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Flipflops de Luxe

Klaudia Prevezanos19. April 2012

Individuelle Sandalen statt Massenware, dazu noch gut für den Fuß und mit modernem Design: Eine kleine deutsche Schuhfirma hat einen Trend entdeckt und verkauft mit ihrem Online-Shop weltweit. Hollywood ist angetan.

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myVALE-Sandalen: Handarbeit am Lederriemen (Foto: myVale)
Bild: Schott

Es riecht nach Kleber und Leder wie beim Schuster, eine Fräsmaschine macht Lärm. Doch bei myVALE werden keine Schuhe repariert, sondern gefertigt. Die kleine und junge Schuhmarke bietet modische Sandalen, die gut für die Füße sind: Jeder Kunde bekommt ein maßgefertigtes Fußbett.

Handarbeit an einem roten Lederriemen bei myVALE (Foto: myVale)
Handarbeit am LederriemenBild: Schott

"Orthopädische Schuhe gibt es schon lange und individuell designte auch schon eine Weile. Bei uns bekommt der Kunde beides, ohne dass man dem Schuh das gesunde Fußbett ansieht", sagt Markus Schott. Er ist Geschäftsführer der Firma Schott Orthopädieschuhtechnik, zu der auch die Marke myVALE gehört. Der Orthopädie-Schuhmachermeister weiß, wovon er spricht. Wer den ganzen Tag in Flipflops geht, dem tun die Füße abends weh.

Lässiger Look statt Gesundheits-Image

Doch Sandalen mit Fußbett gelten als langweilige Gesundheitsschuhe und sehen oftmals auch so aus. Darum überlegte sich der 38-Jährige vor vier Jahren zusammen mit zwei Mitarbeitern eigene Sommermodelle mit lässigem Look. Von Anfang an seien Designwünsche von Kunden bei ihren handgefertigten Sandalen berücksichtigt worden. Seit kurzem kann man sich das Aussehen seiner Schlappen nun auch online zusammenstellen. Der Online-"Designer" bietet laut Unternehmensangaben 35 Millionen Möglichkeiten, um die eigenen Schuhe zu gestalten. Kaufen kann man sie fast nur im Internet-Shop von myVALE.

Markus Schott, Geschäftsführer der Schott Orthopädie-Schuhtechnik im hessischen Homberg (Foto: Schott)
Markus SchottBild: Schott

Der Sportartikelhersteller Nike bietet bereits seit einiger Zeit das Konzept NikeiD an, der Kunde stellt sich hierbei seinen Sportschuh nach eigenem Geschmack online zusammen und bestellt ihn. Auch ganz kleine Hersteller wie die Schuhmacherei Meier & Schöpf in Berlin verkaufen über das Internet Holzpantinen, für die der Kunde sich das Leder nach Wunsch aufnageln lassen kann. Mit dem maßgefertigten Fußbett für schicke Schlappen hat myVALE aber offenbar noch eine freie Nische gefunden. Wurden anfangs 500 Paar Sandalen in der Region verkauft, werden heute zwischen 5000 und 7000 Paare mit dem grün-braunen Logo pro Jahr in alle Welt verschickt.

Preisgekröntes Design

Das Aussehen der Latschen gefiel auch der Jury des renommierten Red Dot Awards. 2011 erhielt myVALE einen der Designpreise für sein Sandalen-Modell "Red River". "Der Schuh hat einen ganz neuen Ansatz: Er ist gesund und modisch", sagt Rosita Nenno vom Deutschen Schuhmuseum in Offenbach. Das preisgekrönte Red River-Modell wurde 2011 mit einem Exemplar in die ständige Sammlung des Museums aufgenommen.

Sandale Red River von myVALE (Foto: Schott)
Ausgezeichneter LatschenBild: Schott

Rosa Lammfell oder Swarovski-Glitzersteine, Lachsleder, das aussieht wie Schlangenhaut, aber auch Känguru- oder Rochenleder werden für das ansehnliche Schuhwerk verwendet. Zwischen 120 und 400 Euro kosten die individuell angefertigten Sandalen. "Wir haben auch schon ein Paar mit orthopädischen Extras für 700 Euro gefertigt", weiß Schuhmachermeister Schott, der die Firmenleitung 2000 von seinen Eltern übernommen hat.

myVALE-Sandale mit rosa Lammfell am Riemen (Foto: Schott)
Bild: Schott

"Vale" bedeutet Talsohle

Sommerschlappen der neuen Marke finden sich auch an den Füßen mancher Prominenter: Den Schauspieler Jürgen Vogel und die Musiker Max Herre und Joy Denalane der Band Freundeskreis zählt myVALE zu seinen Kunden, ebenso den Schweizer Fußballnationalspieler Tranquillo Barnetta. Peter Iroga von den Salomoninseln, der bis Mai 2011 noch der Mann mit den größten Füßen der Welt war, trägt ebenfalls die maßgefertigten Sandalen. "Wir haben sogar einen Hollywood-Schauspieler und Oscar-Preisträger, der bei uns bestellt, aber der will anonym bleiben", sagt Firmenchef und Gründer Schott ein bisschen stolz.

Im Eingangsbereich der Fertigungshalle im hessischen Homberg hängt über der Sitzecke eine große Tafel mit Fotos, Postkarten und Skizzen. Vieles davon haben Kunden geschickt. "Wir bekommen Dankeskarten und Urlaubsfotos von Kunden mit ihren myVALES. Aber auch Zeichnungen mit Verbesserungsvorschlägen und neuen Produktideen", erklärt Karsten Weber. Er ist Marketingleiter und kümmert sich seit Anfang 2011 um die Facebook-Seite der Marke. "Unsere Kunden beschäftigen sich sehr intensiv mit ihrem persönlich gefertigten Schuh. Der ist ihnen wichtig", sagt er. Es gebe sogar eine Art Tourismus zum Produktionsstandort: "Es kommen immer wieder Kunden auf ihrer Durchreise hier vorbei, weil sie mal gucken wollen, wo ihr Schuh für sie gemacht wurde." Die Produktbindung sei sehr eng, so der Marketingmann. "Das hat uns selbst ein bisschen überrascht."

In 25 Schritten zum Luxus-Schlappen

Sandalen aus Homberg sind laut Schuhmachermeister Schott zu 80 Prozent Handarbeit: "'Made in Germany' scheint auch unseren Kunden wichtig zu sein", sagt der Firmenchef.  Wer einen myVALE-Schuh im Online-Shop gekauft hat, bekommt per Post eine so genannte Footprintbox nach Hause. Darin hinterlässt der Kunde seine beiden Fußabdrücke und schickt die Kiste zurück. Nun dauert es je nach Saison eine bis drei Wochen, bis die Sandale fertig ist. Herzstück des personalisierten Schuhs ist ein am Computer erzeugter dreidimensionaler Fußabdruck, für den der Schaumstoffabdruck eingescannt und bearbeitet wird. Daraus fertigen die Schuhmacher das genau passende Fußbett für jeden Kunden. Danach werden die verschiedenen Deck-, Zwischen- und Laufsohlen miteinander verklebt, die Riemen angebracht und der Feinschliff gemacht - insgesamt rund 25 Arbeitsschritte.

Am Bildschirm erstellt ein Orthopädieschuhmacher den 3D-Fußabdruck eines Kunden (Foto: Schott)
Der am Bildschirm erstellte 3D-Fußabdruck jedes Kunden wird gespeichert - für die nächste BestellungBild: Schott

"Ohne Internet würde das Konzept kaum funktionieren", meint Markengründer Markus Schott. Weil man für den Abdruck nicht zum Schuhmacher gehen muss, kann man seine Sandalen überall online bestellen. Zwei Drittel der Schlappen aus Homberg werden laut Schott von Kunden in Deutschland gekauft, bis zu ein Viertel gehe ins europäische Ausland und fünf Prozent nach Übersee. "Wir haben Kunden in Japan, Hongkong, Neuseeland und in den Vereinigten Arabischen Emiraten", weiß der Chef.

"Limitierte Auflagen gehören bei uns dazu"

Wegen der vergleichsweise geringen Fertigungsmenge kauft die Firma mit 15 Mitarbeitern bei Lederhändlern oft nur kleine Mengen ein, und kann manche Muster auch nicht mehr nachbestellen. "Wir haben bestimmte Standardmodelle, die wir immer anbieten. Aber in unserem Online-Designer wird sich mehrmals im Jahr etwas ändern, wenn bestimmte Leder ausverkauft und andere hinzugekommen sind", sagt Weber, der auf die Fachmessen fährt. Wer heute seinen Lieblingsschuh online zusammengestellt habe und ihn in einem Jahr nachbestellen möchte, könne Pech haben. "Das bedeutet aber auch, dass mit bestimmten Sandalen von uns weltweit nur 20 bis 30 Menschen herumlaufen. Limitierte Auflagen gehörten bei uns dazu", sagt Firmenchef Schott.

Leder für die eigenen Schuhriemen in vielen Farben und mit verschiedenen Mustern (Foto: Schott)
Leder für die eigenen Schuhriemen in vielen Farben und mit verschiedenen MusternBild: Schott