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59. DOK Filmfest Leipzig

4. November 2016

Türkische Protestbewegungen unterschiedlicher Couleur, eingefangen von unabhängigen Filmemachern: Der Länderfokus des Filmfestes könnte aktueller nicht sein. Gerade in diesen Tagen erscheinen viele Filme brisant.

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Resistayol Filmstill DOK Leipzig
Rüzgâr Buşki präsentiert seinen Film "#resistayol", der die LGBTI-Community in der Türkei vorstellt.Bild: Ryzgar Buski

Da hatten die Festivalmacher ein gutes Händchen. Das "59. Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm" hatte bei den Planungen für die aktuelle Ausgabe (31.10. – 6.11.) zwar die politische Situation in der Türkei im Blick, doch die Ereignisse der letzten Tagen und Wochen haben dem Länderfokus noch einmal zusätzlich Brisanz verliehen.

Die aktuelle Entwicklung hat die Festivalmacher überrascht

"Als wir uns entschieden, die Türkei als Schwerpunktland zu nehmen, hatten wir keine Ahnung, was alles in der Türkei passieren würde", sagt Festivaldirektorin Leena Pasanen zur Reihe "Schatten des Halbmondes": "Die Entwicklungen dort haben sich in einer beängstigenden Art und Weise überschlagen." Insgesamt 18 kürzere und längere Formate sind nun in Leipzig zu sehen, bemerkenswerterweise stammen alle aus der freien Szene. Die Werke seien ohne jegliche staatliche Unterstützung realisiert, sagt Grit Lemke, Leiterin des Türkei-Filmprogramms.

Deutschland Leipziger Dok-Festival Leena Pasanen
Dok-Festivalleiterin Leena PasanenBild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

Dieser Umstand zeigt, wie es um die Kultur- und Filmszene in dem derzeit von heftigen gesellschaftlichen und politischen Konflikten zerrissenen Land geht. Kunst und Film stehen den Interessen und Zielen der staatlichen Kulturpolitik oft diametral entgegen.

Es gebe aber überraschenderweise eine sehr lebendige und komplett unabhängige Filmszene, berichtet Lemke: "Die große ethnische und künstlerische Vielfalt der Filme ist ein Kontrapunkt zum internationalen Türkei-Bild, das häufig von Präsident Recep Tayyip Erdogan bestimmt wird."

Teilnahme kurdischer und armenischer Regisseure 

Im Mittelpunkt stünden vielfach Akteure von Protestbewegungen. "Es zeigt sich viel Buntheit und Humor, aber auch großer Wille zum Protest", so die DOK-Leitung. In Leipzig präsentieren zahlreiche Regisseure und Produzenten aus der Türkei ihre Werke persönlich. Mit dabei sind auch kurdische und armenische Filmemacher.

Resistayol Filmstill DOK Leipzig
Szene aus "#resistayol" von Rüzgâr Buşki Bild: Ryzgar Buski

Unter den Filmen ist auch der im syrischen Kobane gedrehte "Distant..." der kurdischen Filmemacherin Leyla Toprak, die Widerstandskämpferinnen in ihrem Kampf gegen den selbst ernannten IS begleitet. Teil des Programms ist darüberhinaus der Film "I Remember", der nach einer Reihe von Zensurmaßnahmen im April 2016 vom "Ankara Film Festival" zurückgezogen werden musste. Die Arbeit des kurdischen Regisseurs Selim Yıldız ist eine persönliche Erinnerung an das Massaker der türkischen Armee in Roboski 2011.

Türkische Themen: Armenien-Konflikt, Gezi-Park, historisches Kino

Der Völkermord an den Armeniern wird in "Return" und "The Eagle's Tree" thematisiert. Viele der weiteren ausgewählten Filme rücken Akteurinnen und Akteure von in den letzten Jahren entstandenen Protestbewegungen in den Mittelpunkt. Dazu zählen etwa eine Aktivistin, die sich bei den Protesten im Gezi-Park für LGBTI-Rechte einsetzt und Bürger/innen im Kampf für den Erhalt eines historischen Kinos in Istanbul.

Audience Emancipated Filmstill DOK Leipzig
Der türkische Film "Audience Emancipated": Chronik eines phänomenalen Kampfes zur Rettung des 100 Jahre alten Emek-Kinos, eines der wichtigsten historischen Wahrzeichen Istanbuls.Bild: Mushin Akgun

"Die Polarisierung in der Gesellschaft ist besorgniserregend", sagt Leena Pasanen im Hinblick zu vielen anderen weltweit zu beobachtenden Konflikten. So geht "Dok Leipzig" in diesem Jahr auch auf die Situation von Flüchtlingen ein. "Die politische Situation in Europa und weltweit hat sich höchst dramatisch entwickelt - angefangen von Trump, über den Brexit bis zur Flüchtlingsbewegung", so die Festivaldirektorin. Laut Programm-Leitung ziehe sich das Thema "Flucht und Fremdsein" durch sämtliche Festivalsektionen.

Rekord bei den Einreichungen

Insgesamt werden 309 Filme während des Festivals gezeigt, darunter über 100 Weltpremieren. Bei den Einreichungen gab es in den vergangenen Monaten einen Rekord. Über 3300 Produktionen bewarben sich um eine Festivalteilnahme - aus 133 Ländern. Wie in jedem Jahr gibt es in mehreren Wettbewerben Preise und Auszeichnungen zu gewinnen. Die "Goldenen" und "Silbernen Tauben" gelten als sehr renommierte Preise der Dokumentarfilmszene. Insgesamt werden 72.000 Euro an Preisgeldern ausgeschüttet.

jk/sd (mit dpa/kna/Festival/KINO-Redaktion)

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