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Fahnenmeer und Maibaum

1. Mai 2002

Ob Maifeiertag oder Tag der Arbeit – der 1. Mai wird in der Welt oft mit Demonstrationen begangen. Feiern die einen sich selber, so genießen andere einen arbeitsfreien Tag. Gelegentlich ist es auch der Tag der Krawalle.

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Arbeitslosigkeit ist in Deutschland stets ein Thema der MaifeiernBild: AP

Krawalle zum 1. Mai sind in der deutschen Hauptstadt Berlin ein alljährliches Ritual. Doch auch in anderen Städten wie Hamburg, Leipzig oder Frankfurt kam es in den vergangenen Jahren am Maifeiertag zu Straßenkämpfen zwischen Demonstranten und Polizisten. Dort entzündeten sich die Krawalle aber meist an Aufmärschen von rechten Gruppen.

Erster Mai in Berlin Kreuzberg
Bild: AP

In der Hauptstadt begann die Reihe der fast jährlichen Ausschreitungen am 1. Mai 1987, als sich im Bezirk Kreuzberg 900 junge Menschen rund zwölf Stunden lang Straßenschlachten mit der Polizei lieferten. Sogar "ganz normale" Bürger beteiligten sich während des schwersten Ausbruchs von Gewalt seit Jahren an Plünderungen von Geschäften. Zwei Jahre später türmten in den Bezirken Kreuzberg und Neukölln rund 2000 Randalierer Barrikaden auf und warfen Steine auf Polizisten. Fast 350 Beamte wurden verletzt. In den Folgejahren erreichten die Krawalle nicht mehr dieses Ausmaß, konnten aber auch mit massivem Polizeieinsatz nicht verhindert werden.

Zwischen Politik und Frühlingsgefühlen

Unter den vielen religiösen Feiertagen in Deutschland nimmt der 1. Mai als ein säkularer Feiertag in jedem Falle eine besondere Stellung ein. Neben den politisch motivierten Demonstrationen finden zahlreiche nichtpolitische Maifeste statt. Viele stellen einen Maibaum in ihrem Dorf auf, andere widmen einen sehr jungen, kleinen Baum ihrer Liebsten und befestigen ihn des Nachts möglichst nahe vor deren Zimmer. Der Ursprung dafür wird auch in den antiken Frühlingsfesten in Ägypten, Indien und dem römischen Reich gesehen.

Maifeiertag oder Tag der Arbeit in Europa

So mischen sich an diesem Tag politische und historische Wurzeln des Feiertags am 1. Mai. Weil er für viele Menschen damit einfach den Frühlingsanfang symbolisiert, heißt er in manchen Ländern wie auch in Deutschland einfach "Maifeiertag" und nicht "Tag der Arbeit". Letzterer Name findet sich in Ländern wie Belgien, Frankreich, Griechenland, Österreich, Portugal und Spanien. Die Schweiz schließt sich hierbei nicht aus. Auch in den ehemals sozialistischen Ländern Europas wie Bulgarien, Rumänien, der Slowakei und Ungarn etwa erinnert der Name an den Kampf der Arbeiterklasse für mehr Rechte. In Russland ist auch der 2. Mai ein "Tag der Arbeit".

Der neu entdeckte 1. Mai in Russland

Seit 1945 ist die erste Mai-Woche in der Sowjetunion eine feierliche Woche gewesen - besonders dann, wenn auch noch Ostern in die Woche fiel. Meistens wurde von den beiden Tage der Solidarität mit den Werktätigen, 1. und 2. Mai, bis zum Tag des Sieges am 9. Mai ununterbrochen gefeiert. Dabei stand das offizielle Programm für die meisten Menschen in keinem Widerspruch zum Privaten. Die Parteifunktionäre haben stets die ohnehin feierliche Stimmung geschickt in Bekundungen der politischen Treue umgemünzt.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion blieb der 9. Mai unangefochten einer der wichtigsten und für die ganze Bevölkerung würdigsten offiziellen Feiertage, weshalb die beiden Feiertage 1. und 2. Mai an Bedeutung verloren. Allerdings reklamieren die Kommunisten den 1. Mai für sich als ihren Hauptfeiertag.

Seit dem Amtsantritt Putins werden alte sowjetische Bräuche wiederentdeckt. Die Obrigkeit übernimmt die Organisation und nimmt auch Einfluss auf die Gewerkschaften. In diesem Jahr erwartet Moskau 120.000 Demonstranten unter dem Motto: „Der Sozialstaat braucht eine soziale Politik“.

Nüchternheit in Polen, Tschechien und Skandinavien

In Polen und der Tschechischen Republik hingegen hat man sich von dem politisierten Namen verabschiedet und nennt den 1. Mai nun einfach Maifeiertag, ebenso wie in Finnland, Irland, Luxemburg, Schweden und Norwegen. Dies entspricht im großen und ganzen auch der heutigen Bedeutung des Tages, denn in allen europäischen Volkswirtschaften ist der Kampf der Arbeiterklasse längst beendet.

Viele Tage der Arbeit

Außerhalb Europas gibt es auch abweichende Daten für den Tag der Arbeit. So etwa in den USA: Dort ist der erste Montag im September der Labour Day. Und das, obwohl doch ein erster landesweiter Streik im 19. Jahrhundert am 1. Mai die Wirtschaft lahm legte.

Robert Köhler: Der Streik
Bild: http://www.dhm.de

Zentrum des Protestes war Chicago, wo Tausende von streikenden Arbeitern am 1. Mai im Jahre 1886 die Stadt zum Stillstand brachten. Drei Jahre später wurde schließlich auf dem 2. Internationalen Arbeiterkongress in Paris der 1. Mai zum Gedenktag an den Protest von Chicago erklärt. Seitdem ist der 1. Mai zum Symbol von Solidarität unter allen Arbeitern weltweit geworden. Australien hat ebenfalls abweichend vom 1. Mai den 11. März zum Labour Day erkoren und im benachbarten Neuseeland findet dieser gut ein halbes Jahr später, am 22.10. statt. In Japan, dessen Arbeitskräfte zu den höchstbezahlten weltweit zählen, gehen am 23. November jährlich Tausende von Menschen auf die Straße. Sie protestieren für höhere Löhne, um die exorbitanten Preise für Wohnung und Ernährung bezahlen zu können.

Brasilien: Langer Kampf für die Rechte der Arbeiter

Im Jahre 1909 bildete sich in Brasilien der erste gewerkschaftlich organisierte Arbeiterbund, beeinflusst durch anarchistisches und kommunistisches Gedankengut der eingewanderten Arbeiter aus Europa. Jegliche Initiative von Seiten der Arbeiterschaft sich zu organisieren, wurde jedoch von Regierung und Großbürgertum massiv bekämpft. So hatten die sich immer neu formierenden Gewerkschaftsverbände stets nur eine sehr begrenzte Lebensdauer. Entweder wurden sie gewaltsam aufgelöst oder von der populistischen Regierung inkorporiert.
Speziell zur Zeit der Diktatur Getúlio Vargas (Estado Novo, 1937-1945) wurde das System Gewerkschaft zu einem korporatistischen Kontrollorgan der Regierung mißbraucht.

Nach Jahrzehnten der Militärherrschaft wurde 1983 die CUT (Central Única dos Trabalhadores) gegründet, eine Gewerkschaft, die eine große Zahl von Arbeitern erfolgreich repräsentieren konnte. Sie ist auch Organisator bei den diesjährigen Feiern.

Der Feierlichkeiten zum "Tag der Arbeit" erstrecken sich in Brasilien über eine Woche. Seit dem 20. April werden Tombolas und Kundgebungen abgehalten, die von Stadt zu Stadt wandern. Die Hauptveranstaltungen am 1. Mai stehen unter dem Motto "Ein gerechteres Brasilien, mehr Arbeit, mehr Lohn". Mit Show und Musik wird der Tag der Arbeit zum Feiertag gemacht. Auf der diesjährigen Agenda der CUT stehen Veränderungen des Arbeitsrechtes.

Auch in anderen Schwellenländern wie den Philippinen und Thailand hingegen dient der 1. Mai noch immer entsprechend der ursprünglichen Idee dazu, unter der Führung von den Gewerkschaften für Minimallöhne einzutreten und die Grundrechte von Arbeitern zu sichern.

"Tage der Arbeit" in China

Im kommunistischen China werden an diesem Tag verdiente Arbeiter öffentlich ausgezeichnet. Um den 1. Mai herum bekommt die ganze chinesische Bevölkerung zudem 7 Tage frei: 3 Feiertage plus 4 Wochenend-Tage.

Maifeiertag in Peking
Bild: AP

Dahinter steckt der Gedanke, die Menschen zum Konsum anzuregen. Diese Praxis bezeichnet die weit verbreitete Losung von der "Förderung der Feiertagswirtschaft". Diese "Feiertagswirtschaft" ist auch eine Art Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, da durch die Verlängerung der Feiertage die reguläre Arbeit begrenzt wird. Eine wichtige Auffangmaßnahme in einem Land mit geschätzten 10 Millionen überflüssigen Arbeitskräften. In diesen Feiertagen reisen viele Menschen, sowohl in China, als auch in das benachbarte Ausland.

In einigen Ländern schließlich ist der 1. Mai noch immer Anlass für organisierte Arbeiterfeiern. Das sozialistische Kuba feiert den 1. Mai mit großen Paraden als besonderen Gedenktag an die Revolution. Im Jahre 1997 wurde der Tag dem Revolutionsführer Che Guevara gewidmet. Auch in Vietnam ist der 1. Mai der Feiertag der Arbeiter. (dk)