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Fliege ohne "Arschloch"

7. Dezember 2002

Seit Jahren gilt der Frankfurter Eichborn Verlag mit seinen frechen, schrägen Büchern als Top-Adresse in Sachen Humor. Doch den Eichborn-Machern und ihren Aktionären bleibt derzeit jedes Lachen im Halse stecken.

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Verliert sein Aushängeschild:<br> Eichborn-Chef Matthias KierzekBild: AP

Angesichts massiv sinkender Umsätze und drohender Bilanzverluste herrscht Krisenstimmung. Eine Hiobsbotschaft folgt in diesen Tagen der nächsten: Nach den schlechten Quartalszahlen kam die Kündigung von Programmchef Wolfgang Ferchl. Dann wurde bekannt, dass auch noch Walter Moers, der Erfinder des "Kleinen Arschlochs" dem Verlag den Rücken kehrt.

Konzern aus dem Rotlichtviertel

Als erster unabhängiger deutscher Verlag war die Eichborn AG im Jahre 2000 an die Börse gegangen. Seitdem hatte sie kräftig angebaut. Um die gesamte Verwertungskette der Inhalte in eigener Hand zu behalten - Film- und TV-Rechte, Filmmusik, Video, Geschenkartikel, Hörbuch - beteiligte sich die AG an zahlreichen Unternehmen. Aus dem kleinen Verlagshaus im Frankfurter Rotlichtviertel wurde ein Konzern.

Doch die Tochterfirmen fuhren nicht zuletzt wegen der schlechten Lage im Filmgeschäft Verluste ein. Der Konzern machte 2002 bis Ende September einen Umsatz von 15,5 Millionen Euro (minus 20 Prozent) und einen Verlust von rund 2,5 Millionen Euro. Der Aktienkurs stürzt schon seit dem Börsengang unaufhaltsam in den Keller. Deshalb lautet nun auch bei Eichborn die Devise "Konzentration aufs Kerngeschäft".

Programmchef und Prokurist Ferchl (47) hatte wegen Differenzen mit der Geschäftsleitung überraschend vor wenigen Tagen fristlos gekündigt. Auch Pressechefin Susanne Klein verlässt Eichborn. "Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Organen der AG war nicht mehr gewährleistet", nennt Ferchl als Grund für seine Kündigung.

Nach Neustart in die Gewinnzone?

Ferchl, Motor und Seele des Verlags, hängt seit Tagen pausenlos am heimischen Telefon, um verunsicherte Eichborn-Autoren zu beruhigen. Als erster sagte sich Eichborn-Zugpferd und Aktieninhaber Walter Moers (er ist mit zehn Prozent beteiligt) vom Verlag los: Sein neues Buch soll im Frühjahr nicht wie geplant bei Eichborn erscheinen, sondern - welcher Zufall - bei Ferchls neuem Verlag Piper. Für Eichborn ein herber Schlag.

Doch nach Abwicklung der Beteiligungen soll der Verlag wieder in die Gewinnzone kommen, hofft Eichborn-Vorstand Matthias Kierzek. Die Chancen stehen nicht schlecht: Das Verlagsgeschäft sorgte zuletzt für 90 Prozent des Konzernumsatzes und war durchaus erfolgreich. Außer mit der Humorsparte und diversen Lexika im Stile des "Lexikon der Populären Irrtümer" katapultierte sich Eichborn auch mit Autoren wie Karen Duve, Katja Kullmann, Akif Pirincci und Dietrich Schwanitz auf die Bestsellerlisten. Ein literarisches Aushängeschild ist zudem die von Hans Magnus Enzensberger herausgegebene Reihe "Die Andere Bibliothek".

Autor: Wim Abbink
Redaktion: Petra Füchsel