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Familien in Sorge

18. August 2010

Sie sind zu 20 Jahren Haft verurteilt worden - die sieben führenden Baha'i Mitglieder der Gemeinde im Iran. Ihre Familien und Angehörige in Deutschland sind in großer Sorge.

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Das Baha'i Führungsgremium im Iran (Foto: iranische Quelle)
Fast zwei Jahre saßen sie ohne Prozess in Haft - jetzt folgen noch 20. Der zweite von rechts ist Saeid Rezaie

Iman Naghashian ist erschüttert. Der junge Wirtschaftsprüfer sitzt in seinem Büro im Frankfurter Bankenviertel und kann es nicht fassen: Zwanzig Jahre Haft für die sieben führenden Mitglieder der iranischen Baha'i-Gemeinde. Unter den Verurteilten ist auch sein Onkel Saeid Rezaie. Bereits im Mai 2008 stürmten Sicherheitskräfte Rezaies Haus in Teheran und nahmen ihn vor den Augen seiner Kinder fest. Zusammen mit vier weiteren Männern und zwei Frauen wurde er in das Teheraner Evin-Gefängnis gebracht. Anfang des Jahres hielt es Naghashians Mutter nicht mehr aus und reiste unter erheblichen Sicherheitsbedenken in den Iran um ihren Bruder im Gefängnis zu besuchen. Nach ihrer Rückkehr berichtete sie von schockierenden Haftbedingungen. Seit mehr als zwei Jahren müssen die fünf inhaftierten Männer auf engstem Raum in einer Zelle zusammenleben. Ihnen fehle es am notwendigsten. Nicht einmal eine Decke zum schlafen bekämen sie. "Es gibt wirklich Anlass zur Sorge, auch gesundheitlich, das Ganze hinterlässt auf Dauer Spuren", sagt Naghashian.

Die sieben Verurteilten hatten sich vor ihrer Inhaftierung um die geistigen und sozialen Belange der mehr als 300.000 Mitglieder zählenden iranischen Baha'i-Gemeinde gekümmert. Der Prozess hatte erst am 12. Januar 2010 begonnen, nachdem die Baha'i bereits zwanzig Monate ohne Anklage inhaftiert waren und kaum eine Stunde mit ihrem Rechtsbeistand verbringen durften. Die Vereinten Nationen hatten immer wieder gefordert internationale unparteiische Prozessbeobachter zuzulassen. Doch die iranische Regierung ging darauf nicht ein.

Baha'i Gärten in Haifa (Foto: AP)
Das Weltzentrum der Baha'i liegt in Haifa/IsraelBild: AP

Vorwurf der Spionage

Die Baha'i sehen Bahaullah als letzten Propheten Gottes an. Nach offizieller islamischer Interpretation ist es aber Mohammed. Im Iran gelten die Baha'i deshalb als "Abtrünnige" des Islam. Außerdem betrachtet Teheran mit großem Misstrauen, dass die Baha'i ihr Hauptquartier im israelischen Haifa unterhalten.

Im jüngsten Prozess wurde den Baha'i daher auch Spionage für Israel und Propaganda gegen die islamische Ordnung vorgeworfen. Die iranische Nobel-Preisträgerin Shirin Ebadi, deren Büro die Verteidigung der inhaftierten Baha'i übernommen hatte, wies diese Vorwürfe in einem Interview gegenüber dem persischsprachigen Programm der BBC entschieden zurück: "Würde ein objektiver Richter die Anklageschrift zur Hand nehmen und fragen: Welche Beweise gibt es für die Anschuldigung der Spionage für Amerika, der Spionage für Israel und was haben sie getan, das die nationale Sicherheit gefährdet hätte? Er würde keinen einzigen Beweis dafür finden", sagte Shirin Ebadi der BBC.

Verstoß gegen die Menschenrechte

Shirin Ebadi (Foto: DW)
Die iranische Menschenrechtlerin und Anwältin Shirin Ebadi

Der neu ernannte UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Professor Heiner Bielefeldt, kritisierte den Prozess und verwies darauf dass der Iran den Zivilpakt der Vereinten Nationen ratifiziert und sich international verpflichtet habe die Menschenrechte zu achten. Dazu zähle auch die Religionsfreiheit. Die Vereinten Nationen hatten immer wieder gefordert unparteiische Prozessbeobachter zuzulassen. "Das ist nicht geschehen, entsprechende Forderungen sind von der iranischen Regierung nicht beantwortet worden. Und das wirft ein düsteres Licht auf diesen ganzen Prozess", sagt Bielefeldt.

Die Diskriminierung der Baha'i beziehe sich auf nahezu alle Lebensbereiche und raube den Baha'i beinahe die Luft zum Atmen. Wer sich im Iran zur Baha'i Religion bekennt,kann bestimmte Berufe nicht ausüben und nicht im Staatdienst arbeiten. Auch die Universitäten seien angewiesen Studierende - wenn sie als Baha'i entlarvt werden - von den Universitäten auszugrenzen. "Es gab auch immer wieder Attacken auf Friedhöfe der Baha'i", sagt Bielefeld. "Verhaftungen hat es immer gegeben und es gab auch bereits Todesurteile gegen die Baha'i."

Gezielte Verfolgung

Allein zwischen 1979 und 1998 wurden nach Angaben der "Baha'i International Community (BIC)" im Iran mehr als 200 Baha'i wegen ihres Glaubens ermordet oder hingerichtet. Hunderte unrechtmäßig inhaftiert, Tausende von Ämtern und Arbeitsstellen entlassen, ihr Eigentum beschlagnahmt und ihre Renten nicht mehr ausgezahlt. Anfang der 90er Jahre wurde ein geheimes iranisches Regierungspapier bekannt. Die darin angeordneten Maßnahmen sahen vor, dass Baha'i als Analphabeten gehalten werden sollten, auf niedrigstem Existenzniveau lebend und stets voller Angst, dass ihnen schon bei der geringsten Übertretung Inhaftierung oder auch Schlimmeres droht. Der UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt, plant, sobald wie möglich in den Iran zu reisen um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. Die sieben Verurteilten Bahà’í wurden inzwischen in das 50 Kilometer entfernte Gohardasht Gefängnis in Karaj verlegt. Für ihre Familien wird es damit noch schwieriger den Kontakt zu halten. "Mein Onkel hat noch nie falsch geparkt", sagt Naghashian. "Er hat sich nie etwas zu Schulden kommen lassen. Sein einziges Verbrechen ist, dass er an etwas anderes glaubt als die iranischen Machthaber."

Autor: Frank Aheimer

Redaktion: Diana Hodali