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Fischer kritisiert chinesische Regierung

16. Juli 2004

Unerwartet deutlich hat Bundesaußenminister Joschka Fischer in China die Menschenrechtslage kritisiert. Trotzdem sucht er in der Volksrepublik Unterstützung für einen deutschen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat.

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Zwei Minister, zwei MeinungenBild: AP


Bundesaußenminister Joschka Fischer hat in China ungewöhnlich offen Defizite bei der Achtung der Menschenrechte kritisiert. Einerseits gebe es Fortschritte, andererseits bestehe große Besorgnis über die Todesstrafe und die so genannte Administrativhaft in Umerziehungslagern, sagte Fischer am Donnerstag (15.7.2004) nach Gesprächen mit dem chinesischen Außenminister Li Zhaoxing in Peking.

Li wies die Kritik Fischers in der Pressekonferenz der Minister zurück. Bei der "Umerziehung durch körperliche Arbeit" gehe es um den Aufbau von Demokratie, bei dem China vorankommen wolle, sagte der Minister. China habe eine große Bevölkerungszahl, "aber jedes Individuum ist so wichtig wie die Gesamtbevölkerung". Fischer erklärte später, die Entwicklung der Menschenrechte sei Teil der Modernisierung des Landes, die Bundesregierung werde in ihrem Drängen in diesem Punkt nicht nachlassen.

Tibet, Taiwan und Hongkong

Fischer forderte die chinesische Führung auch auf, den Konflikt um Tibet und dessen geistigen Führer Dalai Lama auf dem Weg des Dialogs zu lösen. Zudem müsse der Streit mit Taiwan friedlich beigelegt werden. Tibet ist nach Lis Worten ein "unabtrennbarer Teil des chinesischen Territoriums". Dies gelte auch für Taiwan. Der Dalai Lama betreibe "nach wie vor Separatismus". Dies sei inakzeptabel, so Li. Die Volksrepublik China hält Tibet seit 1951 besetzt. Der Dalai Lama lebt seit 1959 im indischen Exil. Für seinen gewaltlosen Widerstand war er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden.

Fischer appellierte außerdem indirekt an Peking, freie Wahlen in der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong zuzulassen. China brauche keine Belehrungen etwa zu Hongkong, konterte Li. Die chinesische Regierung habe das "souveräne Recht", über die "rechtlichen Privilegien" der Bürger von Hongkong zu bestimmen. Trotz der Kritikpunkte betonte Fischer, dass die Bundesregierung an der Ein-China-Politik festhalte, wonach Taiwan, Tibet und Hongkong Teile der Volksrepublik seien. Fischer lobte China als kommende Führungsmacht und erwähnte auch die kleinen Schritte in Richtung mehr Transparenz und Pressefreiheit, der sich in der Sars-Krise gezeigt habe. Li wiederum äußerte sich wohlwollend zu dem Bestreben Deutschlands, ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates zu werden, wenn das Gremium reformiert werde.

Deutsches Anliegen

China vertrete den Ansatz, dass die UN mit mehr als 190 UN-Mitgliedsstaaten sich auch vielseitiger organisieren müsse, sagte Li. Bei seiner Ankunft in Peking hat Fischer den Anspruch Deutschlands auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat und damit stärkeren weltpolitischen Einfluss deutlich ebenfalls bekräftigt. "Die Reform muss kommen, und Deutschland gehört als ständiges Mitglied dazu", sagte Fischer am Mittwoch. Ende 2004 soll eine von UN-Generalsekretär Kofi Annan eingesetzte Kommission Vorschläge für die UN-Reform vorlegen. Schon 2005 könnte es dann zur Abstimmung in der UN-Vollversammlung kommen.

Auch Deutschland und Indien, die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt, hatten sich gegenseitig Unterstützung bei der Bewerbung um einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat zugesagt. Beide sähen sich als "natürliche Kandidaten in einem erweiterten Sicherheitsrat", sagte Fischer nach einem Treffen mit dem neuen indischen Ministerpräsidenten Manmohan Singh (14.7.2004). Beide Staaten nannten erstmals konkret das jeweils andere Land als Anwärter.

Deutschland ist seit Anfang 2003 und noch bis Ende 2004 nicht-ständiges Mitglied im höchsten UN-Entscheidungsgremium. Ständige Mitglieder sind die Atommächte China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA. Die rot-grüne Bundesregierung wirbt derzeit verstärkt international um Unterstützung für einen ständigen deutschen Sitz im Sicherheitsrat. Fischer will sich dafür auch auf den anderen Stationen seiner zehntägigen Asien-Reise stark machen. Nach Abschluss des China-Besuchs reist er weiter nach Bangladesch, Sri Lanka und Pakistan. (kap)