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Politik

FDP-Frauen kämpfen um Anerkennung

12. Mai 2018

Die Führungsriege der FDP ist von Männern dominiert und immer weniger Frauen treten in die Partei ein. Das alarmiert die Liberalen, die zu ihrem ersten Parteitag seit der Bundestagswahl zusammengekommen sind.

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FDP Bundesparteitag Nicola Beer
Präsentiert Werbung für die FDP: Generalsekretärin Nicola BeerBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Eigentlich wollten die Liberalen bei ihrem Parteitag in Berlin über Digitalisierung, Liberalismus und die Russland-Politik debattieren. Das tun sie auch. Doch überraschend hat sich ein Thema auf die Agenda gedrängt, das die FDP eigentlich erst beim kommenden Parteitag diskutieren wollte: der dramatisch sinkende Frauenanteil bei den Freien Demokraten.

"Frauen sind ein ungehobener Schatz"

In seiner Parteitagsrede kommt FDP-Chef Christian Lindner nicht daran vorbei. "Frauen sind ein ungehobener Schatz", hebt er an. Dann drischt er erst mal auf die anderen Parteien ein: Grüne und Linke wollten jeden Geschlechterunterschied nivellieren. Die Rechtspopulisten verbreiteten immer noch das Weltbild "Kinder, Küche, Kirche". Und auch Union und SPD machten kaum Politik für Frauen. Die FDP dagegen sei frei von "Genderideologie", erklärt Lindner. Eine Doppelspitze aus Mann und Frau sei mit ihm nicht zu machen. Eine Quote für Frauen in den FDP-Gremien erwähnt er erst gar nicht.

Doch die Debatte ist längst entbrannt. Im vergangenen Jahr hatte die FDP sich über 12.362 Neueintritte gefreut - bis sie die Zahlen genauer analysierte. Ergebnis: Immer weniger Frauen werden Mitglied. Es waren noch nie so wenige in den vergangenen drei Jahrzehnten. Unter den Neuen sind nur 18,5 Prozent Frauen und auch ihr Anteil an allen 63.000 Parteimitgliedern liegt nur bei rund 22 Prozent.

FDP-Frauen kritisieren "Männerverein"

"Da müssen wir besser werden", gibt sich Generalsekretärin Nicola Beer der DW gegenüber selbstkritisch. Sie hat lange in der offenbar männergeprägten Partei kämpfen müssen, um im Dezember 2013 endlich das zu werden, was sie nun ist: eine wichtige Frau in der FDP, Vorbild auch für andere Frauen. Beer kann sich noch gut an die "Männerrunden an verrauchten Hotelbars erinnern, wo dann die wichtigen Posten in der Partei unter der Hand verteilt wurden". Die habe sie gehasst und dennoch ihren Weg in der Partei gemacht, gefördert auch durch Parteichef Christian Lindner.

FDP Bundesparteitag  Katja Suding
Nicht immer haben FDP-Frauen so gut lachen wie hier die stellvertretende Bundesvorsitzende Katja Suding mit Parteichef Christian Lindner (links) und Vizechef Wolfgang Kubicki (Mitte)Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Der sinkende Anteil weiblicher Parteimitglieder hat Nicola Beer dennoch überrascht und zum schnellen Handeln veranlasst. Die Partei hat eine sogenannte Ad-hoc-Arbeitsgruppe "Diversity Managment" eingesetzt. Ihr Ziel sind "effektive Maßnahmen, um mehr (neue) weibliche Mitglieder und Wähler zu gewinnen (und) so mehr Frauen in die Parteiarbeit und Führungsebene zu integrieren". Anfang Mai hatte die Partei eine Umfrage unter den weiblichen Mitgliedern gestartet, deren Ergebnisse sie noch auswerten wird. So viel ist schon durchgesickert: 47 Prozent der Frauen in der FDP halten Parteien schlicht für Männervereine.

Nur ein Viertel der FDP-Abgeordneten sind Frauen

Was den Anteil von Frauen in der Politik angeht, sind auch andere deutsche Parteien kein Paradies der Gleichberechtigung. Beispiel: Die Zusammensetzung des Deutschen Bundestages. Der Anteil von Frauen im Parlament ist nach der jüngsten Bundestagswahl sogar wieder gesunken, auf das Niveau der Zeit zwischen 1998 und 2002, konkret: auf rund 31 Prozent. Dabei lag der Frauenanteil in der Legislaturperiode davor schon einmal bei über 36 Prozent. Von einem Fortschritt kann nur sprechen, wer diese Zahlen mit dem Anteil der Frauen im ersten Bundestag zwischen 1949 und 1953 vergleicht: Da gab es 28 weibliche Abgeordnete - das waren 6,8 Prozent aller Parlamentarier.

Auch im internationalen Vergleich ist Deutschland abgehängt. In Schweden etwa liegt der Frauenanteil der Abgeordneten bei fast 44 Prozent, in Spanien und Frankreich bei rund 39 Prozent. Immerhin: Deutschland wird von einer Frau regiert und Angela Merkel präsentierte stolz ihre sechs Ministerinnen, eine mehr als in der vorherigen Regierungsmannschaft.

FDP Bundesparteitag
Innovation - auch in Sachen Geschlechtergleichstellung? Das debattiert der FDP-BundesparteitagBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Bei der Frauenquote im Bundestag schneidet die FDP besonders schlecht ab: Von den 80 liberalen Bundestagsabgeordneten sind 19 weiblich. Nur bei der rechtspopulistischen AfD sieht es noch schlechter aus. Die SPD bringt es immerhin auf einen Anteil von 42 Prozent. Bei den Linken und Grünen dominieren sogar die Frauen mit 54 und 58 Prozent.

"Frauenquote ist kein Teufelszeug"

Diesen Erfolg haben die Grünen auch dank einer Quotenregelung erreicht. Doch die Liberalen - auch viele Frauen in der Partei - bleiben gegenüber der Quote skeptisch. Das äußern sie auch beim Parteitag. Immer wieder betont Generalsekretärin Nicola Beer: "Die Quote bleibt eine Krücke." Die FDP tut sich - traditionell und ideologisch - mit Verordnungen schwer. Eine Quote passt nicht so recht ins Lebensgefühl der freiheitlichen, individuellen, liberalen Partei.

Die junge FDP-Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg aus Brandenburg sagt: "Ich halte eine Frauenquote nicht für Teufelszeug. Man darf in der nun beginnenden Diskussion in der Partei nichts ausschließen." Diskriminierung und Frauenfeindlichkeit beginnen für Teuteberg schon in der Sprache. "Der Begriff Frauenförderung suggeriert ja, dass Frauen förderungswürdige Opfer seien." Über solche Begriffe müsse man nachdenken. Wichtig seien für die FDP auch Vorbilder.

So eines wie Ria Schröder, die beim FDP-Parteitag immer wieder von Journalisten umlagert wird. Schröder ist vor wenigen Wochen zur neuen Vorsitzenden der Jugendorganisation der FDP gewählt worden, den Jungen Liberalen. Die erfolgreiche Juristin hat sich in einer Kampfkandidatur gegen einen männlichen Bewerber durchgesetzt und gleich den kompletten Vorstand umgekrempelt: Die Mehrheit ist nun weiblich. Bei der Mutterpartei sitzen im 18-köpfigen Präsidium 15 Männer. Frauenpower scheint eine Aufgabe für die nachwachsende Führungsriege zu sein.

Volker Witting
Volker Witting Politischer Korrespondent für DW-TV und Online