1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Firmen zweiter Klasse"

13. Oktober 2004

– Auch nach dem 1. Mai werden polnische Firmen in der EU schikaniert

https://p.dw.com/p/5hsR

Warschau, 8.10.2004, RZECZPOSPOLITA, poln.

Die führenden Staaten der Europäischen Union haben Angst vor polnischen Unternehmern. Um den eigenen Markt zu schützen, verlangen Frankreich, Deutschland, Italien, Österreich und Holland Genehmigungen für Dienstleistungen von polnischen Firmen und bereiten ihnen Schwierigkeiten bei der Registrierung der Firmen, obwohl das eindeutig gegen das europäische Recht verstößt.

"Wir mussten Holland verlassen, weil die Polizei sagte, dass wir illegal arbeiten. Sowohl wir als auch unser holländischer Partner waren sehr überrascht, dass wir irgendwelche Genehmigungen brauchen. Polnische Regierung und die Medien haben doch informiert, dass wir innerhalb der EU im Bereich der Dienstleistung ohne irgendwelche Hindernisse tätig sein dürfen", sagt Jakub Kawalec, Eigentümer einer Firma aus der Nähe von Slupsk (Stolp).

Das ist nur ein Beispiel für die Schikanierung polnischer Firmen, das die Zeitung RZECZPOSPOLITA feststellte.

In dem Beitrittsvertrag, in dem die Bedingungen der Aufnahme Polens in die EU festgelegt wurden, ist zwar eine Übergangszeit von sieben Jahren für Arbeitnehmer aus Polen vorgesehen, aber den polnischen Firmen wurde das Recht zugesprochen, in Rahmen von Dienstleistungstätigkeiten nach dem 1. Mai 2004 frei innerhalb der gesamten Europäischen Union zu agieren. Eine Ausnahme bilden hierbei nur wenige, aber sehr präzise festgelegte Dienstleistungsbereiche auf dem Gebiet Deutschlands und Österreichs, die sogar bis 2011 aufrechterhalten werden können.

Die Wirklichkeit hat aber etwas ganz anderes gezeigt. In Italien dürfen Polen nur dann einen Friseursalon, ein Geschäft oder eine Baufirma gründen, wenn sie über eine Aufenthaltberechtigung für dieses Land verfügen. Das ist jedoch außerordentlich schwierig. (...)

"Die italienische Verwaltung hat noch nicht begriffen, dass den Polen nach dem 1. Mai dieselben Rechte im Bereich der Dienstleistung zustehen wie den Italienern", sagt Agnieszka Hoppen, Erste Sekretärin der polnischen Botschaft in Rom.

Die Lage in Frankreich ist aber auch nicht besser. Hier müssen sich polnische Unternehmer um eine Arbeitserlaubnis für polnische Arbeitskräfte bemühen, die für sie im Bereich der Dienstleistung arbeiten: "Die Ursache dafür liegt aber nicht bei der Verwaltung, sondern ist mit der allgemeinen Angst vor der Konkurrenz aus Polen oder aus anderen neuen Staaten der EU verbunden," gibt Piotr Byczkowski, der polnische Handelsrat in Paris zu. Ferner sagt er, dass diejenigen Unternehmer, die den Mut dazu hatten, ihre Tätigkeit in Frankreich anzufangen, ständig durch Kontrolleure des Finanz- oder des Ordnungsamtes besucht werden.

Die Deutschen verletzen die Regeln des Beitrittsvertrages nicht öffentlich. Aber auch jenseits der Oder haben polnische Unternehmen kein leichtes Leben: "Die Handwerker, die eine Bäckerei eröffnen, oder im Bereich der Sicherheit arbeiten wollen, müssen eine ganze Reihe von Bedingungen erfüllen, was ohne wirklich perfekte Kenntnisse der deutschen Sprache unmöglich ist" sagt Bogdan Janowski, Erster Sekretär der polnischen Botschaft in Berlin.

Genauso große Steine werden aber auch großen Firmen aus Polen in den Weg gelegt, die sich um die Eintragung ins Handelsregister in Deutschland bemühen und dort in den Bereichen der Dienstleistung tätig werden wollen, in denen es – zumindest theoretisch - keine Einschränkungen gibt.

Zusätzlich dazu wurde nach dem 1. Mai 2004 auch die Zahl der Bauarbeiter aus Polen um ein Drittel gekürzt, die in den polnischen Baufirmen in Deutschland tätig sein dürfen. "Das ist mit dem Verlust von vielen Aufträgen verbunden", gibt Bogdan Janowski zu. Seiner Meinung nach haben diese Bedingungen nur ein einziges Ziel: Das Tempo der Expansion polnischer Firmen auf den deutschen Markt soll nach Möglichkeit verlangsamt werden.

Ähnlich ist es auch in Österreich. Hier sind polnische Unternehmer gezwungen, für ihre Beschäftigten die sogenannte EU-Bestätigung vorzulegen. Auf das Dokument muss man jedoch bis zu sechs Wochen warten: "Im Falle eines Auftrages, der schnell erledigt werden muss, bedeutet das, dass die polnische Firma aus dem Spiel fällt", sagt Jan Masalski, Handelsrat der polnischen Botschaft in Wien und fügt hinzu: "Weder Deutsche noch Franzosen müssen solch ein Dokument vorlegen und können ihre Arbeit sofort beginnen." Große Probleme haben aber auch polnische Studenten, die in Österreich arbeiten wollen, obwohl jegliche Einschränkungen ab dem 1. Mai abgeschafft werden sollten.

Die polnische Regierung will unsere Unternehmen verteidigen. Der polnische Vizepremier Jerzy Hausner schrieb einen Brief an die Arbeitsminister in Italien und Holland, in dem er bittet, von der Diskriminierung polnischer Unternehmen abzusehen. Auf eine Antwort wartet er aber bis heute.

Auch die Vertreter der polnischen Diplomatie versuchen zu helfen. (...) "Unsere Gesprächpartner sagen jedoch zu diesem Thema überhaupt nichts", beschreibt Piotr Byczkowski die Reaktionen der französischen Behörden. (...)

Es gibt aber auch die ersten Mutigen. Einige Unternehmer, denen die holländische Regierung Steine in den Weg legte, haben eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingelegt. Dort wurde geschrieben, dass Holland das Recht polnischer Unternehmer auf freie Dienstleistungstätigkeit innerhalb der EU verletzt.

"Die Polen müssen so viele Bedingungen erfüllen, dass dadurch ihre Marktposition geschwächt wird und sie befinden sich in einer viel schwierigeren Lage als ihre Konkurrenten aus den alten EU-Staaten", erklärt Rechtsanwalt Marek Lewandowski, der im Namen von vier polnischen Firmen Beschwerde bei der EU-Kommission eingelegt hat. "Holland hat sich in dem Beitrittsvertrag keine Übergangzeiten für polnische Dienstleistungsfirmen gesichert und heute werden ihnen Steine in den Weg gelegt. Das verstößt gegen das europäische Recht," fügt Rechtsanwalt Lewandowski hinzu.

Eine Klage gegen die holländische Regierung wurde auch von zwei bekannten Anwaltskanzleien aus Holland und Belgien eingereicht. Der Mandant dieser Kanzleien ist eine große polnische Firma, die Dienstleistungen für holländische Landwirte bei der Erdbeerernte und Feldarbeit anbot. Das Unternehmen wurde gezwungen, seine Mitarbeiter aus Holland zurückzuziehen. "Die Behörden haben sogar mit hohen Bußgeldern und Gefängnisstrafen gedroht, falls sich die Situation wiederholen sollte", erklärt einer der Anwälte (...)

"Das ist so, als ob unsere Regierung es nicht bemerkt hätte, dass Polen der EU angehört und dass wir polnische Staatsbürger nicht mehr wie Bürger von Drittländern behandeln dürfen" sagt der Journalist Ekke Overbeek (...)

Jetzt hängt alles von der Entscheidung der Europäischen Kommission ab. Wenn sie die Argumente polnischer Firmen anerkennt, wird sie Erklärungen bei der Regierung in den Haag verlangen und dann kann sie vor dem Europäischen Gerichtshof Klage erheben.

Aus unseren Informationen geht jedoch hervor, dass die holländischen Behörden aus Angst vor der Einmischung Brüssels bereits Geheimgespräche mit der polnischen Regierung aufgenommen haben. (...) (sta)