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Festival der Horizonte

11. Juli 2011

Am Wochenende wurde zum 26. Mal das Schleswig-Holstein Musikfestival eingeläutet. In diesem Jahr liegt der musikalische Schwerpunkt in der Türkei und verspricht einen spannenden Einblick in die Musikszene am Bosporus.

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»Merhaba Türkiye« - Das Schleswig-Holstein Musik Festival 2011 Plakat (copyright: SHMF)
Türkische Verheißungen...

Deutschlands größtes Sommerfestival bringt wieder viel musikalische Abwechslung in entlegene Konzertsäle, Kirchen und Schlösser, aber auch auf Bauernhöfe, in Scheunen, Parks und sogar in eine Flughafenhalle im hohen Norden. Mit einem bunten Straßenfest und einem berauschendem Festkonzert mit Stargeiger Leonidas Kavakos und dem NDR-Sinfonieorchester unter Leitung des russischen Stardirigenten Semyon Byschkow startete das Festival, das wieder erstklassige Musikgenuss für alle Geschmäcker verspricht.

"Seit Justus Frantz mit Leonard Bernstein hier vor 26 Jahren Klassik aufs Land brachte, wurde unser Erfolgsrezept oft kopiert. Im Sommer wird ja mittlerweile in ganz Deutschland hinter jeder Milchkanne Musik gemacht", sagt Chefdramaturg Frank Siebert. "Doch auch in diesem Jahr kann das Schleswig-Holstein Musikfestival mit seinem Länderschwerpunkt überraschen."

Die Musikszene am Bosporus

Frank Siebert (Copyright: Schleswig Holstein Musik Festival)
Frank SiebertBild: Schleswig Holstein Musik Festival

Es sei ja kein Geheimnis, dass der weltbekannte Schlagzeuger Martin Grubinger eine türkischen Pianistin geheiratet habe, meint SHMF-Intendant Rolf Beck. Mit dem langjährigen Freund des Festivals kam daher die Idee auf, 2011 einen Türkei-Länderschwerpunkt zu planen: "Merhaba Türkiye - Hallo Türkei".

"Viele Menschen denken da sofort an Bauchtanz, Dönerbuden und Islamisten", sagt Chefdramaturg Frank Siebert. "Das sind alles Klischees, die wir aushebeln wollen." Und so präsentiert sich die Türkei in Schleswig-Holstein als überaus reizvolle Musiknation: vielschichtig, vielfarbig und vielgestaltig. Immerhin sind rund 50 verschiedene ethnische Gruppen am Bosporus beheimatet. So konnte sich eine unglaubliche kulturelle Vielfalt entwickeln, in der sich Abend- und Morgenland begegnen.

Mit Hingabe und Leidenschaft

Am 16. Juli eröffnet das renommierte Bilkent Symphony Orchestra aus Ankara im Kieler Schloss den Länderschwerpunkt. Unter seinem Dirigenten Isin Metin gibt es nicht nur Werke des bekannten türkischen Komponisten Ulvi Cemal Erkin zum Besten, sondern auch das Klarinettenkonzert "Khayyam" aus der Feders des Multitalents Fazil Say, der beim Festival gleich mehrmals in Erscheinung treten wird. Der Pianist, Dirigent und Komponist hat das Werk eigens für das Eröffnungskonzert komponiert, und die weltberühmte Klarinettistin Sabine Meyer wird es aus der Taufe heben.

Das türkische Bilkent Symphony Orchestra (Copyright: Emre Ünlenen)
Das Bilkent Symphony Orchestra hat nicht nur in seiner Heimat einen SpitzenrufBild: Ünlenen

Das deutsche Publikum kann in den nächsten Wochen viele spannende Entdeckungen machen. Der Gitarrist Marc Sinan, Sohn einer türkisch-armenischen Mutter und eines deutschen Vaters, reiste durch Anatolien und zeichnete auf Plätzen, in Häusern und Kneipen die Gesänge und Tänze der Einheimischen auf. In seiner Konzertinstallation "Hasretim – Sehnsucht" wird er diese Videoaufnahmen mit der Live-Musik eines Ensembles aus Dresdner Sinfonikern und Musikern aus Anatolien verbinden.

Sehnsucht und heilige Brücken

Unter dem Titel "Türkei spirituell" stellen die jungen Sängerinnen und Sänger des Schleswig-Holstein Festivalchors das Verbindende dreier Religionen in den Vordergrund. Sie singen Psalmenvertonungen des 16. und 17. Jahrhunderts aus der Feder zweier Christen, eines Juden sowie eines Muslimen. "Mit ihrem Programm 'Sacred Bridges' betreten die Musiker Brücken zwischen Völkern, Religionen und Menschen, die leider oft genug unbegehbar erscheinen", sagt Frank Siebert.

Türkei mal anders

DJ Ipek Ipekcioglu (Copyright: Nicolas Tscheqloff)
Berlins Kult-DJ IpekBild: Tscheqloff

Siebert schlägt in diesem Sommer auch wieder Brücken in andere Stilarten und Genres. "Türkei Schwarz-Weiß" präsentiert zeitgenössische Klaviermusik aus der Türkei. Außerdem lädt Siebert zum Streifzug durch die kammermusikalische Vergangenheit und Gegenwart des Landes ein. Das Programm "Stimmgewaltig" stellt den Sängernachwuchs vom Bosporus vor, und "Experimentell" heißt die Festivalserie zur neuen Musikszene der Türkei.

Damit auch die junge deutsche Szene sich auf diesen Festivalsommer freuen kann, verspricht der Programmpunkt "Türkei etwas anders" spannende Crossover-Projekte. Die derzeit populärste Band der türkischen Metropole "Kolektif Istanbul" stattet Norddeutschland einen Besuch ab und gibt sogar ein Konzert auf der Reeperbahn. Und die in Berlin lebende Türkin DJ Ipek - von der Zeitung "Tagesspiegel" längst zur "hippsten DJ Europas" gekürt -, will das Kolektif mit ihrem wilden Stilmix, den sie "Eklektik BerlinIstan" nennt, unterstützen.

Musikalische Weltfestspiele

Mit dem diesjährigen Schleswig-Holstein Musikfestival spannt der Dramaturg Frank Siebert wieder Brücken zwischen Religionen, Kulturen und Generationen. "Kultur im Allgemeinen und Musik im Besonderen verbindet Menschen", betont er. "Es ist unglaublich wichtig, dass so etwas erhalten bleibt."

In finanziell unsicheren Zeiten und einer auch in Deutschland bedrohten Kulturlandschaft muss Intendant Rolf Beck mit seinem Team in den nächsten zwei Jahren 500.000 Euro einsparen. Aber mit einem Etat von 7,75 Millionen Euro lassen sich neben hoffnungsvollen Jungtalenten immer noch bedeutende Künstler engagieren.

Anne-Sophie Mutter spielt Geige (Foto: AP Photo/Frank Augstein)
Stargeigerin Anne-Sophie MutterBild: AP

Publikumsmagnet Anne-Sophie Mutter tritt diesen Sommer also ebenso beim Schleswig-Holstein Musikfestival auf wie die beiden deutschen Jungcellisten Mischa Meyer und Julian Steckel. Und die King’s Singers haben sich genau angesagt wie die argentinische Starcellistin Sol Gabetta oder Waltraud Meier und Viktoria Mullova .

Auch wenn die Meteorologen einen wechselhaften Sommer vorhergesagt haben, haben die Fans ihr Urteil längst abgegeben: Es gibt nur noch ganz wenige Restkarten. Ob Orient, Okzident oder irgendwo dazwischen – Tickets für erstklassigen Musikgenuss sind in Schleswig-Holstein eben auch bei Regen schnell ausverkauft.

Autor: Peter Zimmermann
Redaktion: Suzanne Cords