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Fantasie macht stark

20. Oktober 2003

Dicke Werbekampagnen sind ihm fremd, ein Vielschreiber ist er auch nicht. Doch "Krabat" und "Die kleine Hexe" werden von Kindern auf der ganzen Welt geliebt: Otfried Preußler wird 80.

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Der Kinderbuchautor Otfried Preußler feiert seinen 80. GeburtstagBild: AP

Die Adresse ist Zufall, passt aber gut: Otfried Preußler, Beruf: Geschichtenerzähler, wohnt im Rübezahlweg in einer kleinen bayrischen Gemeinde bei Rosenheim. An diesem Montag (20. Oktober 2003) feiert er seinen 80. Geburtstag - und Kinderbücher wie "Die kleine Hexe" haben ihn zum internationalen Ruhm gezaubert. Etwa 30 Titel hat er veröffentlicht; sie wurden in fast 60 Sprachen übersetzt und 40 Millionen Mal verkauft, von der Türkei bis nach Brasilien.

Wassermann statt Umwelt-Buch

Dabei hatte der erste Verlag Preußlers Manuskript "Der kleine Wassermann" abgelehnt: "Märchen sind nicht gefragt. Schreiben Sie Umweltgeschichten." Doch genau das tat der gelernte Volksschullehrer nicht - zum Glück. Er blieb bei Kinderbüchern, in denen er das verarbeitete, was er von seiner Kindheit in Nordböhmen an Sagen und Märchen mitnahm: Sein Vater war Volkskundler und Heimatforscher, Großmutter Dora und Tanten machten für Preußler Kobolde und Geister, Wassermänner und Riesen lebendig. "Der Mensch braucht Geschichten, wie er sein tägliches Brot braucht", erklärt Preußler.

Doch verdienen musste der bekennende Freund der Fantasie sein täglich Brot erstmal anders. Nach fünf Jahren Kriegsgefangenschaft in Russland ging Preußler, damals 26, nach Rosenheim - dorthin war seine Familie im Krieg geflüchtet. Bis 1970 unterrichtete er in der Stadt an der Volksschule. Danach wurde er Schriftsteller im Hauptberuf.

Mit dem Räuber zum Ruhm

"Der kleine Wassermann" war 1956 das erste Buch, das Otfried Preußler veröffentlichte. Ein Jahr später erschien "Die kleine Hexe", die bis heute zu den meistgespielten Stücken des deutschen Kindertheaters gehört. Die Idee lieferten Preußlers drei Töchter: Sie wollten doch genauer wissen, warum ihr Vater behauptete, es gebe heutzutage nur gute Hexen.

Die kleine Hexe, Otfried Preußler
Die kleine Hexe, eine der beliebtesten Kinderbuch-Figuren von Otfried Preußler

Den Durchbruch aber erlebte der Lehrer 1962, als er den "Räuber Hotzenplotz" losließ: Der zückt öfter die Pfefferpistole, weil er ständig scharf auf Großmutters musikalische Kaffeemühle ist. Kasperl und Seppel legen ihm das Handwerk. An diesem Buch schrieb Preußler nur ein Vierteljahr - die spannende und unheimliche Geschichte des Müllerburschen und Zauberlehrlings "Krabat" brauchte dagegen ein Jahrzehnt an Vorbereitung. Für das 1971 erschienene Buch erhielt Preußler den Deutschen und den Europäischen Jugendbuchpreis.

Optimismus macht stark

Die Geschichten aus dem Rübezahlweg sind Exportartikel: Preußler wird China ebenso gelesen wie in Russland. Wenn "Die kleine Hexe" und ihr Rabe Abraxas den jungen Thomas zum Schützenkönig zaubern, dann auch auf Thailändisch und Hebräisch. Der starke "Wanja" ist auch auf Baskisch kräftig. Und 1993 traf Preußler die japanische Kaiserin, die den Autor von "Odorobo Hotsenpuroso" unbedingt kennen lernen wollte. Viele der Bücher wurden zu Theaterstücken, Hörspielen und Filmen verarbeitet.

Preußler feilt lange an seinen Büchern und setzt einen Kontrapunkt zu einigen oft mit heißer Nadel gestrickten Geschichtchen für Kinder, die heute auf dem Markt sind: "Man muss darauf achten, es ihnen nicht zu läppisch zu machen. Die Kinder sind nicht so dumm, wie manche Verlagslektoren glauben." Seine Bücher sollen Optimismus ausstrahlen, damit Kinder auch später im Leben nicht verzagen.

Doch eines will der Autor seinen jungen Lesern nicht zumuten: schwierige Alltagsprobleme. "Kinder sind vor allem Kinder", sagt er. "Auch wenn heute von allen möglichen Seiten versucht wird, ihnen die Kindheit zu nehmen, indem man sie allzu früh mit den unbewältigten Problemen der Erwachsenen konfrontiert." Einige Ältere nennen das naiv und altmodisch. Doch Preußler sieht ohnehin die Kinder als seine strengsten Kritiker. Und die lesen weiter - denn Geschichten aus dem Rübezahlweg haben immer ein Happy End. (reh)