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Fiskalunion statt Schuldenunion

Zhang Danhong21. Februar 2013

Der Euro ist erstmal gerettet, doch aus dem Schneider ist er noch lange nicht. Wie kann er dauerhaft gesichert werden? Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und ein Forschungsinstitut wagen einen konkreten Vorschlag.

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Schild "Eurozone"
Wohin geht die ReiseBild: Fotolia/pincasso

Die Europäische Gemeinschaftswährung war eine Frühgeburt. Weder gab es einen Bundesstaat, der hinter der Währung stand, noch waren die Volkswirtschaften in diesem Währungsbund annähernd homogen. Man glaubte, mit derselben Währung würden die Ungleichgewichte von alleine verschwinden. Das Gegenteil ist passiert. Eine Schuldenkrise in Griechenland genügte, um das ganze Kartenhaus fast zum Einsturz zu bringen.

Dass der Euro heute eher stärker ist, wird in erster Linie der Europäischen Zentralbank zugeschrieben, die notfalls alle Anleihen kriselnder Staaten kauft und damit ihr Mandat extrem ausgedehnt hat. Und die Regierungen der Mitgliedsstaaten werfen das No-Bailout-Prinzip über Bord und greifen zahlungsunfähigen Ländern unter die Arme. Eine abhängige EZB und eine Schuldenunion sind aber vor allem in den nordeuropäischen Ländern unpopulär.

Eine europäische Einkommenssteuer

Um den Euro dauerhaft zu sichern, müssen die Ungleichgewichte zwischen den Mitgliedern abgebaut werden. Vereinfacht dargestellt verlangen die Südländer Transfers, die die Nordländer aber nur gegen Souveränitätsabgabe der Schuldnerstaaten gewähren wollen. Diese Blockade wollen Forscher der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouceCoopers (PwC) und des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) mit der Idee einer europäischen Einkommenssteuer durchbrechen. Zehn Prozent der nationalen Einkommenssteuer soll sie umfassen. Je nach Bevölkerungszahl bekommen die Länder pauschal eine bestimmte Summe zurück. "Dadurch hätten wir zunächst eine einkommensabhängige Einzahlung und dann eine einkommensunabhängige Auszahlung", erläutert Norbert Winkeljohann, Vorstandssprecher von PwC Deutschland.

Pressekonferenz von PricewaterhouseCoopers (PwC) und Hamburgischem Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) in Frankfurt (Foto: DW)
Norbert Winkeljohann und Thomas Straubhaar stellen die Studie vorBild: DW/Z. Danhong

Warum ausgerechnet Einkommenssteuer? Der Grund liege darin, "dass wir denken, dort wird vergleichsweise am besten und wenig verzerrt die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft wiedergegeben", sagt HWWI-Direktor Thomas Straubhaar. Da dieses Steueraufkommen nur als Bemessungsgrundlage diene, bedeute das Ganze keinen Eingriff in die nationale Steuerpolitik, schon gar nicht eine Angleichung der Fiskalpolitik und der sozialen Systeme, betont Winkeljohann: "Differenzierte Systeme brauchen wir, um den Wettbewerb zu behalten. Aber wir brauchen eine Fiskalunion der Eurostaaten. Das Ganze soll dann auf der Basis einer Umverteilung stattfinden."

Ein Währungskommissar mit Vetorecht

Nicht zu verwechseln sei diese Umverteilung mit einer Transferunion, auf die gerade die Deutschen allergisch reagieren. Denn die Unterstützung bekommt ein Land nur, solange es als strukturschwach gilt. Und dieses europäische Budget darf das Land auch nur für Strukturreformen einsetzen. Für welchen Bereich es ausgegeben wird, ist jedem Land freigestellt. Die Autoren der Studie wollen keine neue Behörde schaffen, die die Verwendung der Gelder festlegt.

Letztlich sei in jedem Land die Frage, weswegen es zu Ungleichgewichten gekommen sei, unterschiedlich zu beantworten, meint der Wirtschaftswissenschaftler Straubhaar: "In Griechenland brauchen sie institutionelle Strukturen, von der Verwaltung über Rechtsstaatlichkeit bis zu den Eigentumsrechten, die gesichert werden müssen. In Spanien müssen sie viel Geld aufwenden, um die Bankensanierung voranzubringen." Nötig sei ein starker Währungskommissar, der den Einsatz des Budgets überwache und notfalls Veto einlegen könne, so Straubhaar weiter.

Prof. Thomas Straubhaar auf der Pressekonferenz über "Chancen und Risiken einer Fiskalunion" (Foto: DW)
Thomas Straubhaar stellt sich den Fragen der JournalistenBild: DW/Z. Danhong

Auf Deutschland würde durch eine solche Steuer eine jährliche Belastung von rund 30 Milliarden Euro zukommen. Das sei weniger als die Garantie, für die Deutschland im Rettungsfonds eingegangen ist, und letztlich auch transparenter, meint Norbert Winkeljohann: "Das ist nun mal ein umlagebasiertes System, das wir für eine Anzahl von Jahren als Land ertragen müssen. Das ist was anderes, als wenn man immer wieder vor Schockzuständen steht und sagt, jetzt muss der Bundestag über Nacht wieder 120 Milliarden Euro Rettungsgeld beschließen."

Eine europäische Arbeitslosenversicherung

Schocks lassen sich nicht vermeiden, solange es Wirtschaftszyklen gibt. Um sie für betroffene Euroländer erträglich zu machen, schlagen die Autoren der Studie eine europäische Arbeitslosenversicherung vor, die über den Zeitraum eines Jahres 30 Prozent des jeweiligen nationalen Durchschnittseinkommens an die Betroffenen zahlt und so nationale Sozialsysteme entlastet. Diesen Topf müsste Deutschland momentan mit zehn Milliarden Euro beisteuern.

Euro-Symbol in Frankfurt (Foto: DW)
Hat der Euro eine Zukunft?Bild: DW

Die Gemeinschaftswährung ist eben nicht zum Nulltarif zu haben. So viel Ehrlichkeit gehört in die Diskussion um die Zukunft des Euro. Die zwei von PwC und HWWI favorisierten Instrumente für eine echte Fiskalunion haben den Charme, dass sie die Wünsche und Bedenken der Süd- und Nordländer berücksichtigen und dadurch eine realistische Chance zur Umsetzung haben.

Der Schönheitsfehler besteht darin, dass die von den Experten skizzierte Fiskalunion für den Euro nach der akuten Krise gedacht ist. Diese Bewährungsprobe muss er erst noch bestehen.