Flower Power: Blumen der Revolutionen
Was haben Blumen eigentlich mit "Freiheit" zu tun? Wir nehmen das Motto der Floristen-WM 2015 mal wörtlich und wagen einen Blick in die Geschichte der kämpferischen Blume: Von der Nelken- zur Jasminrevolution.
Die Blumen der Freiheit
Ob Rose, Jasmin oder Nelke: Nichts ist schöner als eine Blume im Gewehrlauf. Denn sie steht für Frieden, ja auch für "Freiheit". Unter diesem Motto startet nun die Floristen-WM in Berlin. Wir nehmen das zum Anlass, um in die Geschichte der revolutionären Blume zu blicken. Den Anfang macht Portugal, dessen friedlicher Aufstand von Teilen der Armee 1974 als "Nelkenrevolution" in die Annalen einging.
Die Nelkenrevolution
Beinah 50 Jahre herrschte in Portugal eine Militärdiktatur. Unter den Generalen Carmona und später Salazar herrschten Willkür, Folter und Pressezensur - bis 1974 Teile der Armee die damals älteste Diktatur Europas stürzten. Aus Freude über den fast unblutigen Aufstand steckten Lissaboner Bürger den Revolutionären rote Nelken an. Es folgte die sogenannte Dritte Demokratische Republik.
Jasminrevolution in Tunesien
Die zweite Revolution, die einem sofort einfällt, wenn es um Blumennamen geht, ist natürlich die Jasminrevolution in Tunesien. Benannt ist sie nach der tunesischen Nationalblume, dem Jasmin. Im Januar 2011 stürzten Demonstranten den autokratischen Herrscher Zine el-Abidine Ben Ali. Mehr als 20 Jahre hatte er das Land regiert - bis er vor den Protesten nach Saudi-Arabien floh.
Der blühende "Arabische Frühling"
Der Volksaufstand der Tunesier machte den Anfang des "Arabischen Frühlings". Es folgten Ägypten, Libyen und viele weitere Staaten in Nordafrika und im Nahen Osten. Tunesien ist bis heute das Beispiel für eine geglückte Revolution. Auch wenn es in der Folge immer wieder zu Massenunruhen kam, gilt das Land als relativ stabil.
Kein Frieden in Syrien
Ganz im Gegensatz zu Syrien. Dieses Bild wurde im Mai 2013 aufgenommen. Das Foto zeigt einen kurdischen Rebellen in Aleppo. In seiner russischen AK-47 steckt auch eine Blume - der Frieden aber scheint heute, zwei Jahre später ferner denn je. Inzwischen kämpfen kurdische Rebellen nicht mehr nur gegen Assad, sondern auch gegen die Terroristen des IS.
Jasmin in China
Ausgelöst durch die ersten Erfolge der Aufstände in der arabischen Welt, kam es auch in China 2011 zu Protesten. Die Teilnehmer trugen dabei demonstrativ Jasminblumen - für die Regierung in Peking leicht als Anspielung auf die Ereignisse in Tunesien zu verstehen. Die Behörden reagierten prompt und zensierten im Internet neben Suchbegriffen wie "Demokratie" auch das Wort "Jasmin".
Rosenrevolution in Georgien
Weniger bekannt ist vielleicht, dass es auch in Georgien eine Blumenrevolte gab - und zwar die sogenannte "Rosenrevolution" im Jahr 2003. Sie führte zum Rücktritt von Präsident (und Ex-Außenminister der Sowjetunion) Eduard Schewardnadse. Die Demonstranten hatten ein Zitat des ersten georgischen Präsidenten wörtlich genommen: "Wir werden Rosen statt Kugeln auf unsere Feinde werfen."
Tulpenrevolution in Kirgisien
Nach den Parlamentswahlen im Februar 2005 kam es in Kirgisien zum Massenaufstand, der zum Sturz von Präsident Akajew führte. Die Aufständler traten unter dem Symbol der Opposition an, der Gebirgstulpe. Es blieb weiter unruhig, bis Kirgisien 2010 zur parlamentarischen Republik wurde. Menschenrechtsorganisationen beklagen jedoch nach wie vor Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit.
Von Blumen und Farben
Neben den Blumenrevolutionen gibt es übrigens auch die "Farbrevolutionen". Dazu zählen neben der Orangenen Revolution in der Ukraine auch die Tulpen- oder Rosenrevolution. Dass Blumen eine politisch-kämpferische Kraft zugesprochen wird, reicht natürlich viel weiter zurück; man denke an die rote Rose der Sozialdemokratie oder die 68er, die mit Blumen im Haar gegen den Vietnamkrieg protestierten.
Blumen in Thailand
Während der Proteste 2013 kam die thailändische Regierung auf die Idee, das übliche Ritual einmal umzudrehen und Polizisten Blumen an die Demonstranten verteilen zu lassen. Nach einem monatelangen Machtkampf zwischen den regierungstreuen Rothemden und oppositionellen Gelbhemden, kam es 2014 schließlich zum Militärputsch. Seitdem herrscht in Thailand offiziell das Kriegsrecht.
Kein Frieden in der Ost-Ukraine
Es ließen sich viele weitere aktuelle Beispiele nennen, in denen Blumen - wie auf diesem Bild in der Ost-Ukraine - zwar schon im Gewehrlauf der Soldaten steckten, aber noch nicht für Frieden gesorgt haben. Die Floristen-Weltmeisterschaft in Berlin zumindest ruft ihre Teilnehmer auf, sich in ihren Floral-Designs mit dem Begriff "Freiheit" auseinanderzusetzen - und meint das bewusst politisch.
Flower Power
Berlin, Austragungsort der diesjährigen Weltmeisterschaft, habe mit seiner Geschichte gezeigt, dass "das Streben nach Freiheit Mauern durchbrechen und Grenzen überwinden kann", so die World-Cup-Veranstalter. Diese Kraft solle die Teilnehmer inspirieren. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet eine Floristen-WM zur politischen Botschaft aufruft! Gekürt wird der künftige Weltmeister am 13. Juni 2015.