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Nackte Tatsachen

3. Juni 2009

Fotografen, die nackte Haut abbilden, wandern auf einem schmalen Grad. Wo liegt die Grenze zwischen Kunst und Pornografie? Was macht einen guten Akt aus? Antworten sucht eine Ausstellung in München.

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Gerhard Riebicke: Paar beim Ausdruckstanz, um 1930 (Foto: Münchner Stadtmuseum)
Gerhard Riebicke: Paar beim Ausdruckstanz, um 1930Bild: Münchner Stadtmuseum

Die ältesten Akte, die die Ausstellung "Nude Visions. 150 Jahre Körperbilder in der Fotografie" zeigt, gehen zurück bis zu den Anfängen der Fotografie Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie waren ursprünglich allerdings nicht für das Auge des gewöhnlichen Betrachters, sondern für das des Künstlers gedacht. Im 19. Jahrhundert benutzten Maler, Zeichner und Bildhauer solche Studien als Vorlagen. Neben fast anatomischen Abbildungen zeigten diese frühen Fotos Posen, wie man sie von antiken Statuen kennt. Und was auffällt: sie zeigen Männer, Frauen und Kinder gleichermaßen.

Zwischen Kunst und Glamour

Titel: Franz Hanfstängl: Eugenie von Klenze um 1855 (foto: Münchner Stadtmuseum)
Titel: Franz Hanfstängl: Eugenie von Klenze um 1855Bild: Münchner Stadtmuseum

Erst um die Jahrhundertwende emanzipierte sich die Aktfotografie und wurde zum eigenständigen Kunstwerk mit vielen unterschiedlichen Strömungen. In den 20er und 30er Jahren begann man zu experimentieren, suchte extreme Perspektiven und Verzerrungen. Anders dann im Nationalsozialismus, hier musste der Akt "heroisch, athletisch oder keusch und rein sein", erzählt Ulrich Pohlmann, der Kurator der Ausstellung und Direktor der Sammlung Fotografie.

Und so gibt es Fotos, die fast wie gemalt wirken, andere erinnern an abstrakte schwarz-weiß Strukturen, wieder andere zeigen fast dokumentarisch den Aufbruch der sexuellen Revolution. Erotische Träume stehen fotografisch festgehaltenen Momenten von Kunstperformances gegenüber, wie sie in den 60er und 70er Jahren in waren. Namhafte Künstler wie Friedensreich Hundertwasser zogen sich selbst und ihre Modelle aus, um gegen die Zwänge der Gesellschaft oder einfach nur gegen die geraden Linien in der Architektur zu protestieren.

Respekt vor dem Gegenüber

Revuegirls, 1935 (Foto: Münchner Stadtmuseum)
Revuegirls, 1935Bild: Münchner Stadtmuseum

Was gleich bleibt, ist die Frage nach der Qualität. Und die liege in "einem gewissen Respekt vor dem Gegenüber" sagt Ulrich Pohlmann. Erst in einem ebenbürtigen Dialog zwischen Fotograf und Modell erzähle das Bild auch etwas über eine Person und gelebtes Leben, so der Kurator. Ein schönes Beispiel dafür sind die Revuemädchen, das Titelmotiv des Katalogs: Fast gleichgültig gegenüber der Kamera wirken sie zugleich nostalgisch und modern. Die Aufnahme entstand 1935.

Verlorene Authentizität

Mit der Digitalfotografie bekommt die 150-jährige Geschichte der Aktfotografie eine neue Wendung. Nicht nur die unendlichen Möglichkeiten der Verbreitung und die damit verbundene Kommerzialisierung haben unseren Blick auf Busen und Po verändert, sondern auch das Wissen, dass die nackten Tatsachen oft gar keine Tatsachen mehr sind, sondern am Computer manipulierte Wunschvorstellungen.

Autorin: Renate Heilmeier

Redaktion: Petra Lambeck