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Flüchtlingsschicksale zehn Jahre nach Kriegsende in Kroatien

4. August 2005

Während der Militäraktion „Sturm“ wurden zehntausende Menschen aus der kroatischen Krajina vertrieben. Auch heute ist die Frage ihrer Rückkehr noch nicht gelöst.

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Flucht ins UngewisseBild: AP

Das kroatische Helsinki-Komitee hat zum zehnten Jahrestag der Militäraktion „Sturm“ einen Bericht vorgelegt, wonach bei diesem Angriff 700 Zivilisten getötet und rund 150.000 Menschen vertrieben wurden. Der Vorsitzende des Komitees, Zarko Puhovski, sagte gegenüber der Deutschen Welle: „Diese Ereignisse können keinesfalls damit gerechtfertigt werden, dass Kroatien internationalem Recht folgend sein Recht wahrgenommen hat, sein Territorium zurückzuerobern“.

Krajina entvölkert

Savo Strbac, Direktor des Dokumentationszentrums „Veritas“ aus Belgrad, ist kein Befürworter der Aktion „Sturm“. ,„Für die Krajina-Serben war dies eine Abschlussoperation für die ethnische Säuberung Kroatiens von allem, was serbisch war. Zuvor hatten in dieser Gegend etwa 230.000 Menschen gelebt. Für 220.000 von ihnen bedeutete die Militäraktion „Sturm“ den Exodus. Tatsache ist, dass die Krajina menschenleer ist und alles, was serbisch war – sei es Privat- oder geistiges Eigentum – vernichtet wurde, bis hin zu antifaschistischen Denkmälern“, so Strbac.

Zufluchtsort Vojvodina

Angaben aus Zagreb und aus Belgrad zu der Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen gehen zwar auseinander. Unumstritten ist, dass die Frage ihrer Rückkehr noch nicht gelöst ist. So haben beispielsweise in der Vojvodina die meisten Flüchtligen aus Kroatien und Bosnien-Herzegowina, etwa 300.000 Menschen, Zuflucht gefunden. Angaben humanitärer Organisationen zufolge, ist die Zahl der Flüchtlinge bedeutend zurückgegangen. Teils seien sie in den vergangenen zehn Jahren in Drittländer abgewandert oder in ihre Vorkriegsheimat zurückgekehrt. Die meisten hätten jedoch die Staatsbürgerschaft von Serbien-Montenegro angenommen. Laut dem Roten Kreuz in der Vojvodina leben die meisten Flüchtlinge noch heute am Rande des Existenzminimums. Weil internationale humanitäre Organisationen bereits vor drei Jahren ihre Hilfsleistungen eingestellt haben, hat sich die Lage der Flüchtlinge und Vertriebenen seitdem verschlechtert.

Vergangenheit nicht überwunden

Dusko Djukic ist einer der Flüchtlinge aus der Krajina. Er floh allerdings schon vor 14 Jahren aus Zadar. Er sagte der Deutschen Welle, dass er nicht nach Kroatien zurückkehren möchte: „Sie haben mir das Recht auf ein Heim und mein Eigentum abgesprochen und daraufhin das Recht, in Kroatien zu leben. Dies sind alles Indikatoren, dass es kein Zusammenleben gibt. Denn auch heute noch wird Druck und ausgeübt. Die Rückkehr als solche ist keine Garantie: Ich habe keine Freunde mehr. Die Freunde, die ich hatte, gehören einer anderen Nationalität an, Vertreter meiner Nationalität leben dort nicht mehr“. Damalige Freunde, Bekannte und Nachbarn tun so, also ob sie ihn nicht kennen. Dahin möchte Djukic nicht zurückkehren, denn er könne und wolle auch nicht vergessen, was ihm widerfahren sei.

Rückkehr behindert

Es gibt dagegen auch Flüchtlinge, die zurückkehren möchten. Allerdings ist ein bedeutender Hinderungsgrund, dass die Unterkunft in ihren Immobilien nicht geklärt ist. Ein älterer Herr, Rentner aus Zadar, erklärte der Deutschen Welle seine Situation, möchte aber anonym bleiben. In Zadar hatte er eine Wohnung, die ihm allerdings weggenommen wurde, und nun kann er sie nicht zurückbekommen. „Während der Aktion „Sturm“ sind wir hierher geflohen. Seitdem wohnen wir zur Miete – ohne Eigentumswohnung oder Haus. Wir wollen zwar zurück, aber wohin? Ich war bereits 15 Mal in Zadar und Zagreb, allerdings vergeblich“. Internationale Organisationen hätten ihm erklärt, sie könnten Kroatien nicht dazu zwingen, ihm seine Wohnung zurückzugeben. „Es heißt, wenn alle ihr Eigentum zurückbekommen, dann auch wir unseres. Allerdings nicht unsere Wohnung, sondern eine Ersatzunterkunft. Aber auch die haben wir nicht erhalten. Jetzt haben sie uns erneut den Flüchtlingsstatus entzogen und nichts ist gelöst“, so der Rentner. Mit diesem Status hätte er wenigstens die Krankenversicherung verlängern können. „Seit wir in Serbien sind, sind wir bereits siebenmal umgezogen. Das ist so schwer zu ertragen... Mein ganzes Leben war ich Optimist, aber nun ist die Zeit gekommen, dass ich keinen Ausweg sehe“.

Dinko Gruhonjic, Novi Sad, Gordan Milosevic

DW-RADIO/Serbisch, DW-RADIO/BOSNISCH, 3.8.2005, Fokus Ost-Südost