahrzehnten ist in der Formel 1 keine Frau mehr bei einem Grand Prix gestartet. Die deutsche Rennfahrerin Sophia Flörsch wäre sofort dabei, würde man sie lassen.

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Die Fahrerinnen Sophia Flörsch (Deutschland), Tatiana Calderon (Kolumbien) und Beitske Visser (Niederlande, l.-r.) gehen in ihren Rennanzügen entlang der Box
Frauen-Trio des Langstrecken-Rennteams "Richard Mille Racing": Sophia Flörsch, Tatiana Calderon und Beitske Visser (v.l.n.r.)Bild: Germain Hazard/picture alliance/DPPI media

"Ich gebe es Ihnen schriftlich, dass ich um die Meisterschaft fahren würde, wenn man mich lässt!" Sophia Flörsch sagt das so selbstbewusst und zielsicher, dass man keinen Zweifel daran hegt. Die Rennfahrerin hat im November 2018 einen Horrorcrash beim Grand Prix der Formel 3 im chinesischen Macau überlebt und - sie ist wieder in ein Cockpit gestiegen. Sie will fahren. Um jeden Preis. Auch um den der Formel 1, die in die neuen Saison geht. Wenn man sie nur lässt.

Denn obwohl im Cockpit jeder Rennprofi egal welchen Geschlechts sitzen darf, ist der Motorsport männerdominiert. In dieser Machowelt gibt es zwar zunehmend Ingenieurinnen, Testfahrerinnen und Moderatorinnen, aber auf der Rennstrecke ist das Verhältnis klar: Frauen spielen kaum eine bis gar keine Rolle. Nur 1,5 Prozent aller weltweit lizenzierten Motorsportler sind weiblich. Und das ist systemisch, war über Jahrzehnte offensichtlich so gewollt. So wie die leicht bekleideten Grid Girls, die - längst überfällig - erst seit 2018 nicht mehr die Startaufstellung präsentieren. Eine Reaktion auf die MeToo-Debatte. Und doch stieß das Verbot auf heftige Kritik in der Motorsportwelt, weil einer lang gehegten, patriarchalischen Tradition ein Ende gesetzt wurde.

Generation "weiße Haare" will keine Pilotin

Frauen als schönes Schmückwerk, aber auf der Rennstrecke haben sie nichts zu suchen? "Es ist vermehrt die ältere Generation, die es nicht befürwortet, dass eine Frau in der Formel 1 Erfolg hat", sagt Sophia Flörsch der DW. "Es ist die Generation, die jetzt schon weiße Haare auf dem Kopf hat. Die kommen aus einer anderen Zeit. Da gibt es dieses Bild von einem harten, durchgeschwitzten, durchgekämpften Rennfahrer, der ein Mann sein muss. Das kann sich in deren Augen nicht ändern."

Zwei F3-Biliden fliegen bei einem Unfall übereinander
Trotz ihres Horrorcrashs in Macau 2018 träumt Sophia Flörsch noch immer von der Formel 1Bild: picture-alliance/AP Photo/T. Wong

Flörsch ist 2021 in der Deutschen Tourenwagen-Masters (DTM) für das Team "Abt Sportsline" gefahren. Zuvor ist sie in der europäischen und in der FIA-Formel-3-Meisterschaft gestartet. 2022 tritt sie in der European Le Mans Series an und möglicherweise auch beim legendären 24-Stunden-Rennen in Le Mans. Flörsch gehört zu den Talenten, die das Zeug dazu haben, vorne mitzumischen.

Zumindest unter den Rennfahrern habe es noch nie jemanden gegeben, der nicht daran geglaubt habe, dass sie es als Frau schaffen könne, erzählt Flörsch. Dazu aber brauche es Chancengleichheit: "Frauen müssen die gleichen Förderungen erhalten wie Männer. Wenn es Sponsoren, Firmen, Teams gibt, die an Frauen glauben, dann können wir Geschichte schreiben", sagt die 21-Jährige.

Nerviger Kreislauf

Aber vor allem Sponsoren fällt es anscheinend schwer, auf eine Frau zu setzen. Weil bislang keine Frau beweisen konnte, dass sie gewinnen kann? Das liegt nicht etwa an mangelnden Fähigkeiten, fehlender Risikobereitschaft oder schlechter Fitness. In all dem stehen Rennfahrerinnen ihren männlichen Kollegen in nichts nach. Es liegt vielmehr daran, dass es bislang keine Sponsoren gab, die den Mut hatten, an eine Frau zu glauben und sie mit dem Budget auszustatten, das sie und ihr Team für eine erfolgreiche Saison brauchen.

Das Geld macht den Unterschied - egal ob in der Formel 1 oder im Nachwuchsbereich. So brachte Sophia Flörsch für ihren Start in der Formel 3 im vergangenen Jahr 700.000 Euro mit. Das war die Hälfte von dem, was ihr Team Campos Racing insgesamt zur Verfügung hatte - zu wenig. "Dementsprechend hatte ich nie die Supererfolge. Und weil ich nicht die Supererfolge habe, fällt es mir schwerer, Sponsoren zu finden." Und dann sei sie auch noch eine Frau. "Dieser Kreislauf ist nervig."

Girls On Track

Wenn mehr Mädchen in den Nachwuchsbereich einsteigen und genauso gefördert würden wie männliche Talente, wäre es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis es wieder eine Frau in die Formel 1 schafft. Die letzte Frau, die bei einem Grand Prix im Cockpit saß, war die italienische Rennfahrerin Lella Lombardi. 45 Jahre ist das nun her.

Auch die W-Series hat daran nichts geändert - eine Rennserie ausschließlich für Frauen, die vor mehr als zwei Jahren an den Start gegangen ist. Sie soll dafür sorgen, dass Pilotinnen mehr Rennpraxis bekommen, anders als in der millionenschweren Formel 1 kostenfrei. Dass es eine Geschlechtertrennung ausgerechnet in einer Sportart gibt, in der beide Geschlechter doch eigentlich gegeneinander antreten könnten, hat für viel für Kritik gesorgt. Und tatsächlich hat es auch noch keine Siegerin dieser W-Series in die Formel 1 geschafft.

Susie Wolff l.) steht mit einer Corona-Gesichtsmaske an einem Cockpit
Die ehemalige Testfahrerin Susie Wolff ist Botschafterin der FIA-Initiative "Girls On Track"Bild: Germain Hazard/DPPI media/picture alliance

Es ist am Motorsport-Weltverband FIA, den Weg für Pilotinnen zu ebnen. Das Förderprojekt "FIA Girls On Track" (Mädchen auf der Strecke) versucht genau das seit zwei Jahren. "Wir wollen die nächste Generation junger Mädchen inspirieren", sagt die Botschafterin von "Girls On Track", Susie Wolff, die selbst Testfahrerin des Formel-1-Rennstalls Williams war. "Wir wollen dafür sorgen, dass sie durch Vorbilder und Mentoring im Sport unterstützt werden."

Eingeladen sind Mädchen und junge Frauen im Alter von acht bis 18 Jahren. "Bevor die Pandemie ausbrach, haben wir Live-Veranstaltungen organisiert, junge Schulmädchen auf die Rennbahn gebracht und ihnen die verschiedenen Bereiche [Technik, Medien, Fitness - Anm. d. Red.] des Sports gezeigt. Wegen der Pandemie ist jetzt alles virtuell. Das hat den großen Vorteil, dass wir ein riesiges globales Publikum erreichen, statt nur lokale Veranstaltungen auf Gemeindeebene zu machen", erzählt Susie Wolff in einem FIA-Interview.

Selbst im Kart sitzen und schnelle Runden drehen und bei einem freien Training der Spitzenteams den Motorsport hautnah erleben - das wird bei "Girls On Track" hoffentlich bald wieder möglich sein und mehr junge Frauen für den Motorsport begeistern.

Motorsport braucht weibliche Vorbilder

Auch Sophia Flörsch hat sehr jung angefangen. Als sie vier Jahre alt war, saß sie das erste Mal in einem Kart. Seitdem der Motorsport sie nicht mehr losgelassen. "Ich habe es mit dem Benzin", sagt die Rennfahrerin lachend. Sie unterstützt die Initiative der FIA. "So lange es nur Männer sind, die da im Kreis fahren, ist es für ein junges Mädchen schwer, sich da in einem wiederzuerkennen und zu sagen `Mama ich will auch mit dem Sport anfangen`." Deshalb brauche es Rennfahrerinnen. "Sobald es mal eine erfolgreiche Frau in der Formel 1 gibt, ist das ein Selbstläufer," ist Flörsch überzeugt.

Sie selbst träumt noch immer von der Formel 1. Auch wenn sie weiß, dass das nicht allein von ihrem Können abhängt.

Der Artikel wurde aktualisiert. Er wurde erstmals am 28.12.2021 veröffentlicht.

 

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