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Russland leidet mit

Andrey Gurkov24. September 2008

Die Finanzmarktkrise hat zwar ihren Ursprung in den USA, doch die Auswirkungen verbreiten sich wie eine Welle rund um den Globus. Auch Russland bekommt das zu spüren und ist von den Auswirkungen betroffen.

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geschockte Händler an Russlands größter Börse MICEX (Quelle: AP/17.9.2008)
Die Händler an der größten russischen Börse MICEX (Moscow Interbank Currency Exchange)reagieren geschockt auf den Aktiensturz Mitte SeptemberBild: AP

Vor zehn Jahren wurde die russische Sprache durch das Wort "Default" bereichert. Diesen Fachausdruck aus der Finanzwelt kannte auf einmal jedermann in Russland, denn durch den Staatsbankrott und den Rubelverfall im August 1998 hatten Millionen Menschen ihre Ersparnisse verloren. "Gibt es wieder einen Default?" - lautete deshalb die bange Frage, die seit Beginn der US-Börsenturbulenzen durch die russischen Medien geistert. Denn die Turbulenzen an den internationalen Kapitalmärkten stürzten auch Russland in die schwerste Finanzkrise seit einem Jahrzehnt.

Russland hat größte Devisenreserven weltweit

Von einer Zahlungsunfähigkeit des Staates kann diesmal aber keine Rede sein. Dank enormer Einnahmen aus dem Export von Öl, Ergas, Metallen und anderen Rohstoffen gehört Russland mittlerweile zu den Ländern mit den größten Devisenreserven weltweit. Doch der Kursverfall an den Börsen des Landes hatte Mitte September so bedrohliche Formen angenommen, dass die beiden wichtigsten Handelsplätze in Moskau von den Behörden zwei Tage hintereinander geschlossen werden mussten. Tags darauf, am 19. September, kam es dann wieder zu Handelsunterbrechungen. Dieses Mal allerdings wegen zu hoher Kursausschläge nach oben. Selbst am Montag (22.9.2008), als sich die Weltmärkte weitestgehend beruhigt hatten, mussten einige Aktien wegen zu großer Kursgewinne vom Handel ausgesetzt werden.

Korrektur der Aktienkurse

Händler an der MICEX (Quelle: dpa)
Auch an der MICEX musste der Handel sogar teilweise unterbrochen werden, weil es die Kursausschläge zu hoch warenBild: Picture-Alliance /dpa

Trotz all dieser Verwerfungen sieht der stellvertretende Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft und ehemalige E.ON Ruhrgas-Chef Burckhard Bergmann die aktuelle Situation in Russland gelassen. Denn die eigentliche wirtschaftliche Lage habe sich nicht geändert. Wichtig sei, so Bergmann, dass es eine erhebliche Korrektur bei den Aktienkursen gebe. Das habe mit einer Überhitzung der Kurse zutun, aber auch damit, dass in Russland Aktien in einem sehr kleinen Markt gehandelt würden. Zudem war der Rohölpreis war auf rund 90 Dollar gesunken. "Das hat natürlich Auswirkungen auf Unternehmen und den Staat. Aber 90 Dollar sind kein dramatischer Ölpreis für Russland", meint Bergmann. Vor einiger Zeit sei man über den hohen Wert noch hocherfreut gewesen.

Mehr Realismus an der Börse

Inzwischen ist der Ölpreis wieder auf über 105 Dollar hochgeschnellt, was zusätzlich zur Stabilisierung des sehr rohstofflastigen russischen Aktienmarktes beigetragen hat. Der Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Russland, Michael Harms, kann dem jüngsten Börsenschock in Moskau sogar etwas Positives abgewinnen: "Ich glaube, diese Korrektur könnte sehr gesund für das ganze russische System sein. Die Menschen hier werden nun ihre Situation realistischer einschätzen, was auch zu mehr Realismus bei verschiedenen Projekten führen wird."

Abkühlung der Beziehungen mit dem Westen

Noch allerdings ist die Krise an den Moskauer Börsen nicht gänzlich ausgestanden. Denn der massive Rückzug aus dem russischen Aktienmarkt wurde nicht nur durch die weltweite Finanzkrise und den riesigen Liquiditätsbedarf ausländischer Investoren ausgelöst. Zur Kapitalflucht hatten auch die verbalen Angriffe des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin auf den Stahl- und Kohlekonzern "Mechel" und vor allem der bewaffnete Konflikt mit Georgien beigetragen. Dieser hatte zu einer merklichen Abkühlung der Beziehungen mit dem Westen geführt. Auf die Höchstkurse vom Frühjahr 2008 wird man an der Moskwa daher länger warten müssen.