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Feuer frei für Patriotismus-TV

Stephan Hille, Moskau22. Februar 2005

Ein militärischer Fernseh-Kanal soll den Russen die Liebe zur Heimat anfachen, dabei herrscht schon jetzt kein Mangel an Agitprop im Fernsehen.

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Stephan Hille

Ein Defizit an Vaterlandsliebe kann man bei den Russen eigentlich nicht feststellen, ganz im Gegenteil. Wo immer es um die Interessen des russischen Vaterlandes geht, ob in der Politik oder im Sport, sind Olga und Ivan Normalverbraucher sehr patriotisch eingestellt.

Ruhm für die Rote Armee

Auch im russischen Fernsehprogramm wird die Liebe zum Vaterland nicht vernachlässigt. Mal ganz abgesehen davon, dass die russischen Fernsehnachrichten nur wenig darüber berichten, was außerhalb der Landesgrenzen passiert, dafür aber beinahe minutiös den Tagesablauf des Präsidenten in Ton und Bild festhalten, laufen auf allen staatlichen

Kanälen ständig irgendwelche sowjetischen Kriegsschinken. Vor allem an Feiertagen marschiert die ruhmreiche Rote Armee auf allen Kanälen. Ebenfalls sehr beliebt bei den Programm-Machern sind Doku-Reportagen über den Einsatz der russischen Armee in Tschetschenien.

Gefährlicher Militärdienst

Dennoch, beklagt Verteidigungsminister Sergej Iwanow, sei gerade in den letzten Jahren das Verhältnis der Russen zur Armee abgekühlt. Das gilt vor allem für die jungen Männer im wehrpflichtigen Alter. Patriotismus hin oder her, wenn es um die zweijährige Militärzeit geht, zeigt die Jugend der Armee die kalte Schulter. Viele versuchen, sich ausmustern zu lassen. Kein Wunder, schließlich gilt der Militärdienst auch in

Friedenszeiten als lebensgefährlich. Durch Unfälle aber vor allem infolge der "Dedowtschina" der weit verbreiteten "Großväterherrschaft", bei dem die älteren Jahrgänge die frisch eingezogenen Rekruten drangsalieren, sterben pro Jahr mehrere hundert Soldaten beim Dienst für das Vaterland.

Gegenangriff mit Militärkanal

Doch Schuld an dem schlechten Armee-Image sind nach Ansicht von Sergej Iwanow nicht die "Dedowtschina", sondern das Fernsehprogramm, das mit westlichen Billigfilmen und schmuddeligen Talkshows zur Volksverdummung führe. Mit einem eigenen Militär-Fernsehkanal "Swesda" (Stern) ließ der

Verteidigungsminister nun zum Gegenangriff gegen die vermeintliche Volksverdummung blasen. Seit diesem Sonntag ist "Swesda" auf Sendung, doch noch ist der Armee-Kanal nicht in allen Haushalten zu empfangen. Der Marschbefehl für die Programm-Macher ist eindeutig: Dem Publikum (noch) mehr Heimatliebe einzuimpfen. Schließlich könne man nur

verteidigen, was man auch liebt, erklärte "Swesda"-Generaldirektor Sergej Sawuschkin. "Bei uns werden keine westlichen Filme laufen, die Russen als Barbaren oder Banditen zeigen. Es wird keine Sendungen geben, die die Geschichte unseres Vaterlandes beschmutzen", so Sawuschkin. Stattdessen soll es für die kleinen Zuschauer didaktisch wervolle Cartoons und Kinderfilme geben und für die Erwachsenen Marschmusik, Militärdokumentaionen und patriotische Spielfilme aus der "Konserve".

Gehaltserhöhung als bessere PR

Nach einem wirklich originellen Programminhalt klingt das nicht. Schon jetzt haben Medienexperten Zweifel am Erfolg des Militär-Kanals angemeldet. Hinzu kommt, dass kaum ein Job so schlecht bezahlt wird, wie der Dienst an der Waffe. Der monatliche Durchschnittssold in der Armee liegt bei knapp über 100 Euro. Um das Image der Armee zu verbessern,

wäre das Verteidigungsministerium vielleicht besser beraten, die Lebensbedingungen von Soldaten und Offizieren zu verbessern, anstatt Millionen in einen Fernsehsender zu pumpen.