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Fideler Despotismus

13. Januar 2004

US-Präsident George W. Bush hat eine schnelle politische Wende im kommunistischen Kuba gefordert. "Wir alle müssen für ein freies Kuba arbeiten", sagte Bush. Heißt das Krieg oder Frieden?

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Fidel Castro ist wieder einmal im Visier der USABild: AP

"Die Diktatur hat keinen Platz in Amerika", sagte Bush auf dem Amerika-Gipfel im mexikanischen Monterrey. Auch in den "dunkelsten Winkeln der Kerker Castros" müsse der "Geist der Freiheit erblühen", forderte er pathetisch. In Kuba gibt es nach Angaben von Dissidenten zur Zeit mindestens 315 politische Gefangene.

Der Vorsitzende der "Kubanischen Kommission für Menschenrechte und Nationale Versöhnung", Elizardo Sánchez, befürchtet jedoch, dass das Jahr 2004 für die Menschenrechte in Kuba genauso negativ werden könnte wie das vorige Jahr. Im April 2003 waren in Kuba in einer der größten Repressionswellen seit der Revolution 75 Regimekritiker zu Gefängnisstrafen von zusammen 1454 Jahren verurteilt worden. Die Menschenrechts-Kommission gilt in Kuba als "illegal".

Wie zum Hohn wurde Kuba im Mai 2003 für drei Jahre in die Menschenrechts-Kommission der UNO gewählt. "Kuba in die Menschenrechtskommission aufzunehmen ist so, als ob man Al Capone mit der Sicherheit von Banken betraute", kommentierte damals Ari Fleischer, Sprecher des Weißen Hauses, die Wahl. Zuvor hatte bereits US-Außenminister Colin Powell den sozialistischen Karibik-Staat als eine "Verirrung" in der westlichen Hemisphäre bezeichnet. "Wir überprüfen alle unseren politischen Verfahrensweisen und Ansätze gegenüber Kuba im Lichte der sich verschlechternden Menschenrechtslage in dem Land", so Powell.

Druck von außen

Schiff mit amerikanischer Nahrungsmittelhilfe läuft in Kuba ein
Bild: AP

Bereits Anfang 2003 verschärften die USA ihren politischen Kurs gegenüber Kuba. Sie reduzierten die Zahl der Einreise-Visa für die USA von jährlich mehr als 10.000 auf wenige hundert und brachten damit Staatschef Fidel Castro in Schwierigkeiten. Denn bis dahin konnte sich das Regime durch den geregelten Ausreisestrom eine gewisse Zahl an Opponenten vom Hals schaffen und innenpolitischen Druck loswerden. Dieser Weg wurde versperrt, der Druck wendete sich nach innen. Nachdem sich schließlich die Entführungen von Flugzeugen und Schiffen und andere Verzweiflungstaten mehrten, entschloss sich der Staatsrat zum Durchgreifen: Bis auf wenige prominente Oppositionsführer wurden im März 2003 fast alle Köpfe der Dissidentenbewegung verhaftet. Drei Entführer einer Fähre wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die Führer der Opposition erhielten Gefängnisstrafen von mehr als 20 Jahren.

"Das Verhalten des kubanischen Regimes war vorhersehbar, denn es läuft immer nach dem gleichen Muster ab", erklärte Susanne Gratius, Kuba-Expertin des Deutschen Instituts für Internationale Politik und Sicherheit. "Es ist ein Wechselbad von Öffnung und Repression, nach innen wie nach außen." Im Windschatten des Irakkriegs entledigte sich Fidel Castro seiner missliebigen Opposition. Kuba wurde im Terrorismusbericht der USA 2002 ein weiteres Mal als eines von sieben Ländern aufgelistet, die aktiv Terror-Organisationen und Anschläge unterstützen – neben dem Iran, Libyen, Nordkorea, Syrien, dem Sudan und dem Irak unter Saddam Hussein. Und wie die USA das Problem des Iraks gelöst haben, das hat Fidel Castro mit Besorgnis beobachtet. Auch der innenpolitische Druck nimmt zu.

Druck von innen

Elizardo Sanchez Oppositionspolitiker in Kuba
Oppositionspolitiker Elizardo SanchezBild: AP

Das so genannte Varela-Projekt verschaffte Castro in den letzten Jahren ungewohnten Gegenwind. Der katholische Bürgerrechtler Oswaldo Jose Paya Sardinas gilt als Initiator des Projekts. Zwischen 1996 und 1997 hatte er an dem Referendumsvorschlag zu Gunsten einer liberaleren Verfassung gearbeitet. 1999 ging er zusammen mit den anderen Oppositionsführern an die Öffentlichkeit: Es war das erste Mal, dass die Opposition für ein gemeinsames Ziel eintrat. 11.000 Unterschriften sammelten sie für das Projekt – erste Anzeichen einer breiten Gegenbewegung. Oswaldo Paya erhielt dafür 2002 den "Sacharow-Preis" des Europäischen Parlaments. Doch als dann auch noch der Vertreter der USA in Havanna, James Cason, dazu überging, Treffen mit Dissidenten zu organisieren, schrillten bei der kubanischen Regierung endgültig die Alarmglocken. "Die Dissidenten wurden schon immer von den USA unterstützt. Deshalb sind die USA auch ein willkommenes Feindbild für Kubas Regierung", bringt Susanne Gratius den Konflikt auf den Punkt.

Was tun?!

Kuba Zigarrenmanufaktur Havanna Zigarrenfestival
Zigarren aus Kuba werden weltweit geschätztBild: AP

Der kubanische Parlamentspräsident Ricardo Alarcón wies die internationale Kritik an der drakonischen Bestrafung von Dissidenten zurück. Kuba verteidige sich bloß gegen diejenigen, die seine Souveränität verletzten, indem sie "Gruppen von Verrätern organisieren, leiten und finanzieren und gleichzeitig einen gnadenlosen Wirtschaftskrieg gegen das Land und die Drohung, es zu zerstören, verschärften", ließ Alarcón im April 2003 in der Regierungszeitung "Granma" verlauten. Unverhoffte Schützenhilfe erhielt er von einer Gruppe republikanischer und demokratischer US-Senatoren. Das seit 40 Jahren geltende Embargo gegen Kuba habe nicht dazu geführt, die Macht des kubanischen Präsidenten Fidel Castro aufzuweichen, so Senator Max Baucus. Es sei besser, dem kubanischen Volk die Hand auszustrecken.

Wenn dem so wäre, dann hätte das Land gute Chancen auf eine "friedliche Revolution". Denn der Einfluss der Opposition in Kuba ist nicht mehr zu ignorieren. Oswaldo Paya verkündete, er halte einen baldigen Regimewechsel in Havanna für möglich. Der "moralische Verfall" der Herrschaft von Präsident Fidel Castro sei unübersehbar, sagte der 51-Jährige der tschechischen Zeitung "Mlada fronta Dnes" (12.1.2004). "Ich glaube, dass der Wechsel sehr schnell kommen wird, womöglich noch dieses Jahr", sagte der Christdemokrat. "Die Nation macht mobil, und die Änderung wird kommen - weil die Kubaner es wollen, und Castro wird keine Chance haben." (arn)