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Finger am Abzug

Udo Bauer25. November 2002

Die meisten europäischen NATO-Länder wollen keinen Krieg gegen Irak. Trotzdem haben sie auf dem NATO-Gipfel die USA politisch gestützt und damit dem Krieg noch näher gebracht, meint DW-TV-Korrespondent Udo Bauer.

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Es war wohl schlichtweg eine Verbeugung vor der Kraft des Faktischen, vor der alles bestimmenden NATO-Supermacht USA. Wie auch immer, US-Präsident Bush hat bekommen, was er wollte: Freie Hand in Sachen Irak. Es ist rühmlich, dass wenigstens Frankreich und Deutschland ihren Widerspruch zu Protokoll gegeben haben. Ändern wird es nichts – der Weg in Richtung Krieg an Euphrat und Tigris ist asphaltiert. Amerikanische Militärexperten haben kaum Zweifel daran, dass die Chancen für eine friedliche Lösung nahezu gegen Null tendieren. Dafür spricht Vieles.

Drohkulisse

Da ist zunächst einmal der massive Truppenaufmarsch am Golf. Insgesamt 60 Tausend US-Soldaten sind bereits in acht Golfstaaten und der Türkei stationiert, zwei Flugzeugträger inklusive. Das reicht zwar noch nicht für eine großangelegte Bodenoffensive, aber das Pentagon hat bereits wissen lassen, dass man damit einen Luftkrieg über längere Zeit aufrecht erhalten kann und, dass Reservisten innerhalb kürzester Zeit mobilisiert werden können. Wer nun glaubt, die USA würden diesen teuren Aufmarsch nur inszenieren, um eine Drohkulisse gegen Saddam Hussein aufrecht zu erhalten, der wird womöglich schon bald eines Besseren belehrt.

Denn es gibt aus amerikanischer Sicht schon jetzt in der UN-Resolution Gründe für den Beginn eines Krieges. Juristisch relativ unumstritten ist beispielsweise, dass der irakische Beschuss von britischen und US-Flugzeugen in den Flugverbotszonen bereits einen Verstoß gegen die UN-Resolution darstellt. Denn dort heißt es eindeutig, dass Irak "keinerlei feindliche Maßnahmen gegen UNO-Mitglieder ergreifen darf, die Resolutionen durchsetzen." Nun gehen die Patrouillenflüge zwar nicht ausdrücklich auf die UN-Resolution 688 zurück, sie sind aber als "Maßnahmen zum Schutz ethnischer Minderheiten im Irak" auch von der UNO akzeptiert.

Anlass oder Vorwand?

Sollte Irak, wie sein UN-Botschafter proklamiert hatte, jeglichen Besitz von Massenvernichtungswaffen leugnen, dann wird das wohl sofort als signifikanter Verstoß gegen die Resolution gewertet und einen Krieg zur Folge haben; dann wird der Bericht von Waffeninspekteur Blix gar nicht mehr abgewartet.

Das entscheidende Datum dafür ist der 8. Dezember, bis dahin muss Irak eine komplette Liste dieser Waffenprogramme vorlegen. Und selbst, wenn Saddam Hussein alle Resolutionsbedingungen bis ins Detail befolgen sollte, was niemand so recht glaubt, dann werden die USA einen Vorwand für den Krieg finden, so spekulieren viele Experten amerikanischer Denkfabriken. Diesem Verdacht zugrunde liegt die kaum verhohlene Angst der Amerikaner vor der Atombombe. Sollte Saddam als erster Golfanrainer diese ultimative Waffe besitzen, dann hätte er de facto die Kontrolle über die gesamten Ölvorkommen der Region. Niemand, die Nachbarn Iraks nicht und die Europäer nicht, würde sich dann trauen, gegen Saddam vorzugehen.

Kurzer Geduldsfaden

Die einzige Alternative zum Krieg ist ein bis zum Sanktnimmerleinstag hinausgezogenes Inspektionsregime, in der Hoffnung, dass Saddam Hussein irgendwann die Nerven verliert bzw. seinen Kopf. Solange aber will Präsident Bush nicht warten.

Die Amerikaner pflegen zwar ihre Feindschaften, wenn’s sein muss bis ins Greisenalter ihrer Gegner (siehe Fidel Castro) oder über deren Tod hinaus (Ayatollah Khomeini). Doch wenn es ums Öl geht, den Schmierstoff westlichen Wohlstands, dann ist der Geduldsfaden kurz.