Faustdicker "Liberaler"
9. Dezember 2003Fernsehmoderatoren fürchten ihn, denn sobald ihm das Wort erteilt wird, gibt er es nicht mehr ab. Seit mehr als zehn Jahren geistert der pseudoliberale Krawallpolitiker Wladimir Schirinowski als "enfant terrible" durch die russische Politik, unermüdlich im Kampf um die Lufthoheit über den russichen Stammtischen. Ende der 1980er-Jahre wurden Schirinowski und seine nationalistische "Liberal-Demokratische Partei" (LDPR) vom Geheimdienst KGB als politische Kraft installiert. Als die Sowjetunion bereits taumelte, sollte Schirinowski als "agent provokateur" das demokratische Lager schwächen und die Protestwähler binden.
Polygamie als Politziel
Bei den ersten Parlamentswahlen im post-kommunistischen Russland 1993 errang die Schirinowski-Partei überraschende 23 Prozent. Für eine kurze Periode fürchtete der Westen Schirinowski als künftigen Herrscher im Kreml. Mal drohte Schirinowski mit Atomkrieg, mal schlug er vor, die Grenzen in Europa neu zu ziehen, vor allem zu Lasten kleinerer Staaten. Berühmt wurde er mit seinem laut gedachten Gedanken, wonach sich einst russiche Soldaten "im Indischen Ozean ihre Stiefel waschen" werden.
In der Innenpolitik sah Schirinowski das russische Heil in der Einführung der Polygamie, um den Bevölkerungsrückgang zu stoppen. Doch je bizarrer seine Äußerungen, desto weniger schienen ihn auch die Russen ernst zu nehmen. Bei den beiden folgenden Duma-Wahlen 1995 und 1999 halbierte die national-chauvinistische Partei stets ihr Stimmenergebnis. 1999 schaffte Schirinowskis Partei gerade noch eben den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde.
Ein Fall für den Staatsanwalt
Inhaltlich liegen Schirinowski und Präsident Wladimir Putin im Grunde nicht weit voneinander entfernt. Beide propagieren "Ordnung", Kampf gegen die Korruption und den starken Staat. Im Gegensatz zum Präsidenten, der seine
Worte meist staatsmännsich zu wählen weiß, bevorzugt Schirinowski eher eine deftige Tonart. Doch hinter der Fassade und entgegen aller starken Sprüche hat sich Schirinowski stets als Verbündeter und Marionette des Kremls erwiesen. Bei den Abstimmungen in der Duma konnten sich Putin und die Kreml-Partei "Geeintes Russland" auf Schirinowski und seine Genossen verlassen. Dies soll auch so bleiben: Nach seinem jüngsten Wahlerfolg erklärte Schirinowski die Kreml-Partei zum wichtigsten Partner in der neugewählten Duma.